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"Ich möchte ein Klima des Vertrauens und Miteinanders" - Interview mit Generalvikar Harald Heinrich

Generalvikar Harald Heinrich
Generalvikar Harald Heinrich
04.01.2013

Augsburg Für die bis 2025 terminierte Raumplanung war 2012 das Jahr 1. Im Interview mit der Katholischen Sonntagszeitung zieht der seit sechs Monaten amtierende Generalvikar Harald Heinrich eine Zwischenbilanz. Er erläutert auch, was für ihn 2013 in der Diözese an erster Stelle steht.

Was erwarten Sie von den nächsten zwölf Jahren?

Mein Fazit zur pastoralen Raumplanung fällt, bei allen Turbulenzen, die es gegeben hat, positiv aus. Zum einen ist es gelungen, eine verlässliche Planung in einen sehr großen Konsens zu bringen, was die Zahl der Seelsorgeeinheiten und den Personalschlüssel angeht. Da ist es für meine Begriffe wichtig, dass es der Versuch ist, auch eine ehrliche und verlässliche Planung auf die Beine zu stellen. Sie ist sicher schmerzhaft, wenn man die Zahl der Priester betrachtet. Nachwuchsprobleme haben wir aber auch bei den hauptamtlichen Laien, den Gemeindereferenten und -referentinnen zum Beispiel. Wir brauchen die verschiedenen pastoralen Berufsgruppen in der Seelsorge unserer Diözese! Zum anderen hat sich die Lage dort entspannt, wo es Missverständnisse gab, was die Aufgaben des Pfarrgemeinderates/Pastoralrates angeht. Ich denke, dass wir da jetzt auf einem wirklich guten Weg sind, auch gemeinsam mit dem Diözesanrat und darüber hinaus. Die neue Dekanatsstruktur ist umgesetzt und muss nun mit Leben erfüllt werden.

Zeit lassen können wir uns, was die Dekanatsräte angeht. 2014 sind Pfarrgemeinderatswahlen. Da kann man dann vor Ort klären, ob es Sinn macht, wenn bei zwei zusammengelegten Dekanaten beide Dekanatsräte zunächst einmal weiter bestehen, weil sie langsam zusammenwachsen, oder ob sie gleich fusionieren wollen. Manche Dekanatskonferenzen werden zum Teil sehr große Versammlungen sein. Da müsste man vielleicht noch ein bisschen mehr differenzieren: Wer trifft sich wann? Wir dürfen das auch mit einer gewissen Gelassenheit sehen, denn ich habe den Eindruck, dass Dekanate für das Bewusstsein der Gläubigen nicht so eine große Rolle spielen. Das ist zunächst eine Verwaltungseinheit für die Diözese. Schon wichtig sind für mich, genauso natürlich wie für den Bischof, die Dekane. Und da setze ich sehr auf die Zusammenarbeit und das gute Miteinander der neuen Dekane.

In der letzten Sitzung des Diözesanrates herrschte ein Klima des Aufeinanderzugehens. Oder täuscht dieser Eindruck? Wie würden Sie das gegenwärtige Verhältnis zum Diözesanrat beschreiben?

In der letzten Versammlung des Diözesanrates war ich zum ersten Mal als Generalvikar. Da hatte ich das Gefühl, dass sich etwas gelöst hat. Ich habe auch anschließend beim Abendessen und im persönlichen Gespräch gemerkt: Es ist wirklich eine große Bereitschaft da mitzuwirken. Wenn wir eine Reform umsetzen wollen, müssen wir ja auch schauen, dass sie akzeptiert wird. Wir können eine solche Reform nicht durchsetzen, wenn die Pfarreiangehörigen sagen: "Das wollen wir nicht, und wir wissen gar nicht, um was es da geht." Wir sind doch darauf angewiesen, dass die Leute mitmachen. Da braucht es Überzeugungsarbeit! Bei einer außerordentlichen Versammlung der Mitarbeitervertretung aller pastoralen Mitarbeiter im Haus St. Ulrich, wo es u.a auch um dieses Thema ging, habe ich eine positive, konstruktive Stimmung wahrgenommen. Eine große Bereitschaft mitzudenken, mitzuarbeiten. Wir müssen immer wieder ins Gespräch kommen. Dabei geht es auch darum, zu informieren und transparent zu machen. Nur so kann jemand auch verstehen. Das ist der Weg, den ich versucht habe, konkret zu tun – im Großen wie im Kleinen.

Mit der Einrichtung von 23 statt wie bisher 36 Dekanaten zum
1. Dezember ist ein wesentlicher Teil der Pastoralen Raumplanung 2025 umgesetzt. Welche Rückmeldung haben Sie von Städten erhalten, die ihren Dekanatssitz verloren haben?

Da kamen wenig Rückmeldungen. Wir haben uns ja bewusst dagegen entschieden, dass der Dekan immer an einem bestimmten Ort sitzt wie etwa ein hauptamtlicher evangelischer Dekan. Die Dekanatsplanung ist natürlich schon auf die Raumplanung 2025 und auf die Zahl der Seelsorgeeinheiten, die einmal in einem Dekanat vorhanden sein werden, ausgerichtet. Da ist noch eine Ungleichzeitigkeit vorhanden. Es gibt tatsächlich Dekanate – das gebe ich gerne zu – die sind momentan ziemlich groß, was die Zahl der Mitarbeiter angeht, zum Beispiel Aichach-Friedberg oder Günzburg. Aber das verändert sich ja mit der Zeit. Wir mussten eben einen Stichtag festlegen.

Manche Leute behaupten, es seien nur solche Priester zu Dekanen ernannt worden, die sich durch Wohlverhalten ausgezeichnet haben.

Da muss ich jetzt doch einmal ganz klar sagen: Dies ist eine Unterstellung! Mich hat das regelrecht geärgert. Das hat auch zu Konsequenzen geführt. Es wurde in den Medien behauptet, Klaus Bucher sei in Günzburg nur deshalb Dekan geworden, weil er die konservative Linie des Bischofs vertrete. Bucher wurde aber mit überwältigender, absoluter Mehrheit als Dekan vorgeschlagen und deshalb vom Bischof auch zum Dekan ernannt. Auch darauf möchte ich an dieser Stelle in aller Offenheit und Klarheit hinweisen: In nahezu allen Fällen wurde vom Bischof derjenige ernannt, der auch mehrheitlich bzw. mit der größten Stimmenzahl vorgeschlagen war. Es hat auch mal jemand gesagt: "Nein, ich will es nicht machen." Dann wurde jemand anderer gefragt. Das gilt übrigens genauso für die Prodekane.

In jüngster Zeit machen in der Diözese Priesterinitiativen von sich reden. Ist dies ein bistumseigenes Phänomen oder kommen die Anstöße dazu von außen?

Es ist kein bistumseigenes Phänomen. Diese Priesterinitiativen gehen stark von Österreich aus. Ich werte dies als eine Zeiterscheinung, die mir schon etwas Sorge macht. Es werden Forderungen über die Medien gestellt, um damit einen gewissen Druck aufzubauen. Ob man dann mit diesen Forderungen, die ja seelsorgliche Anliegen sind, wenn man gerade das Thema Zulassung von Geschieden-Wiederverheirateten zur Kommunion im Blick hat, einen wirklichen Dienst tut, das ist für mich eher eine offene Frage. Ich bin nicht so dafür, dass man solche pastoralen Fragen über die Medien kommuniziert. Das wird dann immer verkürzt dargestellt und es stellt sich schon die Frage: Wem ist dann damit wirklich geholfen? Kommen wir so zu Lösungen? Ich denke, wir haben in der Diözese den Priesterrat und die Dekanekonferenz, die Dekanatskonferenzen, wo diese Fragen besprochen werden können und auch besprochen werden, auch mit dem Bischof. Ansonsten habe ich den Eindruck, dass alle, auch die Initiative "Priester 2025", einfach eine gute Seelsorge vor Ort machen wollen und für das Wohl der Gläubigen da sein wollen und diesen Dienst in der Einheit des Bistums tun. Eine Pfarrei oder Pfarreiengemeinschaft ist ja nicht irgendein losgelöster Kosmos. Auch ein Priester ist nicht einfach ein Einzelkämpfer, sondern steht immer im Dienst des Bistums und damit auch in der Einheit mit dem Bischof. Anders kann keiner seinen pastoralen Dienst tun. Da wird es immer noch eine große Bandbreite geben, aber es gibt auch einen Rahmen, der in bestimmten Fragen vorgegeben ist. Da muss ich schon drum bitten, dass man diese Einheit wahrt. Wir dürfen uns nicht immer mehr auseinander dividieren.

In ihrer Ausrichtung sind die Initiativen "Priester 2025" und "Priesterinitiative Augsburg" geradezu konträr. Kann man daraus folgern, dass es innerhalb der diözesanen Priester eine Kluft gibt?

Das ist eine schwierige Frage. Ich bin da eher zurückhaltend, immer gleich von Spaltung und Kluft zu reden. Wenn ich jetzt mal die "Priester 2025" anschaue, auch was so ihr Anliegen ist, sind da Dinge formuliert, da geht’s nicht um Forderungen, sondern da ist aus meiner Sicht zunächst einmal ganz schlicht das Selbstverständnis dessen formuliert, was katholisches Priestersein eigentlich bedeutet. Es ist etwas unglücklich gelaufen, dass die Gründung als Reaktion auf die andere Priesterinitiative aufgefasst werden konnte. Seinen Dienst in Einheit mit dem Bischof zu tun, das ist für meine Begriffe eine Selbstverständlichkeit. Es ist schon ein Phänomen, dass es Mitbrüder gibt, die sagen: "Aber das müssen wir jetzt ganz besonders zum Ausdruck bringen." Das zeigt natürlich, in was für einer Situation wir offensichtlich sind, dass man Selbstverständliches scheinbar auch in dieser Form kundtun will. Ich hoffe und wünsche mir, dass das nicht zu einer Spaltung oder zu einer Kluft führt, sondern, dass alle sich noch mehr bemühen, ihren Dienst gut zu tun. Ich denke, wir müssen davon wegkommen, uns nur immer selber in den Blick zu nehmen. Es geht doch vor allem um die, zu denen wir gesandt sind, also um die Seelsorge an den Menschen. Das darf man bei allen innerkirchlichen Diskussionen nicht vergessen

Der Ruf nach mehr Verantwortlichkeiten für Laien, besonders auch Frauen, im Bereich der Seelsorge ist nach entsprechenden Forderungen von Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, wieder lauter geworden. Welche Rolle werden Laien künftig in der Diözese spielen?

Sie spielen schon immer eine Rolle. Wobei mir bereits das Wort "Laie" an sich nicht so gut gefällt. Kirche ist ja nicht nur Hierarchie, Papst, Bischof oder Generalvikar, sondern Kirche ist der Leib Christi, Kirche sind wir alle in verschiedenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb des Leibes Christi. Wir können ja ohne Laien gar nicht Kirche sein und wollen das doch auch gar nicht. Natürlich gibt’s auch Mitverantwortung, aber es geht immer um die Fragen: Was heißt Verantwortung innerhalb der Kirche? Wer hat Verantwortung? Was bedeutet Amt in der Kirche, und vor allem wie wird ein Amt ausgeübt? Das sind viele Fragen, und sie werden dann gerne nur reduziert zum Beispiel auf das Frauenpriestertum und das Diakonat der Frau. Ob das wirklich unsere Probleme löst? Und zwar im Sinne: Wie schaffen wir es, die Botschaft Christi wieder an den Mann und an die Frau zu bringen? Da habe ich meine Zweifel, ob das der Lösungsschlüssel ist. Es gibt Leitungsämter, die nicht mit dem Weiheamt verbunden sind. Bei uns in der Hauptabteilungsleiterkonferenz sind von sieben Mitgliedern zwei „Laien“, Herr Dr. Donaubauer und Frau Professor Dr. Riedl. Sie stellen kein Feigenblatt dar, sondern sind kompetente Persönlichkeiten, die ihr Amt hervorragend ausüben.

Was wünschen Sie sich als Generalvikar für das Jahr 2013 – für sich und die Diözese?

Ich möchte es mal ganz einfach formulieren: Dass wir wieder näher zusammenrücken. Das ist mir sehr wichtig. Die Herausforderungen in der Gesellschaft unserer Zeit sind so groß, dass wir es uns nicht leisten können, uns in kleinlichen Streitereien und gegenseitigem Misstrauen einzurichten. Wir haben das Thema der Bistumsreform und der pastoralen Raumplanung. Aber das ist nur ein Thema. In der letzten Zeit hatte ich manchmal den Eindruck, als ob uns diese Fragen davon ablenken, dass wir das in den Blick nehmen, was die eigentliche Sendung der Kirche ist. Wenn man es unter den Begriff Neuevangelisierung setzen will: Es geht darum, wo sind die Menschen, die andere für den Glauben begeistern können? Ich brauche selber Feuer, um andere begeistern zu können. Das können Strukturen nicht. Wir brauchen lebendige Zeugen, authentische Menschen. Wir müssen das wieder mehr zum Thema machen, miteinander auf Christus schauen, der ja auch die Quelle ist, aus der wir gemeinsam unseren Dienst tun. Wir haben das gemeinsame Fundament, wir haben eine gemeinsame Sendung und jetzt sollten wir bitte wieder zum Wesentlichen kommen und uns nicht nur in Strukturdebatten verlieren. Das ist mein Wunsch für die Diözese und eigentlich auch mein ganz persönlicher Wunsch.

Es wäre schade, wenn wir uns beständig in irgendwelchen Streitereien verlieren. Es ist etwas, wo ich selber versuche, das Meine in dieser Position zu tun, in Gesprächen um Vertrauen zu werben und Vertrauen vielleicht auch zu schaffen. Den Weg möchte ich weitergehen, den halte ich für richtig. Ich möchte wieder ein Klima des Miteinanders und des gegenseitigen Vertrauens, auch wenn man mal in einzelnen Punkten unterschiedlicher Meinung ist. Diese Meinungsverschiedenheiten kann man miteinander austragen, nicht verletzend und spaltend, sondern indem man achtsam miteinander umgeht. Das wünsche ich mir und versuche, auch so zu handeln.

Interview: Gerhard Buck, Johannes Müller