Pilgerweg zur wahren Freiheit
Die Leonhardiwallfahrt im altbayerischen Inchenhofen gehört zu den traditionsreichsten Wallfahrten Deutschlands. Am Festtag des als Nothelfer verehrten Heiligen feierte Bischof Bertram in der Wallfahrtskirche die Festmesse, nahm am traditionellen Festumzug durch den Ort teil – und betonte in seiner Predigt, dass der heilige Leonhard ein Wegbegleiter und Wegbereiter sei auf der Suche nach der wahren Freiheit, die Christus heißt.
Diese Suche spiegele sich in der Leonhardsvita schon früh, etwa als der fränkische Adelssohn die ihm angetragene Bischofswürde ablehnte und sich stattdessen für ein Eremitendasein im Wald entschied: „Seine Stellung in der Gesellschaft bedeutete ihm offensichtlich nichts im Vergleich zu seinem innigsten Wunsch, frei zu sein für die Suche nach Gott.“ Ihm sei bewusst gewesen, dass sich in der „Würde, Christ zu sein“ Rang- und Standesunterschiede auflösten, und vielleicht sei es auch die Stille des Waldes gewesen, in der er sich empfänglicher wähnte für die Stimme Gottes.
In diesen Wäldern sei Leonhard dann auch zum „Kettenheiligen“ geworden; nicht nur habe er Kranke geheilt, die zu ihm kamen, sondern sich auch unter großem Einsatz und im Gebet für die Gefangenen seiner Zeit eingesetzt: „Er besuchte nicht nur Menschen, die in Ketten lagen, sondern erwirkte für viele die Freilassung beim König, er nahm sie auf und half ihnen, einen Weg zurück ins Leben zu finden. Mit diesem Werk der Barmherzigkeit, das gleichsam einen Akt der Resozialisierung beinhaltete, wie wir heute sagen würden, war er seiner Zeit weit voraus.“ Diese „Gefangenschaften des Lebens“ gebe es auch heute, doch träten im modernen Deutschland auch noch andere Abhängigkeiten hinzu wie etwa übermäßiger Medienkonsum, Beziehungsunfähigkeiten oder ein destruktiver innerer Zwang zur Selbstoptimierung.
Der heilige Leonhard hingegen zeige uns den Weg zur wahren Freiheit auf, betonte Bischof Bertram: „Indem wir innerlich frei werden für das, was Gott für uns vorgesehen hat – einen Heilsplan fernab von gesellschaftlichen Erwartungen und Zwängen.“ Schon zu Lebzeiten sei er so überregional bekannt geworden und werde daher in Süddeutschland bis heute als Nothelfer stark verehrt. Dabei sei aber stets wichtig zu beachten, dass alle seine Wundertaten letztendlich von Gott kämen: „Nicht wir Menschen - auch keine Ausnahmeerscheinungen wie der hl. Leonhard - können diese Wunder wirken, sondern nur der Vater im Himmel, der in und durch uns in dieser Welt handeln möchte.“
Diese innere Freiheit in und mit Gott sei es auch gewesen, die die Emmausjünger des Tagesevangeliums verspürt hätten. Dabei sei es besonders die Vorstellung eines brasilianischen Bauern zu der biblischen Erzählung gewesen, die den Bischof besonders beeindrucke: „Dieser meinte, Jesus sei ‚in die beiden Jünger hinein verschwunden‘. Dahinter steht die Vorstellung, der Auferstandene sei nun unsichtbar in den beiden Jüngern gegenwärtig und sein Geist entflammte ihre Herzen. Das trifft den Punkt!“ Der heilige Leonhard sei damals wie heute ein Orientierungspunkt und Wegbegleiter auf der „Straße des Lebens“ hin zu Christus. Leonhard „zog sich zurück und suchte Gott, er ignorierte dabei aber nicht das Leid anderer, sondern half und heilte, wo er konnte. Dadurch ist er auch für mich zu einem großen Vorbild im Glauben geworden.“
Nach dem Festgottesdienst in der Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Leonhard nahm Bischof Bertram gemeinsam mit dem als Ehrengast anwesenden Staatsminister Dr. Florian Hermann, Dekan und Ortspfarrer Stefan Gast sowie zahlreichen weiteren Vertretern von Politik, Kirche und Gesellschaft am traditionellen Leonhardiritt durch Inchenhofen teil. Zwischen über 200 Pferden, zahlreichen Musikkapellen und altbayerischen Trachtengruppen wurde dabei auf rund zwanzig Festwägen in „lebenden Bildern“ die Geschichte der Inchenhofener Leonhardiwallfahrt von den Lebzeiten des Heiligen selbst über die Ursprünge der Wallfahrt im 13. Jahrhundert bis hin in die jüngste Vergangenheit dargestellt. Eine Besonderheit war dabei heuer eine Darstellung des heiligen Ulrich im ihm gewidmeten Festjahr der Diözese.
Die ursprünglich lokal begrenzte Leonhardiwallfahrt in Inchenhofen wurde ab 1283 durch Zisterziensermönche aus Fürstenfeld betreut und erfuhr unter den Ordensbrüdern einen starken Aufschwung, der den kleinen Marktort nördlich von Aichach zeitweise zu einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas aufsteigen ließ. Die heutige Kirche wurde Mitte des 15. Jahrhunderts im spätgotischen Stil erbaut. Seit der Säkularisation 1803 nahm der Pilgerstrom zwar stark ab, doch zählt Inchenhofen – im örtlichen Dialekt auch „Leahad“ genannt – bis heute zu einem beliebten Wallfahrtsziel, das jährlich von rund 60 Pfarreien pilgernd aufgesucht wird.
Der heilige Leonhard von Limoges wurde wohl um das Jahr 500 herum geboren und verbrachte den Großteil seines Lebens im zentralfranzösischen Limousin. Der Heilige wird aufgrund seines Patronats über alle Gefangenen oft mit Ketten dargestellt, weshalb er auch oft als „Kettenheiliger“ bezeichnet wird. Im bayerischen Raum wird er hingegen in besonderem Maße als Schutzheiliger der Landwirtschaft und besonders des Viehs verehrt. An zahlreichen Orten in Süddeutschland ist es daher üblich, den Leonhardstag mit prächtigen Reiterumzügen zu begehen. Der Inchenhofener Leonhardiritt wurde dabei bereits 1459 durch den Fürstenfelder Abt Paul Herzmann eingeführt und gilt als der Älteste in ganz Bayern.