Pastoral der Barmherzigkeit
Mitte der Siebziegerjahre wurde das pastorale Berufsfeld im Bistum Augsburg erweitert: Seit nunmehr fünfzig Jahren bereichern Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten das kirchliche Leben vor Ort und in den Schulen unserer Diözese. In einem Festgottesdienst zum Jubiläum verwies Bischof Bertram auf die große Bedeutung, die die Berufsgruppe in dieser Zeit erlangt habe und dankte den „Schwestern und Brüdern in der Verkündigung der Frohen Botschaft“ für ihren Dienst.
Als Christin oder Christ in der Nachfolge Jesu zu leben, sei über weite Strecken „kein Spaziergang, sondern oft ein steiniger und mühsamer, kurvenreicher Weg mit Höhen und Tiefen“, betonte der Bischof in seiner Predigt, die er während des Festgottesdienstes in der Basilika St. Ulrich und Afra hielt. Umso bemerkenswerter sei es, dass sich so viele Männer und Frauen in den vergangenen fünfzig Jahren dazu bereiterklärt hatten, ihrem inneren Ruf zu folgen und die „Verkündigung der Frohen Botschaft“ zu ihrer Berufung zu machen: „Es ist einfach gut, dass es Sie gibt!“
Dabei sei es nicht nur verständlich, sondern sogar gut, dass der Feuereifer des Anfangs sich nicht ein Leben lang in derselben Intensität durchhalten lasse – sei es individuell für die einzelnen Gemeindereferentinnen und –referenten oder auf den ganzen Berufsstand bezogen. Tatsächlich sei es vielmehr ein „Zeichen der Lebendigkeit“, das Auf und Ab zwischen Phasen der Begeisterung und der „treuen Pflichterfüllung“ nicht zu leugnen, solange der Kernauftrag gewahrt bleibe: „Christus den Menschen nicht vorzuenthalten, denn er ist das kostbarste Gut, das wir nicht für uns selbst behalten, sondern an die Menschen weiterschenken sollen.“
Dieser Auftrag verwirkliche sich letztendlich in der Barmherzigkeit, so Bischof Bertram abschließend: Wie bereits der heilige Franz von Assisi gefordert habe, müssten Liebe und Erbarmen immer und unbedingt die Grundmaxime kirchlichen Wirkens sein. Dies sei der Anspruch, „dem wir uns alle heute stellen müssen, heute, am Tag der Rückschau auf 50 Jahre und in eine noch verborgene Zukunft, die wir aber schon jetzt mitgestalten.“ Die Aufgabe der Gemeindereferentinnen und –referenten sei dabei, in einer „Pastoral der angelehnten Tür“ niemanden auszuschließen, sondern stets einladend offen und barmherzig zu sein.
Die Kollekte des Gottesdienstes sowie weitere Spenden in Höhe von insgesamt über 1100 Euro kamen den Opfern der jüngsten Flutkatastrophe im Bistum zugute.
Die Messe in der Ulrichsbasilika war derweil nur einer der Höhepunkte des sich über den ganzen Tag erstreckenden Jubiläumsfestes, den die zahlreichen versammelten Seelsorgerinnen und Seelsorger gemeinsam im Haus Sankt Ulrich begingen. Ein besonderer Höhepunkt war dabei auch ein vormittäglicher Gastvortrag der Direktorin des Katholischen Bibelwerks e.V., Dr. Katrin Brockmöller. Unter dem Titel "Zwischen Charisma und Amt" erschloss die Theologin ausgewählte Bibelstellen aus dem Buch Deuteronomium und dem Buch Joel. Mit ihren exegetischen und spirituellen Ausführungen machte sie Mut, auch in sich verändernden und oft schwierigen Zeiten den pastoralen Dienst für Gott und die Menschen weiter mit Engagement, Selbst- und Gottvertrauen auszuüben und darüber dennoch nicht die Gelassenheit zu verlieren.
Mit einem Bibliog von Dr. Brockmöller zu Psalm 1, einem amüsanten Theaterstück, in dem Ähnlichkeiten mit echten Personen ganz und gar gewollt waren, und einer Retrospektive, in der sich Männer und Frauen des ersten Ausbildungsjahrgangs an die damalige Aufbruchstimmung, aber auch die Probleme und Hürden der Anfangszeit erinnerten, kam der Jubiläumstag zu seinem Abschluss.
Der Beruf der Gemeindereferentin bzw. des Gemeindereferenten geht auf die in Deutschland seit dem frühen 20. Jahrhundert zunehmenden verbreiteten Seelsorgehelferinnen zurück. Im Zuge der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der damit einhergehenden Öffnung der Seelsorgearbeit auch für Laien wurde das heutige Berufsbild neu geschaffen. Gemeindereferentinnen und –referenten werden in einer mehrjährigen Ausbildung an einer Fachhochschule, kirchlichen Fachschule oder einem Theologie-Fernkurs auf die Seelsorgearbeit in den Pfarreien sowie den Religionsunterricht an Grund-, Mittel- und Förderschulen vorbereitet. Im Bistum Augsburg sind zur Zeit über zweihundert Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten tätig.