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Predigt P. Regino; 24.Sonntag im Jahreskreis B; Jes 50,5-9; Mk 8,27-35; Ernst des Lebens - Leiden

Predigt P. Regino; 24.Sonntag im Jahreskreis B; Jes 50,5-9; Mk 8,27-35; Ernst des Lebens - Leiden

17.09.2024

24. Sonntag im Jahreskreis B; Jes 50,5-9; Mk 8,27-35;

Ernst des Lebens - Leiden

 In der vergangenen Woche haben die Schulen wieder begonnen. Da erinnere ich mich: Als ich 6 Jahre alt war und in die Grundschule kam, sagte mein Vater: „Jetzt fängt der Ernst des Lebens an.“ 20 Jahre zuvor war er aus dem Krieg zurückgekommen und kannte wohl schon etwas vom Leben. Und um den Anfang vom Ernst des Lebens zu versüßen, bekamen meine Altersgenossen von ihren Eltern eine große Schultüte mit Süßigkeiten. Ich bekam keine, denn wir hatten kurz zuvor bei der Entlassung aus dem Kindergarten von dort schon eine Schultüte bekommen, wenn auch eine etwas kleinere, und meine Mutter wusste damals schon, dass allzu viele Süßigkeiten ungesund sind. Stattdessen bekam ich eine Schachtel Bausteine als Ergänzung für meinen Baukasten. Damit konnte ich mir das Leben zwar nicht versüßen, aber ich konnte mein Leben symbolisch in die Hand nehmen und am Haus meines Lebens weiterbauen. Schließlich fing ja der Ernst des Lebens an und irgendwie war ich sogar ein bisschen stolz darauf, keine Schultüte zu brauchen wie die anderen.

 

Dazu fällt mir ein Jugendlicher aus Tirol ein, der hatte ein Jahr zuvor seinen Hauptschulabschluss gemacht und war dann ein Jahr auf einer weiterführenden Schule. Da war er eigentlich ganz gut, aber in einem Fach hatte er eine 5. Weil er zu diesem Fach einfach keine Lust gehabt hat, hat er da nichts getan. Das dreiwöchige Berufspraktikum im Sommer hat er nach 3 Tagen abgebrochen. Jeden Tag antreten, während seine jüngeren Freunde die Sommerferien genießen, das konnte er nicht. Er war kein dummer Bursche, aber irgendwie schien er den Ernst des Lebens noch nicht begriffen zu haben.

Vielleicht hat die Generation meiner Eltern unter dem Eindruck von Krieg und Wiederaufbau uns ein wenig zu ernst erzogen, aber heute erleben wir unter dem Einfluss der Spaß- und Konsumgesellschaft das Gegenteil davon: Kinder und Jugendliche werden zu lange ferngehalten von den Schwierigkeiten des Lebens, verschont von Arbeit, entbunden von Verantwortung. „Sie sollen es besser haben als wir“, sagen die Eltern. Gut gemeint. Aber gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut. Man lernt nicht, die Schwierigkeiten des Lebens zu bewältigen, indem man von ihnen verschont wird, oder indem man ihnen aus dem Weg geht.

Jesus belehrt die Jünger, der Menschensohn müsse vieles erleiden (V.31). Und er redete ganz offen darüber. Mit dem Wort „Menschensohn“ meint Jesus sich selber. Menschensohn heißt hebräisch „ben adam“, und meint: einer aus dem Menschengeschlecht, also „ein Mensch“ und damit allgemein „jeder Mensch“. „Der Menschensohn muss leiden“ kann also heißen „Jeder Mensch muss leiden.“ Auch ein Kleinkind schon muss leiden, wenn es lernen soll, dass es nicht immer seinen Willen bekommt. Das ist schmerzhaft, aber es gehört zum Leben dazu. Sonst tanzen die Kinder den Eltern auf der Nase herum und die Mutter bekommt den Stress und schließlich ein Burnout.

Jesus spricht offen über sein bevorstehendes Leiden, doch Petrus will das nicht hören und macht Jesus Vorwürfe. So steht Petrus für alle die, die dem Leid aus dem Weg gehen wollen. Wenn er Jesus für einen Prophet halten würde, müsste er damit rechnen, dass Jesus auf Widerstand stößt und verfolgt wird. So war es schon vielen Propheten im AT ergangen. Wenn er Jesus aber für den Messias hält, wird Jesus unbestritten von den Leuten verehrt werden, sozusagen als Star, und er als sein Freund hätte dann Anteil am Ruhm Jesu. Deswegen hält Petrus Jesus lieber für den Messias, als für einen Propheten. Auch die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, wollten ja in Jesu Reich die Plätze zu seiner Rechten und zu seiner Linken einnehmen. Da standen Machtfantasien im Raum.

 Doch das ist nicht das, was Gott mit Jesus vorhatte. Verführung durch Machtphantasien hatte Jesus schon bei seiner Versuchung in der Wüste erlebt – und von sich gewiesen. Jetzt taucht derselbe Satan wieder auf, diesmal in Gestalt des Petrus. Da sagt Jesus: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Die Menschen streben nach äußerer Macht, aber Gott geht den Weg des Leidens und der Ohnmacht. Das ist das Geheimnis der Ohnmacht: Ohne äußere Macht bewirkt man mehr. Ohne äußere Macht wird eine innere Macht mobilisiert, die den Menschen im Innern anrührt und von innen her verwandelt. Äußere Macht erreicht ihr Ziel durch Angst: da tun die anderen dann, was ich will, aber sie tun es rein äußerlich, um mir zu gefallen oder weil sie sich Vorteile erhoffen, aber sie sind dann nicht wirklich davon überzeugt. Von innen her bewirkt man mehr.

Die Schreiber des NT sehen Jesus in der Tradition des Gottesknechtes aus dem Propheten Jesaja. Der Gottesknecht hielt seinen Rücken denen hin, die ihn schlugen. Sein Gesicht verbarg er nicht vor Schmähungen und Speichel (Lesung). Unrecht erleiden ist noch mal eine höhere Stufe als einfach nur die normale Last des Lebens zu tragen. Aber wer Unrecht erleiden kann, bewegt damit eher das Gewissen derer, die ihm Unrecht tun als der, der auf seinem Recht besteht oder der mit denselben Waffen zurückschlägt. Der Gottesknecht des Jesaja und damit auch Jesus stehen für eine Gewaltlosigkeit, die wirklich den Frieden bringt. Ich finde, das ist ein interessantes Potential, über das da wir im Christentum verfügen.

Liebe Schwestern und Brüder, der Ernst des Lebens und das Kreuz, das wir zu tragen haben, sie sind glücklicherweise nicht das ganze Leben. Das Leben ist auch Lust, nicht nur Last. Zum Leben gehört auch die Freude, das Schöne, der Genuss. Vergessen wir nicht die frohen Seiten des Lebens, das Feiern und das Lachen. Das ist zwar nicht das Wichtigste, aber es ist wie die Schultüte des Erstklässlers. Denn beides, Freude und Leid, Lachen und Weinen, Leichtigkeit und Mühe machen die Fülle des Lebens aus, die Gott uns schenken will.