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Wichtiges
Weihnachtsansprache 2019 für kath1.tv und tv.augsburg von Diözesanadministrator Prälat Dr. Bertram Meier

Wo die am Rande sind, da ist die Mitte

24.12.2019

"Wo die am Rande sind, da ist die Mitte", so steht es auf einer Spruchkarte, angeboten von der Schweizer Caritas.

In den sozialen Appell mischt sich eine weihnachtliche Schattierung. Denn Jesu Geburt hat sich am Rand der etablierten Gesellschaft abgespielt: ein Kind armer Leute in einer abgelegenen Provinz des damaligen römischen Reiches.

Gott sucht sich keine Metropole aus, auch nicht die Stätten hoher antiker Kulturen. Den versteckten Winkel Judäa wählt er aus, die kleine Stadt Bethlehem. Gott kommt zur Welt incognito: Wo die am Rande sind, da ist die Mitte. Bethlehem führt uns zur Mitte.

Bethlehem heißt ja übersetzt: Haus des Brotes. In Bethlehem, am Rande, wird der geboren, der einer aus den Fugen geratenen Welt eine neue Mitte geben sollte. Im Haus des Brotes, in Bethlehem, erblickt der das Licht der Welt, der den Hungernden Brot austeilt, der nach seiner Auferstehung seinen Jüngern das Brot bricht; der dieses Brot bis heute als Speise ewigen Lebens anbietet. Das Mauerblümchen Bethlehem mausert sich zu einer edlen Blüte: Bethlehem hier und jetzt - Haus des Brotes. Unsere Kirchen, wo dieses Brot geteilt wird, sind Bethlehem, Häuser des Brotes.

An den Palästen und Pensionen vorbei wählt Gott den Stall. Er setzt sich auf den letzten Platz. Auch die Menschen, die Kunde davon erhalten, sind keine großen, sondern kleine Leute: Hirten, Leute am Rande der Gesellschaft. An Weihnachten feiern wir eine nicht standesgemäße Geburt: In einem Stall geboren zu werden, ist asozial. Nicht standesgemäß für den Gottessohn ist der Besuch ungebildeter Hirten, erst recht nicht standesgemäß der Empfang von Ausländern, darunter sogar ein Dunkelhäutiger.

Das Krippenbild im Dom muss man suchen gehen, hinten im Kirchenschiff, an einem Seitenaltar. Eigentlich nicht standesgemäß. Fast könnte man die schöne Malerei übersehen. Doch der Platz passt: Wo die am Rande sind, da ist die Mitte. Wenn Christus heute auf die Welt käme, wo stünde seine Krippe? Wieder in einem Stall bei Bethlehem – schutzlos zwischen verfeindeten Parteien? In der Flüchtlingsunterkunft oder im Seniorenheim? Wo stünde die Krippe in unserer Stadt, in unserer Gemeinde? Beim Obdachlosen? Oder in der Familie, die um ihren schwerkranken Vater bangt? Oder bei der verlassenen schwangeren Frau, mutterseelenallein mit dem werdenden Leben unter ihrem Herzen? Oder beim jungen Pärchen, das gerade jetzt für das neue Jahr den Vorsatz fasst, Jesus in seine Mitte zu nehmen? Oder wählt Christus das Bett einer alten Frau, pflegebedürftig und dabei ganz dem Herrn ergeben?

Zurück zum Kunstwerk im Dom: Der Maler Jörg Stocker stellt nicht nur Weihnachten dar, er zeichnet ein Bild der Eucharistie. Das Kind liegt auf einem Tuch, einem Korporale, das der Priester bei der hl. Messe ausbreitet, ehe er die eucharistischen Gaben bereitet. Die Engel sind in Dalmatiken gehüllt, Gewänder der Diakone. Und Josef hält eine Laterne hin, um den heiligen Raum des Geheimnisses auszuleuchten: Das erinnert ans ewige Licht. Die Details auf der linken Seite des Bildes zeigen einen Tisch, auf dem Brot und Becher bereit stehen, als ob sich im Stall von Bethlehem schon der Raum für das eucharistische Mahl auftut.

Ein wirklich anspruchsvolles Weihnachtsbild! Seine Botschaft sollen wir hinaustragen zu denen am Rand. Denn wo die am Rande sind, da ist die Mitte. Eine Gemeinde, die bei festlichen Gottesdiensten nur um ihre Krippe tanzt, läuft Gefahr, Christus zu ihrem goldenen Kalb zu machen. So wird Christus leblos, noch ehe er in ihr geboren werden kann.

Ich wünsche Ihnen privat, für Ihren Freundes- und Familienkreis sowie für das Leben in Ihrer Glaubensgemeinschaft, dass Sie etwas von der Gottesgeburt erfahren dürfen und andere mit der Freude über das neue geistliche Leben anstecken. Frohe und gesegnete Weihnachten!