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Wichtiges

Predigt vom 6. Sonntag der Osterzeit

07.05.2024

Predigt von Pater Regino am 5. Mai 2024

Freude als Frucht

6. Ostersonntag, Lesjahr  B      Joh 15,9-17

In einer Pfarrbibliothek sah ich einmal ein Reklameplakat in eigener Sache. Da wurde für Bücher geworben und für das Lesen überhaupt, damit die Kinder nicht nur Fernsehen und Computerspiele haben. Der Werbespruch hieß „Lesen macht Spaß.“ Nun, ich muss zugeben, mir hat das Lesen früher als Kind keinen Spaß gemacht. Daran hat sich bis heute auch nicht viel geändert. Aber immerhin gönne ich jedem die Freude, die er beim Lesen hat, von Herzen gern.

Trotzdem ist mir nicht ganz wohl bei diesem Werbespruch „Lesen macht Spaß“, denn ich kenne zu viele Kinder und Jugendliche, die eine Sache nur dann machen, wenn es ihnen Spaß macht, - und wenn es ihnen keinen Spaß macht, dann tun sie es eben nicht. Und ich habe Eltern erlebt, die reagieren hilflos, wenn Kinder etwas nicht tun wollen, wenn Kinder sagen: „Ich habe dazu keine Lust. Das macht mir keinen Spaß.“ Manche Eltern ziehen sich hilflos zurück, geben nach und wollen ihr Kind nicht frustrieren, andere setzen sich autoritär durch, mit Druck oder mit Lautstärke - aber wer erklärt den Kindern den Sinn dessen, was sie tun sollen? Eine Sache kann durchaus sinnvoll sein, auch wenn sie keinen Spaß macht. Und mehr noch: Wenn einem der Sinn einer Sache aufgeht, dann fängt die Sache vielleicht gerade erst an, Spaß zu machen.

 Bei Erwachsenen gibt es das auch: Freude haben, glücklich sein, wollen wir das nicht alle? Der dänische Philosoph Kierkegaard (1813-1855) sagte einmal: „Die Tür zum Glück geht nach außen auf.“ D.h. Wenn ich in das Haus des Glückes eintreten will, dann kann ich nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen. Ich muss mich der Tür nähern, die Klinke herunterdrücken, ziehen, weil die Tür nach außen aufgeht, und wenn ich dann mit der Tür einen Schritt zurückgehe, dann öffnet sich der Türspalt und ich kann vorwärts weitergehen. Das soll heißen: Das Glück erreichen wir nur auf indirektem Wege, nicht direkt, indem wir vorwärtsstürmen, indem wir unbedingt glücklich sein wollen.

Es braucht diesen einen Schritt zurück: Wenn wir innehalten und eine sinnvolle Sache tun, dann wird uns die Freude darüber höchst wahrscheinlich ganz nebenbei von selbst dazu geschenkt.

 Im Evangelium sagte Jesus eben: „Bleibt in meiner Liebe, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird (V.11).“ Die vollkommene Freude erreichen wir nicht auf direktem Weg, erst muss Liebe da sein, dann kommt die Freude als Nebeneffekt, die vollkommene Freude kommt aus der Liebe. Wenn ich Freude direkt haben will, dann kann das ein ziemlicher Krampf werden. Wenn ich aber liebe, wächst die Freude von selber. Das gilt übrigens auch im Sexuellen: Es gibt im Internet viel Reklame für Potenzmittel. Mit Potenzmitteln kann ich vielleicht meine Lustempfindung künstlich steigern, aber ich kann damit keine Liebe ersetzen, wenn sie fehlt.

 

Und Liebe, damit meine ich Hingabe. Jetzt nicht nur körperliche Hingabe, sondern geistige Hingabe: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt (V.13)“, sagt Jesus. Das beziehen wir meistens auf den Tod Jesu. Ich möchte es aber auf das Leben Jesu beziehen, und dann heißt „sein Leben hingeben“: sein Leben einsetzen, seine Lebenszeit und seine Lebensenergie für eine Sache oder für einen Menschen investieren. Jesus ist nicht nur für uns gestorben, er hat zuerst einmal für uns gelebt: Sein Lebenssinn bestand darin, für andere da zu sein. Und er trägt auch uns auf, genauso füreinander da zu sein.

 Der nächste Vers ist erklärungsbedürftig: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage (V.14).“ Das könnte man für sich genommen als erpresserisch verstehen, nach dem Motto: „Wenn ihr tut, was ich will, dann liebe ich euch, aber wehe euch, wenn ihr nicht tut, was ich will. Dann seid ihr nicht mehr meine Freunde.“ Ich denke aber, Jesus meint das anders: „Dies trage ich euch auf: Liebt einander (V.17)“. Der Auftrag Jesu ist nicht etwas Willkürliches, nicht etwas Beliebiges. Er ist zu unserem Wohl. Und an diesem Auftrag Jesu müssen sich auch unsere Aufträge messen, die Aufträge, die wir Menschen uns gegenseitig geben. Es muss zum Wohl der anderen sein. Das Auftrag-Geben erfordert immer einen gegenseitigen Gehorsam: Jeder, der einen Auftrag gibt, muss hinhören, ob der Auftrag auch zu der Person passt, die ihn ausführen soll. Und der Auftragsempfänger muss wohlwollend hinhören, was sich der Auftraggeber dabei gedacht hat. Der gegenseitige Gehorsam ist bedeutend für unser Betriebsklima, wie wir miteinander umgehen. In der Familie, in der Arbeitswelt, und auch in der Kirche.

 „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt

(V.15).“ Das ist die kollegiale Atmosphäre eines gegenseitigen Gehorsams. Da gibt es eine offene Kommunikation, keine hinterhältige Geheimhaltung. „Liebt einander“, heißt es gleich zweimal im heutigen Evangeliumsabschnitt. Ich übersetze es mit: einander wertschätzen, einander ernst nehmen, in Echtheit, nicht aus Taktik, um sich einzuschmeicheln, ohne eine geheime Überheblichkeit. Und wenn der andere anders will als ich, dann fällt das Ernst-Nehmen nicht gerade leicht, da macht das Wertschätzen zunächst keinen Spaß, aber es bleibt sinnvoll. Erst wenn ich ahne, dass der andere durch meine Wertschätzung aufblüht und weiterkommt, kommt auch bei mir Freude auf.

 Aus diesem Geist der Wertschätzung heraus erteilen wir dann die richtigen Aufträge. Die falschen Aufträge bringen keine Früchte. Jesus will, dass wir uns aufmachen und Frucht bringen, und dass unsere Frucht bleibt (V.16). Wie oft jammern Eltern, dass ihre Erziehung keine Frucht bringt! Wie oft jammern Priester, dass ihre Seelsorge keine Frucht bringt! Ich glaube, dass viele von uns zu sehr damit beschäftigt sind, Erwartungen zu hegen und Forderungen zu stellen, und vergessen die Aufgabe, Sinn zu vermitteln.

 Liebe Schwestern und Brüder, die echte Liebe bringt Frucht, die echte Liebe verbreitet sich wie eine Lawine: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt, und so sollt auch ihr einander lieben.“ Eine solche echte Liebe, die in der engagierten Hingabe besteht, steckt an. Wenn wir so lieben, dann überzeugen wir, wir überrumpeln nicht, wir engen nicht ein, wir lassen Raum. Und in dieser Freiheit wird bei uns Freude einkehren, eine Freude, die vollkommen sein wird (V.11).