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Wichtiges
Aus den Pfarreien

„Spiegelbild unserer Kirche“

16.10.2023

In Bayern feiern die Pfarreien landauf landab traditionell am dritten Sonntag im Oktober das Kirchweihfest. In Söcking, einem Stadtteil von Starnberg, fand dieses Fest heuer in einem ganz besonderen Rahmen statt: Ein Gottesdienst in zwei Kirchen, durch eine Prozession verbunden, mit ökumenischem Akzent. Anlass für diese nicht alltägliche Form war die Wiedereröffnung der früheren Pfarrkirche St. Stephan nach rund zweijähriger Sanierung und ein gelebtes Miteinander von katholischen und evangelischen Christen.

Es ist Sonntagmorgen, 9.30 Uhr. Hinter dem Kreuzträger, den zwei Ministranten mit brennenden Kerzen begleiten, zieht der liturgische Dienst unter Klarinettenklängen in das kleine Kirchlein ein. Seit fünf Jahrhunderten liegt es einen Steinwurf vom nördlichen Rand des Starnberger Sees entfernt. Dahinter folgen der Diakon, die mitfeiernden Priester und Generalvikar Dr. Wolfgang Hacker, der Bischof Bertram an diesem Tag vertritt. Nach einer kurzen Begrüßung durch Stadtpfarrer Dr. Andreas Jall und den Einführungsworten von Generalvikar Hacker entzündete dieser die Osterkerze - erstmals seit der Schließung vor fünf Jahren. Im Anschluss daran segnete er das neugestaltete Taufbecken und den ebenfalls neuen Ambo. Zudem überreichte Pfarrer Simon Döbrich von der evangelischen Gemeinde der Pfarrgemeinde Gefäße für die Heiligen Öle. Pfarrer Jall nahm sie entgegen und stellte diese in den dafür vorgesehenen Aufbewahrungsort.

Die ökumenische Verbundenheit, die an diesem Ort seit vielen Jahrzehnten augenscheinlich praktiziert wird, hob der Generalvikar, der das Predigtmanuskript des Bischofs im Wortlaut vortrug, in der anschließenden Messfeier in der heutigen Pfarrkirche St. Ulrich besonders hervor. „Es ist ja schon recht einzigartig und ein wunderbares Zeichen, dass der Kirchenraum von St. Stephan von beiden Konfessionen genutzt wird, verbunden im Glauben an den einen Gott, der sich uns in Jesus Christus offenbart hat.“ So stand der allen Christen gemeinsame Glaube an den Sohn Gottes auch im Mittelpunkt der bischöflichen Predigt. Sie fokussierte dabei auf drei Gedanken: die Erneuerung unserer Kirche, Jesus Christus als dem Fundament unseres Glaubens und der gemeinsame Auftrag als Christinnen und Christen in dieser Welt.

Zunächst bezeichnete der Bischof den Zustand der sanierungsbedürftigen Kirche St. Stephan vor den baulichen Maßnahmen als „Spiegelbild unserer Kirche“. Diese drohe derzeit in eine gefährliche Schieflage zu geraten, weil Dinge übersehen wurden und an vielen Stellen Druck entstanden ist. „Ähnlich den morschen Balken gibt es kirchliche Strukturen, die schlicht nicht mehr zeitgemäß sind.“ Eine pluralisierte Gesellschaft stellten das kirchliche Leben ebenso vor eine Zerreißprobe wie wachsende innerkirchlichen Spannungen und Diskussionen über den rechten Weg. „Neue pastorale Ideen entwickeln“ und „veraltete Dinge loslassen“, das erwarte er von allen Christinnen und Christen für eine zukunftsfähige Kirche.

Neben den notwendigen Strukturreformen sei es allerdings noch viel wichtiger, wie wir als Christgläubige in der Welt auftreten. „Ich bin überzeugt, dass Kirche nur dann eine Zukunft hat, wenn Menschen, die auf der Suche nach Antworten sind, spüren: Christinnen und Christen leben glaubwürdig das, was sie vom Evangelium verstanden haben, am wichtigsten: Die Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst.“ Dies habe uns Jesus, ohne den es keine Kirche gäbe, gelehrt, so der Bischof. Aber auch die Christinnen und Christen, die die Gotteshäuser mit Leben füllten und an Christus glaubten, würden offen für die Gegenwart Gottes, wenn sie sich in Stille in einer der beiden Kirchen am Ort zum Gebet versammeln. „Lassen wir die Stille zu, dann erfüllt uns der Geist Gottes mit der Erkenntnis, dass Jesus wirklich der Messias, der Sohn Gottes, war und ist, der unserem Leben Sinn geben möchte.“

Fünf Jahre ist es nun her, als Risse in der Außenwand des auf das 16. Jahrhundert zurückgehenden Kirchenbaus festgestellt wurden. Binnen weniger Jahre diagnostizierte der bestellte Statiker seinerzeit Einsturzgefahr. Die unabwendbare Folge: Das von der katholischen wie evangelischen Kirche genutzte Kirchlein konnte erst einmal nicht weiter genutzt werden. Nach den obligatorischen Planungen und Vorarbeiten starteten die Sanierungsarbeiten an dem denkmalgeschützten Gebäude Anfang 2022.

Das Wichtigste bei allem war es nun, das Kirchenschiff, den Dach- sowie Glockenstuhl durch den Austausch morscher Holzbalken und das Verbauen von Stahl wieder zu stabilisieren. Die Dachziegel wurden ausgetauscht und sturmfest gemacht. Aber auch innen erhielt das Söckinger Kleinod eine Frischzellenkur. Elektrik und Technik wurden unter anderem auf den neuesten Stand gebracht, die Wände geweißelt, Hoch- und Seitenaltäre gereinigt, schadhafte Stellen ausgebessert und vom Holzwurm befreit.