Palmsonntag: „Am Kreuz kommt niemand vorbei“
Der Palmsonntag ist ein widersprüchliches Fest: Zum einen gedenkt die Kirche des triumphalen Einzugs Jesu in Jerusalem, doch andererseits wird liturgisch bereits sein Kreuzestod eine Woche später vorweggenommen. Für Bischof Bertram ist klar: Was in dieser mit dem heutigen Sonntag beginnenden Woche geschieht, „ist der tiefste Inhalt unseres Lebens.“
Mit Christus in Jerusalem einziehen:
Trotz des eher trüben Wetters hatten sich zahlreiche Gottesdienstbesucher vor dem ansonsten verschlossenen Bronzeportal des Doms versammelt, um mit der gemeinsamen Prozession in die Kathedralkirche hinein liturgisch an den Einzug Jesu in die heiligste Stadt des Judentums anzuknüpfen. Gemäß jahrhundertealtem Brauchtum segnete der Bischof unter den Klängen des „Hosanna filio David“ auch die Palmzweige. Diese Tradition knüpft an die biblische Überlieferung an, in der es heißt, dass die Menschen Jerusalems Palmzweige von den Bäumen schnitten und auf dem Weg vor Jesus ausbreiteten (Mt 21,8). Die Palmbuschen werden traditionell im darauffolgenden Jahr im Osterfeuer verbrannt. Deren Asche wird bei der Austeilung des Aschekreuzes genutzt.
Im Anschluss an die Segnung sprach Bischof Bertram eine Einladung aus: „Nehmen wir all die Dinge, die uns im Herzen liegen, mit in diese Woche hinein, und bitten wir Gott, dass er auch uns mit neuem Leben erfüllt.“ Den anwesenden Kindern überreichte er für den anschließenden Kindergottesdienst im Pfarrheim symbolisch einen Stofftier-Esel. Auch die jüngsten Mitglieder der Pfarrei wussten über dessen Bedeutung für den Palmsonntag sehr gut Bescheid. Der sprichwörtliche Palmesel im Hinblick auf das späte Aufstehen am Morgen wollte aber keiner sein.
Die Karwoche als Essenz des Glaubens:
Nach der Statio zog die Gemeinde über den Fronhof, begleitet von dem Lied „Singt dem König Freudenpsalmen“, zum Dom zurück. In der anschließenden Messfeier wurden im Vortrag der Passionsgeschichte das Leid und der Tod Christi als deutlicher Kontrast zum feierlichen Einzug in Jerusalem bereits vorweggenommen. Bischof Bertram stellte in seiner Predigt dann auch die Frage nach dem letztendlichen Sinn des heutigen Festtags.
Der Inhalt der Karwoche ließe sich folgendermaßen zusammenfassen: „Was in dieser Woche geschieht, ist der tiefste Inhalt unseres Lebens.“ Aktiv das Leiden und Sterben Jesu zu begehen hieße demnach, „als Jüngerin und Jünger Christi in seine Fußstapfen zu treten.“ Das Leben sei spannend und spannungsgeladen. Dies gelte es aber auch auszuhalten. So pendle auch die christliche Existenz oft zwischen den Polen „Bangen und Hoffen, zwischen Angst und Freude, zwischen Tod und Leben“. Selbst der Palmsonntagsgottesdienst liege im Spannungsfeld zwischen himmeljauchzender Freude und der Dunkelheit der Passionserzählung. Das Kreuz gehöre ganz offensichtlich auch zum Leben dazu, so der Bischof, denn: „Ohne Karfreitag kein Ostern, ohne Kreuz keine Auferstehung.“ Im Alltag sei dies aber mitunter schwer zu begreifen.
Rupert Mayer: Das Kreuz trägt einen
Der 1987 seliggesprochene Jesuitenpater und Widerstandskämpfer Rupert Mayer böte hier einen geeigneten Orientierungspunkt. In einer Predigt hatte dieser einst betont: „Am Kreuz kommt niemand vorbei, sei es nun groß oder klein, und die es nicht tragen wollen, sind unglückliche Menschen.“ Mayer sei als Überlebender des Konzentrationslagers Sachsenhausen selbst ein „Kreuzesträger im Alltag“ gewesen, der sich trotz allen Leidens nicht beirren habe lassen und standhaft geblieben sei, so der Bischof, der in dem Glauben Rupert Mayers das wahre Geheimnis der Karwoche erkannte: „Wenn ich das Kreuz trage, dann wird das Kreuz mich tragen.“
Bereits in der Antike galten Palmen als heilige Bäume und wurden oft als Symbole für Macht, Sieg und Königtum betrachtet. Der Einzug Jesu in Jerusalem knüpft wiederum an eine Prophezeiung des Propheten Sacharja an, in der ein wiederkehrender König David auf einem Esel reitend in Jerusalem eintrifft. Spätestens seit dem 8. Jahrhundert ist die Palmprozession zu Beginn des Palmsonntagsgottesdienstes auch liturgisch nachweisbar. Sie bildet damit den Auftakt zur Feier der Karwoche, die im Augsburger Dom mit zahlreichen Gottesdiensten begangen wird.
Musikalisch wurde das Pontifikalamt durch Schola-, Chor- und Gemeindegesänge der Domsingknaben und durch das Bläserensemble der Dommusik mitgestaltet.