Eiserne Hochzeit mit 101 Jahren
Ausflüge und Reisen, der Sonntagstanz, das gesellige Beisammensein: Höhepunkte in der Partnerschaft von Maria und Josef Zeitler aus Ossenzhausen bei Rohrbach. Seit 65 Jahren sind sie verheiratet, gefeiert wurde beim Tag der Ehejubilare in Augsburg. Bereits vergangenes Jahr durfte der Land- und Gastwirt seinen 100. Geburtstag begehen. Maria Rösch hat mit den beiden gesprochen: über Höhen und Tiefen, das Kennenlernen, die Geheimnisse einer langen Partnerschaft und eine ziemlich vermasselte Christbaumaktion.
Die Hitze hat an diesem flirrend heißen Tag im August keine Chance: Entspannt sitzen Maria und Josef Zeitler am alten, hölzernen Esstisch in der Stube ihrer ehemaligen Gastwirtschaft. Die dicken Wände des 1923 erbauten Hauses lassen es angenehm kühl erscheinen und auch sonst atmen die Wände hier eine lange Geschichte. „Wir haben das Gasthaus und die Landwirtschaft 1960 von meinen Eltern übernommen. Damals hatten wir zusätzlich zum Acker- und Hopfenanbau noch Kühe und Schweine“, sagt Josef Zeitler. Die Landwirtschaft sei damals erst allmählich technisiert und nach einigen Jahren auf den Hopfenanbau spezialisiert worden. Hinter ihm an der Wand malen Fotos und Erinnerungsstücke ein Bild von längst vergangenen Zeiten: Ein Foto mit Zugpferd als Maschinenersatz bei der Ernte, Bilder von Festen und Feiern, Vereinspokale und alte Brauereiplakate. „Das Gasthaus hatte immer nur am Sonntag geöffnet und für besondere Feiern. Hochzeiten oder Leichenschmaus“, zählt Josef Zeitler auf, der mit 101 Jahren wie rüstige 80 erscheint - hellblaues Hemd, wacher Geist und immer wieder ein verschmitztes Lachen. Vielleicht ist es seine Frau, die ihn mit 88 Jahren fit hält: „Ich fahre noch Auto, mache den Haushalt und koche für uns beide. Selbstständig sein war mir immer wichtig“, betont sie, die damals von einem kleinen Einsiedlerhof zu ihrem Mann gezogen ist und in die Arbeit als Wirtin und Bäuerin erst hineinwachsen musste.
Warum sie sich damals für den deutlich älteren Mann interessiert habe, weiß Maria Zeitler noch ziemlich genau: „Er hat gut, sportlich und viel jünger ausgesehen“, gibt sie unumwunden zu. Ein „Meistertänzer“ sei er gewesen, wirft Josef Zeitler verschmitzt ein. Beim Tanz haben sich die beiden nicht nur kennengelernt, sondern daraus sei auch eine gemeinsame Leidenschaft entstanden: „An den Sonntagen wurden von den Vereinen Tanznachmittage in den Gaststätten angeboten. Das war immer der Höhepunkt der Woche“, betont Josef Zeitler, der nicht nur seit dem ersten Tanz um seine Frau geworben hat. „Ich habe bei einer Christbaumversteigerung einen teuren Baum für 50 Mark gekauft und wollte sie damit beeindrucken. Ich bin zum Hof ihrer Eltern gefahren, aber sie kam nicht zum Vorschein. Im Bett ist sie schon gewesen“, erzählt er rückblickend aus vollem Herzen lachend.
Nach der Hochzeit, die 1960 mit Tanz, Rinderbraten und einer Hochzeitsreise an den Großglockner gefeiert wurde, war das Leben des Ehepaars vom harten Alltag geprägt. Zusätzlich zur Landwirtschaft und den drei Kindern wurde die Gastwirtschaft mehr und mehr zum Treffpunkt für Vereine, Musikgruppen und gesellige Runden. „Ich habe mich oft als Wirt zu den Gästen gesetzt, die Steirische Harmonika gespielt und wir haben zusammen gesungen. Die Leute sind nicht mehr heimgegangen weil’s so schön war. Bis Maria sie rausgeschmissen hat“, erinnert sich Josef Zeitler.
Neben all den schönen Momenten prägten auch Tiefpunkte die gemeinsamen Lebensjahre: „Das zweite Kind ist mit neun Monaten am plötzlichen Kindstod gestorben“, erwähnen die beiden nur kurz. Die Schwere im Raum ist trotzdem spürbar. Die Kirche und der Glaube sei immer eine wichtige Stütze gewesen: „Wir haben gebetet, wenn ein Gewitter am Himmel stand oder jemand krank war. Jeden Sonntag sind wir in die Kirche gegangen. In die Lohwinder Wallfahrtskirche sind wir oft gekommen und haben um Hilfe gebetet“, sagt Maria Zeitler.
Trotz ihrer festen Heimatverbundenheit den Horizont bei Reisen und Ausflügen zu erweitern, war den beiden stets ein wichtiges Anliegen. Manchmal zusammen, aber oft auch getrennt, machten sie sich auf den Weg nach Spanien, Polen, Italien oder die Schweiz: Sie mit der Pfarrei oder den Bäuerinnen, er auch mal mit fremden Gruppen. Sein schönstes Ziel? „Russland“, sagt der 101-jährige und seine Augen beginnen zu strahlen. „Ich war einmal auf der Krim und einmal in St. Petersburg“. Warum gerade Russland? „Ich war dort drei Jahre im Krieg und vier Jahre in Kriegsgefangenschaft“. Trotz all der traumatischen Erfahrungen, habe er auch freundliche Russen kennengelernt. „Danach wollte ich das Land sehen, das echte Russland“, sagt Zeitler bewundernswert ohne jeglichen Hass.
Wenn man die beiden nach dem Geheimrezept ihrer langen Ehe fragt, ist es der familiäre Zusammenhalt, den man zuallererst genannt bekommt. Für ihr hohes Alter haben die beiden zudem eine Erklärung. „Es ist wichtig, dass man sich geistig und körperlich fit hält.“ Die besten Voraussetzungen sind hierfür schon mal geschaffen: „Ich bin bis zum hundertsten Geburtstag mit dem E-Bike gefahren, bis es mir die Familie verboten hat“, sagt Herr Zeitler. Ein Fitnessrad spitzelt hinter seinem Rücken im Gastraum hervor: ein Geschenk zum Hundertsten fürs tägliche Muskeltraining.