„Für die Kranken versuchen wir unser Möglichstes“

Schwabmünchen. „Als ich das erste Mal nach Lourdes gefahren bin, hat mich meine Mutter für verrückt erklärt“, erzählt Ilse Fischer aus Schwabmünchen. Aus der Sicht der Mutter, war das durchaus verständlich. Ilse Fischer ist seit ihrer Kindheit körperbehindert und auf ihren Rollstuhl angewiesen. „Nach schweren Operationen an Hüften und Knie, hatte ich solche Schmerzen, dass ich mir damals geschworen hatte, wenn ich wieder im Rollstuhl sitzen kann, dann fahr ich nach Lourdes.“ Ihr langersehnter Wunsch ging in Erfüllung. „1981 war ich dann das erste Mal dabei. Und – die Mutter Gottes hat geholfen. Ich hatte keine Schmerzen mehr,“ berichtet Ilse Fischer.
„Auf alle Fälle wieder mit dabei“ ist sie auch in diesem Jahr. Obwohl die 64-jährige körperlich stark beeinträchtigt ist. Nach einer Gehirnblutung im Kindesalter wurden ihr mit acht Jahren beide Beine versteift. Heute kann sie nur mit Hilfe ihr Bett verlassen und dennoch kann sie bereits zum 16. Mal mit nach Lourdes fahren - vorausgesetzt es melden sich noch genügend weitere Mitreisende an.
Am 27. August 2011 startet zum 35. Mal der Sonderzug ab dem Münchner Ostbahnhof, über Geltendorf, Augsburg, Ulm, Stuttgart-Kornwestheim und Karlsruhe in einen der bedeutendsten und bekanntesten Wallfahrtsorte weltweit. Bereits seit 1974 wird die Lourdes-Wallfahrt fast jedes Jahr abgehalten. An ihr nehmen sowohl Jugendliche und Erwachsene, als auch Gesunde und Kranke sowie Familien und Alleinstehende teil. Sie wird organisiert von der Diözesan-Pilgerstelle Augsburg in Zusammenarbeit mit der Krankenfraternität der Diözese Augsburg, dem Malteser Hilfsdienst und dem Bayerischen Pilgerbüro.
„Es werden unbedingt noch Mitfahrer gesucht, sonst kann die Reise nicht durchgeführt werden,“ wirbt Centa Sattler, von der Diözesan-Pilgerstelle im Bistum Augsburg. Sie übernimmt seit 15 Jahren die Anmeldung und Organisation der Pilgerreise. „Wer einmal mitgefahren ist, der möchte oft wieder dabei sein“, stellt Centa Sattler fest. „Es gibt jedes Jahr viele Wiederholungstäter. Die Teilnehmer kommen überwiegend aus dem ganzen Gebiet des Bistums Augsburg, aber auch darüber hinaus.“ In diesem Jahr sind noch einige Plätze frei. Insgesamt können 400 Personen in dem Sonderzug mitfahren, davon sind etwa 80 krank und pflegebedürftig. Die Wallfahrt dauert eine Woche, vom 27. August bis 3. September 2011 und steht unter dem Jahresmotto von Lourdes: „Mit Bernadette das Vaterunser beten“. Als Schirmherr wird der Augsburger Weihbischof Josef Grünwald den Zug begleiten. Die geistliche Begleitung übernimmt Pfarrer Johannes Rauch.
Lourdes liegt am Fuße der Pyrenäen. Jährlich kommen über eine halbe Million Jugendliche bei insgesamt fast sechs Millionen Pilgern dorthin. Grund für die Anziehungskraft der Pilgerstätte sind die Marienerscheinungen von Bernadette Soubirous vor 152 Jahren. Mehr als 6000 Heilungen sollen sich seit 1858 bisher dort ereignet haben. Von diesen sind über 60 als offizielle Wunder von der Kirche anerkannt.
Dass Ilse Fischer überhaupt mitfahren kann – und mit ihr etwa 80 weitere Hilfsbedürftige und Kranke – ist nicht selbstverständlich. Über 60 Ehrenamtliche des Malteser Hilfsdienstes unterstützen, betreuen und pflegen die mitreisenden Kranken, die Menschen mit Behinderung und die Pflegebedürftigen. Unter den Engagierten sind examinierte Pflegekräfte, die eigens Urlaub für diese Fahrt nehmen. „Wir kümmern uns rund um die Uhr um die Versorgung der Kranken und Pflegebedürftigen“, erzählt Norbert Olbricht, der die Wallfahrt seit 1979 fast ununterbrochen begleitet und mitorganisiert. Eigentlich ist der 58-jährige Techniker von Beruf, aber nach seiner Zivildienstzeit bei den Maltesern ist er dort „hängengeblieben“, als Ehrenamtlicher, hat sich weitergebildet bis zum Rettungssanitäter und unterstützt die Krankenwallfahrt mit großem persönlichen Engagement. Er besucht gerade Ilse Fischer in Schwabmünchen, die dort im betreuten Wohnen lebt.
Die Vorbereitung im Vorfeld ist dabei genauso intensiv, wie die Begleitung während der Fahrt. „Wir sammeln vor der Reise Daten von den Mitfahrenden, um sie richtig unterbringen zu können, sowohl im Zug, als auch im Hospiz in Lourdes. „Um die Bedürfnisse der Kranken gut einschätzen zu können, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten, analysieren wir vorher die Krankheitsbilder.“ Die Unterbringung im Zug erfolgt in einem eigenen Bereich. Speziell für Bettlägerige ist ein Liegewagen vorhanden. „Wenn jemand mitfahren will und es irgendwie machbar ist, versuchen wir unser Möglichstes“, beteuert Norbert Olbricht. Für die medizinische Versorgung sorgt ein Pilgerarzt der Malteser. Sogar für Dialysepatienten besteht die Möglichkeit mit zu fahren, wenn sie sich rechzeitig vorher angemeldet haben. Norbert Olbricht berichtet: „Es gibt fast keine Hindernisse, nicht mitfahren zu können, außer ein Arzt rät auf Grund von gesundheitlichen Gründen davon ab. Das ist in den letzten Jahren aber erst einmal vorgekommen.“
Auf die Frage, ob es nicht sehr anstrengend sei, antwortet Norbert Olbricht: „Man bekommt so viel von den kranken Menschen zurück. Jedes Mal wenn ich von Lourdes nach Hause komme, weiß ich, dass meine Probleme eigentlich keine Probleme sind. Diese Leute sind so lebensbejahend und fröhlich. Sie wollen unbedingt mit nach Lourdes und setzten dafür alle möglichen Hebel in Bewegung. Diese Lebensfreude steckt an und gibt Kraft. Da helfe ich gerne.“
Für Jugendliche gibt es ein spezielles Jugendprogramm, das von Pfarrer Bernhard Waltner, dem Leiter der Diözesanstelle Berufe der Kirche, geleitet wird. Auch die Jugendlichen werden Kranke und Behinderte mitbetreuen, Weltkirche live erleben und in die faszinierende geistliche Atmosphäre von Lourdes eintauchen.
Auf der Pilgerreise ist unter anderem die Teilnahme am großen internationalen Gottesdienst in der größten unterirdischen Basilika der Welt, St. Pius X., geplant. Eine Besichtigung des Heiligen Bezirks einschließlich der Grotte Massabielle, wo die Gottesmutter der jungen Bernadette Soubirous 18mal erschienen ist, zu den drei übereinanderliegenden Kirchen stehen zudem auf dem Programm. Außerdem wird die Pilgergruppe an der Lichterprozession zu Ehren der Gottesmutter teilnehmen und begleitet von Pfarrer Rauch den Kreuzweg auf dem Kalvarienberg mit hölzernen Stationen und Christusdarstellungen in Lebensgröße beten. Zusätzlich können von den Pilgern biografische Orte der Bernadette wie Bartrès, wo sie bei ihrer Amme lebte, oder der Schafstall, in dem sie als Hirtenmädchen arbeitete, besucht werden. Zur Erholung besteht am 6. Tag der Reise die Möglichkeit zu einem ganztägigen Ausflug ans Meer.
Dieses Mal ist es Ilse Fischer ein besonderes Anliegen, „wieder Kraft zu sammeln und Geduld und Ausdauer für die kommende Zeit zu erlangen“. Dabei ist auch die Vorfreude groß, viele „alte“ Bekannte der vergangenen Jahre wieder zu treffen. Für alle Mitreisenden wird eine tägliche Eucharistiefeier ermöglicht - eine Besonderheit vor allem für die Kranken, denen ein regelmäßiger Eucharistieempfang meist nicht möglich ist. Ilse Fischer schwärmt außerdem über den französischen Ort: „Das Besondere für mich ist auch die Umgebung, die Berge und die schöne Landschaft, und vor allem die Mutter Gottes. Von dem Ort geht eine besondere Kraft aus. Aber das kann ich schwer beschreiben; das muss man erleben.“
Anmeldungen - am besten so schnell wie möglich - bei
der Diözesan-Pilgerstelle, Peutingerstraße 5, 86152 Augsburg, Tel.: 0821 / 3166 – 455, E-Mail: pilgerstelle@bistum-augsburg.de
Für Kinder ab zwei Jahre und Jugendliche bis 15 Jahre ist ein Kinderfestpreis zu entrichten.
Viktoria Felbermeir (pba)