Menü
Wichtiges

Predigt von Bischof Dr. Konrad Zdarsa am Hochfest der Menschwerdung Gottes 2011

Bischof Dr. Konrad Zdarsa predigte in der Christmette am Heiligen Abend im Hohen Dom zu Augsburg - Fotos: © Annette Zoepf | http://sites.google.com/site/havecamerawilltravelde/
Bischof Dr. Konrad Zdarsa predigte in der Christmette am Heiligen Abend im Hohen Dom zu Augsburg - Fotos: © Annette Zoepf | http://sites.google.com/site/havecamerawilltravelde/, © © Annette Zoepf | http://sites.google.com/site/havecamerawilltravelde/
25.12.2011

Augsburg (pba). Bischof Dr. Konrad Zdarsa hat am Heiligen Abend im Hohen Dom zu Augsburg gemeinsam mit Hunderten Gläubigen die Heilige Messe gefeiert. Nachstehend dokumentieren wir seine Predigt. Sie können die Predigt auch hier als Video ansehen.

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich vor einigen Wochen im Herzoglichen Georgianum in München zum Stiftungsfest weilte, erzählte mir der Direktor aus dessen Geschichte. Er berichtete mir davon, dass seinerzeit die Bischöfe von Augsburg eigens nach München gekommen seien, um ihre dortigen diözesanen Priesteramtskandidaten zum Priester zu weihen. Deren Priesterweihe wurde also nicht in der eigenen Kathedrale vorgenommen, denn, so fügte der Direktor mit einem sanften Lächeln hinzu, die Priesterweihe sei damals eher nur eine notwendige Bedingung für das eigentliche Großereignis gewesen, nämlich der festlich und mit hohem Aufwand begangenen ersten hl. Messfeier des Primizianten in seiner Heimatgemeinde.

Darüber musste ich nachdenken: Die Feier der Besiegelung der Berufung zum Priestertum, die Feier der Begabung mit priesterlicher Vollmacht, die eigentliche Weihe und erste Feier des Messopfers gemeinsam mit dem Bischof stand also in den Augen der Gläubigen ihrer Wertigkeit nach unter der festlich begangenen Primiz und bestenfalls in Funktion zu ihr!

Nun, auch in dieser Sicht der Dinge hat sich bis heute ein gewisser Wandel vollzogen.

Aber, liebe Schwestern und Brüder, so werden Sie mich am Hochfest der Menschwerdung unseres Herrn zu Recht fragen, warum erzähle ich Ihnen davon? Erscheinen nicht solche Überlegungen heute gänzlich unangebracht und weit herbeigeholt?

Dieser Eindruck mag bei dem einen oder anderen bestehen bleiben. Mir aber hat sich die Nachdenklichkeit über diese Bemerkung des Direktors in der Vorbereitung auf Weihnachten, zu Beginn der schon beizeiten einsetzenden vorweihnachtlichen Betriebsamkeit geradezu aufgedrängt. Scheinen denn da nicht auch all die vorweihnachtlichen Aktivitäten in den Städten und Dörfern, auf Weihnachtsmärkten und in Konzerthallen, in Medienshows und


Radiosendungen das eigentliche Geschehen, das eigentliche Datum von Weihnachten ziemlich zu relativieren, ja beinahe aus der Öffentlichkeit zu verdrängen und ins Private zu verbannen? Zumal beinahe unmittelbar nach dem Hochfest von Christi Geburt, am 25. Dezember, ja, bei manch einem schon nach dem Hl. Abend der Hebel einfach herumgelegt, die weihnachtliche Stimmung und Besinnlichkeit abgeschaltet und zur gewohnten Tagesordnung übergegangen wird. Obwohl doch Weihnachten und die weihnachtliche Zeit an diesem Tag doch erst eigentlich beginnt?

Ob man damit nicht gar einem Sog erlegen ist, der gerade im direkten Gegensatz zu dem Geheimnis steht, das an Weihnachten verkündet wird? Ob man damit nicht vielleicht sogar einer Begehrlichkeit zum Opfer gefallen ist, die die Glückseligkeit des Paradieses verhindert und zunichte gemacht hat? Denn damit hat sich der Mensch ja wieder einmal selber nehmen wollen, was ihm doch eigentlich erst geschenkt werden sollte.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir uns doch von nichts und niemandem beirren: Heute beginnt Weihnachten. Heute ist Weihnachten. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“ (Lk 2,11)

Erst kürzlich hörte ich von einer Stimme, die uns Christen daran gemahnte, Weihnachten doch noch viel mehr als unser Fest hervorzuheben und zu propagieren. Ja, das ist unser Fest, das Fest unserer Erlösung. die sichtbare Offenbarung des Willen Gottes für jeden Menschen.

Gott selber hat den Anfang gemacht in seinen Ratschluss von Ewigkeit her. Gott selber hat aus unendlicher Liebe seinen ewigen Ratschluss umgesetzt in der Menschwerdung seines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus. Gott selber lässt uns heute die große Freude verkünden, die er für alle, die er ins Dasein gerufen hat, vorsieht.

Der ewige, allmächtige Gott wird Mensch, wird einer von uns, in allem uns gleich, außer der Sünde. Er wird uns gleich auch in der Versuchbarkeit, und das noch viel fundamentaler als wir, aber ohne ihr zu erliegen. Gott wird Mensch, so wie jeder von uns von Anfang an gedacht war, nach seinem Bild und Gleichnis. Und doch steigt er ein in unsere von der Sünde angeschlagene Natur und nimmt von Anfang an alle Konsequenzen auf sich, die sich aus unserer Schuldverfangenheit ergeben. In unendlicher Liebe begibt er sich in unser Ausgeliefertsein, in unsere Schwachheit und Ohnmacht als kleines, hilfloses neugeborenes Kind. Abseits der Metropole, fernab von allen irdischen Privilegien unter einfachsten Umständen und unzureichenden, dabei doch eigentlich dringend erforderlichen hygienischen Bedingungen.

Was der große Lobgesang der Kirche, das Te deum auf deutsch in gehobener Sprache artikuliert: „Du hast der Jungfrau Schoß nicht verschmäht“, das bringt der lateinische Hymnus drastisch und unmissverständlich zur Sprache: „non horruisti Virginis uterum“ – du hast nicht geschaudert, bist nicht zurückgeschreckt vor dem Uterus, der Gebärmutter der Jungfrau. Kann es denn aktueller formuliert werden? Gott begibt sich nicht nur in irgendwelche armselige Verhältnisse, aus denen wir traute Folklore gemacht haben. In absoluter Selbstentäußerung und Solidarität, besser aber in unbegreiflicher, kompromissloser Liebe begibt er sich in die Gefährdungen des Menschen im Mutterschoß von Anfang an.

Warum denn wohl wird sich Jahrzehnte später der Menschensohn mit den geringsten seiner Brüder identifizieren? Warum wird er wohl den Umgang mit ihnen zum Maßstab des Jüngsten Gerichts machen? Weil sie in ihrer Ausgeliefertheit und Bedürftigkeit, in ihrer Hilflosigkeit und Ohnmacht die arme Sache Gottes am glaubwürdigsten verkünden. da ist nicht der leiseste Hauch von Zynismus in dieser Feststellung. Denn er ist selber zuerst unser geringster Bruder geworden, im Stall und in der Krippe, einer Felsenhöhle wahrscheinlich und einem Futtertrog für Tiere. Wir brauchen gar keinen nordischen Winter zu bemühen, es genügt die Kälte einer orientalischen Nacht.

Und er ist unser geringster Bruder geblieben, von der Hilflosigkeit seiner Geburt bis zur Verurteilung und Einsamkeit am Kreuz, vom Unglauben und Unverständnis seiner Jünger bis zur Hinterlist und erbittertem Widerstand seiner Gegner, von der Wundersucht und dem Hosanna der Massen bis hin zu ihrer Bevorzugung eines Räubers und ihrem Ruf nach dem Kreuz.

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben unendlich Erhabeneres zu verkünden als den Kampf um weihnachtsmannfreie Zonen. Lassen wir uns begeistern von der Liebe und Zuneigung Gottes zu jedermann, damit wir nicht aufgerieben werden von der Empörung über durchaus konsequent formulierte Werbeslogans dieser Welt. Eine Weile mögen wir uns vielleicht mit erhobenen Zeigefinger über die Runden retten können, eines Tages würden wir doch von Demographie und Migration überholt und überrundet werden.

Mit seiner ersten Enzyklika „Gott ist die Liebe“ verfolgte Papst Benedikt den Wunsch, „in der Welt eine neue Lebendigkeit wachzurufen in der praktischen Antwort der Menschen auf die göttliche Liebe.“ Denn nur die Liebe, die von Gott kommt und in Gott gründet, vermag darin neues Leben zu wecken. Nur das Feuer der göttlichen Liebe vermag die Herzen zu reinigen und zu neuer Liebe zu entzünden.

Wie oft zitieren wir doch jenen Theologen mit seinem Wort von dem Christen, der in Zukunft nur noch als der wird bestehen können, der etwas erfahren hat und mit dem Gott lebt, an den er glaubt. Heute werden sie uns vor Augen gestellt, die Mystiker, die etwas erfahren haben, die mit dem Gott lebten an den sie glaubten:

Die Engel als Boten der göttlichen Liebe, nach deren Worten zwischen dem reichsten Glanz droben und der äußersten Armut drunten vollkommene Entsprechung und Einheit herrscht.

Die Hirten, als Menschen die wachsam sind, die mit hörendem Herzen aufbrechen und verstehen, das alltäglich unscheinbare Zeichen im Lichte der frohen Botschaft zu deuten und schließlich dazu kommen, Gott dafür zu loben und zu preisen und das Erlebte weiter zu erzählen.

Und nicht zuletzt die Evangelisten selbst, von denen einer Lukas ist, die etwas erfahren haben und unmöglich schweigen konnten über das, was sie gesehen und gehört haben, und die sich in Liebe und Gehorsam daran gemacht haben alles sorgfältig nacheinander aufzuschreiben, damit sich andere von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen konnten, in der sie unterwiesen worden sind.

Aber auch alle unsere Vorfahren und Ahnen, die uns im Glauben vorangegangen sind. Alle christliche Kunst und Kultur ist nur ein materialisierter Ausdruck ihres gelebten Glaubens und ihre Glaubwürdigkeit. Das viel Größere, Erhabenere und Verehrungswürdigere ist die Erfüllung ihrer Hoffnung, die für uns wiederum zugänglich ist in der Verehrung der Heiligen, die von der Kirche im Hl. Geist ausdrücklich als die bei Gott Vollendeten erklärt worden sind.

Der schmerzliche Befund innerkirchlicher Auseinandersetzungen und Spaltungen liegt doch nicht nur in den Formen und Feiern der Gottesdienste, sondern in welcher Gesinnung wir vor Gott hintreten. Ob wir glauben können, dass wir uns zuerst für ihn öffnen und uns ihm hinhalten müssen, um ihn durch unser Handeln zum Zuge kommen zu lassen. Ob wir seinen Verheißungen mehr trauen als unseren scheinbar schlüssigen Konzepten und Vorstellungen, ob wir uns immer neu auf ihn besinnen und zu ihm bekehren.

Müssen wir nicht aus jüngsten Meldungen schmerzlich entnehmen, dass aller Missbrauch von Menschen einherging mit der Liberalisierung kirchlichen Lebens und dem Missbrauch der Liturgie?

Im Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Schicksal der Kirche, sagt uns der Heilige Vater. Aber der Umgang der Liturgie hängt ab von der persönlichen Frömmigkeit und der immer neuen Bekehrung jedes einzelnen zu Gott.

Nur die Liebe kann das Geheimnis der Menschwerdung Gottes im Glauben erfahren und verstehen, weil Gott aus Liebe Mensch geworden ist.

Nur die Liebe kann das Geheimnis der Menschwerdung Gottes glaubwürdig verkünden, weil Gott selber die Liebe ist.

Nur die Liebe bringt die Begeisterung auf, nach neuen Mitteln und Wegen zu suchen, um die Frohe Botschaft weiterzugeben und selber daran zu wachsen und zu reifen.

Jesus Christus hat sein Gottgleichsein beherzt abgelegt. Warum sollten wir unsere Weltlichkeit nicht ebenso beherzt ablegen können? Er ist gekommen damit wir aus der Verhaftung an das eigene Ich, vielleicht auch an manche Menschen befreit, in eine neue, tiefere Gemeinschaft mit Gott und den Menschen hineinwachsen zum Lobe Gottes und zum Heil der Menschen.

Das Weihnachtsfest ist unser Fest, weil Gott einer von uns geworden ist. In der Tat, die Liebe Gottes, die sich in seiner Menschwerdung gezeigt hat, ist nicht nur der Grund für eine einmalige Festfeier im Laufe des Kirchenjahres.

Die Liebe Gottes, die sich in Krippe und Kreuz offenbart, ist die Garantie für das ewige, unendliche Fest bei Gott. Denn dazu wurde Gott Mensch, damit wir Menschen göttlich werden können.

Amen