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Predigt Pater Regino zum Dritten Advent

Predigt Pater Regino zum Dritten Advent

18.12.2023

Predigt Pater Regino zum Dritten Advent

3. Adventsonntag Lesjahr  B

          Jes 61,1-2.10-11                   Joh 1,6-8.19-28                 Gerechtigkeit

 Im Jahre 1843 schrieb der Kommunist Karl Marx das berühmte Wort: Religion ist das Opium des Volkes. Und er meinte das so: Wenn es dem Volk schlecht geht, und wenn das Volk aufmüpfig werden möchte, dann kommt die Religion und sagt beschwichtigend: „Bleibt brav, nehmt euer Kreuz auf euch. Wenn es euch im irdischen Leben schlecht geht, - das ist gar nicht so schlimm, bleibt geduldig, ihr bekommt dafür das ewige Leben im Jenseits.“ So könnte man das Volk mit Religion beruhigen, so wie man schwer kranke Menschen mit Opium beruhigen kann, damit sie den Schmerz nicht mehr spüren.

Auch heute gibt es in der Kirche immer noch konfliktscheue Stimmen, die sagen: Bleibt brav. Und die können sich sogar insofern auf Jesus berufen, als Jesus kein politischer Kämpfer war. Denn da, wo Revolutionäre, Zeloten und Rebellen Jesus für sich vereinnahmen wollten, da sagt Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Jesus setzte sich für die Freiheit der Menschen ein, aber er war kein politischer Freiheitskämpfer. Anders ist es bei den Propheten des AT, die im Namen Gottes den Mund aufmachen. Die wollen das Volk nicht beruhigen, die wollen gegen Ausbeutung mobil machen, die fordern soziale Gerechtigkeit ein.

 Volk, dem es schlecht geht, begegnen wir in der Bibel immer wieder. Jesaja bringt den Armen des 6. Jhts. vor Chr. eine frohe Botschaft, er verkündet den Gefangenen Entlassung und den Gefesselten Befreiung, nicht irgendwann im Jenseits, sondern in diesem Leben, und zwar bald. - Später, zur Zeit Jesu, leidet das Volk Israel unter den Römern, die Erwartung eines politischen Messias spitzt sich zu. Sobald sich jemand qualifiziert, schaut man, ob er der Messias sein könnte. Man schaut auf Johannes den Täufer (Lk 3,15), man schaut auf Jesus. Aber Johannes weist es von sich, der Messias zu sein, er verweist auf Jesus. Und Jesus wirkt Heil nur im kleinen, aber nicht in der großen Politik. - Und in den späten Schriften des NT, am Ende des 1. Jht., leidet das Christenvolk unter der Christenverfolgung der Römer. Da sind die Christen eine kleine, standhafte Gruppe, die sich weigert, den Kaiser anzubeten. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, sie sind äußerlich unterlegen, aber ihre Spiritualität ist ihre Stärke. Sie erwarten als Erlösung den wiederkommenden Jesus in Macht und Herrlichkeit, aber der kommt nicht so wie sie das dachten. Da ist Religion kein Besänftigungsmittel, da ist Religion letzter Halt und Kraft zum Durchhalten gegen die Regierungsschicht und die Kaisertreuen.

Wie sieht das in unserer Zeit aus? Welcher der 3 genannten Situationen der Bibel ähnelt unserer Situation? Worunter leiden wir – und wie finden wir eine Antwort aus der Bibel darauf? Wenn ich die Krisen unserer Zeit sehe, dann möchte ich die auf einen gemeinsamen Nenner bringen: die Welt leidet unter mangelnder Solidarität. Schon bevor Donald Trump die Parole „America first“ ausgegeben hat (und dieses Denken lebt in Amerika immer noch), hatten Populisten in Österreich ihre Grundlinie ähnlich formuliert. Inzwischen ist diese ängstliche Abgrenzungsmentalität auch bei uns in Deutschland stärker geworden. Die Wirtschaft gedeiht immer noch auf hohem Niveau, aber die entscheidenden Fragen sind für mich: 1. Zu welchem Preis erwirtschaften wir so viel? Können wir das gesundheitlich überhaupt noch stemmen? Und 2.: Wem kommt dieses Wachstum zugute? Profitieren alle in ausreichender Weise von den erwirtschafteten Zuwächsen? Werden die Gewinne gerecht verteilt?

Wenn wir dieses Prinzip der Gerechtigkeit durch Solidarität dann noch weltweit weiterdenken, dann würde das bedeuten, dass die reichen Länder ein Stück weit von ihrem überhöhten Konsumniveau und Wohlstandsniveau herunter kommen, damit die armen Länder auch noch genügend sauberes Trinkwasser und Brot bekommen, um zu

leben

, nicht nur, um zu überleben. Erst wenn wir durch weltweite Solidarität das Wohlstandsgefälle auf Weltebene entschärfen, dann erst entschärft sich auch die Flüchtlingskrise.

So gleicht unsere Zeit in gewisser Weise der Zeit des Jesaja, der zur Gerechtigkeit mahnt. Er kündet den Armen die frohe Botschaft, dass Gerechtigkeit kommen wird, und diese neue Lebensordnung ist der Stolz des Volkes Israel. „Gott, der Herr, bringt Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern“ (V.11). Ich möchte sogar so weit gehen, das Wort Johannes des Täufers „Ebnet den Weg für den Herrn“, auf das Wohlstandsgefälle anzuwenden. Die Berge sollen abgetragen werden, die Täler sollen aufgefüllt werden. Das heißt für mich: Es gibt überhöhte Löhne, die durch nichts zu rechtfertigen sind, Menschen, die mehr verdienen, als sie überhaupt sinnvoll verarbeiten können. Und es gibt Familien, die sich schwertun, Kinder, Wohnung und Auto zu finanzieren. „Ebnet den Weg für den Herrn“, das soll nicht ein total eingeebneter kommunistischer Einheitslohn bedeuten, wir brauchen aber einen gerechten Ausgleich, damit alle eine Chance bekommen.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott will das Leben aller. Wir feiern Advent – Ankunft Gottes. Doch Gott  kommt

nicht

zu uns, wenn wir Menschen nicht zueinander kommen, wenn wir nicht beieinander ankommen, wenn Reiche und Arme einander nicht entgegen kommen, wenn wir die Armen vom Leben ausschließen. In diesem Sinn ist Religion kein Opium des Volkes, im Gegenteil: Gott will uns im Advent be

un

ruhigen, aufwecken und wachrütteln, damit wir uns nicht selbstzufrieden in der Gemütlichkeit des Wohnzimmers mit Adventskranz um uns selber drehen. Der Adventskranz will uns den ganzen Erd

kreis

vor Augen halten, und die 4 Kerzen weisen uns - wie die 4 Himmelsrichtungen auf dem Kompass - auf den ganzen Globus hin, auf die eine Erde, die Gott uns anvertraut hat,