Erzbischof Dr. Heiner Koch: „Junge Familien auf den Weg bringen, wieder gläubiger zu werden“

Augsburg (pba). Beim „Tag der Priester und Diakone“ war heute Erzbischof Dr. Heiner Koch, Apostolischer Administrator von Dresden-Meißen und ernannter Erzbischof von Berlin, im Rahmen der Ulrichswoche Gast im Haus Sankt Ulrich. Vormittags hatte er einen Pontifikalgottesdienst in der Ulrichsbasilika gefeiert. Das Thema des Nachmittags lautete: „Die pastoralen Herausforderungen von Ehe und Familie im Kontext der Evangelisierung“. Erzbischof Koch, der auch Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz ist, ging dabei zunächst auf die Frage der Evangelisierung allgemein ein. An die Priester und Diakone gerichtet fragte er: „Sind wir froh, dass alles geborgen ist in den guten Händen Gottes?“ Ein neuer Aufbruch könne nicht gelingen, wenn er nicht von der Freude im Herrn getragen sei. Darum gehe es bei der Evangelisierung, nicht um ein Regelwerk. „Die Liebe zu Christus, sie schlägt Feuer, nicht das reflektieren von Sätzen.“ Deshalb laute die wichtigste Frage: „Helfen wir Menschen, Gott zu lieben?“
Es gehe dabei nicht nur um die getauften Menschen, die bereits in den Gemeinden da seien. Diese gelte es im Glauben zu festigen, zu stärken und zu halten. Das sei ein lebenslanger Prozess, so der Erzbischof. Evangelisierung ziele aber auch auf die vielen Menschen, die zwar getauft seien, aber ohne Beziehung zum Glauben lebten oder deren Glauben immer dünner geworden sei. „Irgendwann ist man draußen“, richtete sich Erzbischof Koch an seine Zuhörer. „Wie können wir die Beziehung zu diesen Menschen intensivieren? Stellen wir uns dieser Aufgabe?“, fragte er. Denn wenn sie ausgetreten seien, sei es dafür zu spät. Schließlich gebe es auch noch die große Gruppe jener Menschen, die noch nie etwas von Christus gehört hätten. In Sachsen seien dies 80 Prozent. Der Erzbischof sprach in diesem Zusammenhang auch von „getauften Heiden“, für die Kirche weit weg sei. Glauben sei für sie nie ein Thema gewesen. „Haben wir diese Menschen im Blick? Gespräche mit ihnen machen Mut“, betonte der Erzbischof und ermunterte dazu, diese Menschen auf einen „Umkehrprozess zum Glauben“ zu bringen.
All dies könne nur gelingen, wenn die Kirche in der Gesellschaft die Frage nach Gott wach halte. „Gott darf nicht verschwiegen werden!“ Events spielten dabei eine wichtige Rolle, durchaus auch als provokante Fragezeichen an die Gesellschaft. Es brauche zudem viele Orte, an denen Menschen ganz einfach und niederschwellig mit dem Glauben in Berührung kommen könnten. Die Hemmschwelle dürfe nicht zu hoch sein. Er habe im Bistum Dresden-Meißen auch erkannt, wie wichtig dabei das in der DDR in Vergessenheit geratene religiöse Brauchtum sei. Entscheidend sei jedoch, für den Glauben mit Begeisterung zu werben. „Glaube springt nur über Personen über.“
Bei der Evangelisierung kommt Ehe und Familie die entscheidende Rolle zu
Ehe und Familie komme dabei die entscheidende Rolle zu. Für ihn sei die große Frage, wie gerade junge Familien auf den Weg gebracht werden könnten, wieder gläubiger zu werden. „Wie schön ist es zu erleben, wenn junge Familien wieder den Glauben weitergeben.“ Sie seien bei der Weitergabe des Glaubens Bündnispartner Gottes. Das mache sie zu einem heiligen Ort. „Wissen die Menschen das?“, fragte der Erzbischof. „Verkündigen wir, dass die Ehe eine Berufung ist?“ Deshalb sei die Ehevorbereitung sehr wichtig, aber auch die unmittelbare Vorbereitung der Trauung. Ehe und Familie müssten sich durch das ganze Leben einer Pfarrfamilie ziehen, ermunterte er. Auf diesen Aspekt hatte Bischof Dr. Konrad Zdarsa bereits bei der Begrüßung von Erzbischof Koch hingewiesen: Im Bistum Augsburg nehme man sich des Themas „Ehevorbereitung“ schon lange an. Er höre im Bistum gerade auch im Kreis von Priestern immer wieder, dass die Ehevorbereitung verbindlich sein müsse.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde Erzbischof Koch auch auf die bevorstehende Familiensynode in Rom angesprochen, an der er teilnehmen wird. Er warnte dabei vor zu vielen unlösbaren Erwartungen. Sonst könne eine solche Synode auch scheitern. „Ein bisschen enttäuschst“ zeigte er sich, dass im vergangenen Jahr zu wenig, durchaus auch kontrovers zum Thema Ehe und Familie gearbeitet wurde. Es werde auch immer über das Thema „Wiederverheiratete“ gesprochen. Aber wie viele betreffe das? Für ihn stellten sich andere Fragen. „Wie können wir junge Paare dafür begeistern, überhaupt zu heiraten?“ Ein anderes Beispiel seien die Migrantenfamilien oder kinderreiche Familien. Es sei schon eine ernste Frage, wie die Gesellschaft mit ihnen umgehe. Als „furchtbar“ bezeichnete er es, wie sich in der Kirche zwei Blöcke gegenüberstehen. Denn egal wie die Synode ausgehe: „Wir müssen danach auch als Kirche zusammenhalten. Es gibt auch einen Tag X nach der Synode.“ Er traue hier Papst Franziskus sehr viel zu und auch dem Heiligen Geist.
Von Vertrauen hatte der Erzbischof bereits heute früh während des Pontifikalamts in Sankt Ulrich und Afra gesprochen. Daran hatten neben Bischof Konrad Zdarsa, Weihbischof Anton Losinger und Generalvikar Harald Heinrich rund fünfzig Priester und zahlreiche Gläubige teilgenommen. Gott habe sich in Jesus Christus voll auf die Menschen eingelassen, weil er uns grenzenlos liebe. Es gebe deshalb keinen Ort und keine Zeit, wo Gott nicht da sei. „Auch wenn wir ganz unten sind: Gott ist da und Gott bleibt mir treu.“ Aber sind wir als Priester und Seelsorger wie der heilige Ulrich bei diesen Menschen, die unten sind? Dies habe auch mit unserem Vertrauen auf Gott zu tun. Es gebe heute so viele Frage: Wie geht es mit der Familiensynode weiter, wie mit der Kirche in dieser Welt. „Wir wissen es nicht“, lautete die Antwort des Erzbischofs. „Was bleibt uns denn anderes übrig als diesem Gott zu vertrauen?“