Von Wüstenzeit und Gegenorten
Bischof und Abt: Vor 1.050 Jahren wurde der heilige Bistumspatron und damalige Bischof von Augsburg Ulrich zum neuen Abt des Benediktinerklosters Ottobeuren gewählt. In einem Festgottesdienst hat Bischof Bertram an die reichen Verdienste des Heiligen um den Unterallgäuer Ort erinnert – und zeigte auf, wie Klöster auch heute noch als „Gegenorte“ in einer zunehmend säkular werdenden Gesellschaft fruchtbar wirken können.
Anknüpfend an das Tagesevangelium von Jesu Rückzug in die Wüste betonte der Bischof den Wert des Abstandnehmens auf dem Weg zu Gottsuche und Gottesbegegnung: „Tun wir es Jesus gleich. Gönnen wir uns ‚Wüstenzeiten‘!“ Es sei kein Zufall, dass Jesus sich mit seinem vierzigtägigen Aufenthalt ebenjenen Ort ausgesucht habe, an dem rund drei Jahrhunderte später die ersten Gehversuche klösterlicher Lebenspraxis begonnen hätten – abgesondert von der Welt, aber nicht völlig losgelöst von ihr.
Klöster blieben trotz aller auch räumlichen Trennung von der Gesellschaft ein Teil ebendieser, so der Bischof. Weil aber in ihnen das Evangelium in Gemeinschaft gelebt werde, würden sie somit zu „Gegenorten“, die eine ihnen eigene anziehende, ja prophetische Kraft entwickelten und von Gottes Anwesenheit in der Welt zeugten: „Für uns Gläubige seien sie eine Einladung, in der besonderen Atmosphäre Ihres Raumes, in der Stille des Gebetes, in der gemeinsamen Feier der Eucharistie Gott zu suchen und zu begegnen.“
Klöster dürften aber nicht als Aufforderung zur „Weltflucht“ missverstanden werden. Im Gegenteil: „Aus der stärkenden Begegnung mit Jesus Christus sind wir aufgefordert, hineinzuwirken in diese Welt“, betonte der Bischof. Der heilige Ulrich habe dieses Charisma in besonderem Maße ausgefüllt, gestärkt auch durch seine auf die Ausbildung im Benediktinerstift St. Gallen aufbauende lebenslange Verbundenheit mit dem klösterlichen Leben. So habe er nicht nur die Gebeine des heiligen Märtyrers Theodor nach Ottobeuren gebracht, der bis heute als zweiter Patron der Klosterkirche verehrt wird – „weitreichend und folgenschwerer“ sei noch Ulrichs Bemühen gewesen, das Reichsstift Ottobeuren von allen Hofdiensten und Kriegslasten gegenüber dem Kaiser zu befreien sowie das geistliche Leben in dem Kloster auf neue Bahnen zu lenken.
Das Bemühen des heiligen Ulrichs um eine Stärkung der Pastoral auch und gerade in schwierigen Zeiten müsse seinen Nachfolgern im Bistum Augsburg heute als Mahnung und Vorbild dienen, so Bischof Bertram: „Er war Seelsorger und Leibsorger zugleich. Er verband Verkündigung, Liturgie und Caritas! Auf Ulrich dürfen wir stolz sein.“ Auch wenn die Krisen der heutigen Kirche sich anders gestalteten als vor 1.050 Jahren, so böten doch das Vorbild Ulrichs sowie der „Gegenort“ Kloster zahlreiche Inspirationen, um die Krisen als „Chancen zur Weiterentwicklung“ zu nutzen.
„Als synodale Kirche unterwegs sein heißt: gemeinsam hören auf Gott und in Respekt aufeinander, um Schritt um Schritt voranzuschreiten“, betonte Bischof Bertram abschließend in seiner Predigt. Dies sei oft anstrengend und erfordere viel Zeit und Geduld. Als Bischof sehe er seine Aufgabe dabei wesentlich im Dienst der Einheit, sowohl im Bistum als auch mit der Weltkirche. Das Ulrichsjubiläum, das beginnend mit dem Festtag des Bistumspatrons im Juli nicht nur im Kloster Ottobeuren, sondern im ganzen Bistum Augsburg gefeiert wird, könne eine gute Gelegenheit sein, um gemeinsam jenes zu erreichen, was in Ottobeuren bereits seit weit über tausend Jahren gelebt werden: „Mit Gott in eine gute Zukunft übersetzen!“
Während des live auf Radio Horeb übertragenen Gottesdienstes war der heilige Ulrich auch ganz konkret präsent, denn die Abtei hatte ein Reliquiar des Heiligen ausgesetzt, das der frühere Bischof von Augsburg Josef Stimpfle dem langjährigen Abt von Ottobeuren Vitalis Maier 1982 zu dessen 70. Geburtstag geschenkt hatte. Damit wurde eine weitere Verbindung des Benediktinerklosters mit dem Bischof von Augsburg offenbar: Ebenjener Abt Vitalis hatte Anfang der Siebzigerjahre in Kaufering den jungen Bertram Meier gefirmt.
Nach dem Festgottesdienst und der Segnung der Gottesdienstbesucher mit dem Ulrichsreliquiar nahm Bischof Bertram auch am Festakt zur Eröffnung des neuen Ottobeurer Klostermuseum teil, wo er die Segnung der Museumsräume vornahm. Das zweitälteste Museum des Allgäus wurde dabei in den vergangenen Jahren baulich wie museumspädagogisch auf den neuesten Stand gebracht. In den ehemaligen Repräsentationsräumen des Klosters können die Besucherinnen und Besucher dabei in das mönchische Leben früher und heute eintauchen und sich mit der Frage beschäftigen, wie Glaube auch in Zukunft weiter praktiziert und gelebt werden kann.
Das Benediktinerkloster Ottobeuren wurde 764 errichtet und zählt zu den ältesten noch bestehenden Glaubensgemeinschaften dieser Art in Deutschland. Die frühere Reichsabtei, die zeitweise zu den bedeutendsten Klöstern des Alpen- und Voralpenraums gehörte, wurde 1802 im Rahmen der Säkularisation aufgelöst; zahlreiche Konventsmitglieder konnten jedoch weiterhin an dem Ort bleiben und begründeten das Kloster 1835 neu. Ottobeuren gehört auch architektonisch und kunsthistorisch zu den bedeutendsten Klosteranlagen Europas. Die barocke Klosterkirche St. Alexander und Theodor wurde 1926 zur päpstlichen Basilika erhoben. Unter der Leitung des 66. Abts von Ottobeuren P. Johannes Schaber leben heute noch dreizehn Mönche an dem geschichtsträchtigen Ort.

