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Wichtiges
Dankansprache von Diözesanadministrator Prälat Dr. Bertram Meier bei der Verabschiedung des Domkapellmeisters am Sonntag, den 22. Dezember 2019, im Goldenen Saal des Rathauses

Reinhard Kammler: „ein Glücksgriff für Kirche und Stadt Augsburg“

23.12.2019

Noch klingen in unseren Herzen die adventlichen Weisen nach, die uns die Domsingknaben soeben dargeboten haben.

In Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest haben wir heute allen Grund, heiter und froh zu sein, auch wenn wir mit einer gewissen Wehmut den langjährigen Domkapellmeister an der Kathedrale von Augsburg, Herrn Reinhard Kammler, öffentlich verabschieden. An erster Stelle steht ein großer Dank für seine Tätigkeit im Dienst der Musica Sacra, die den Raum der Liturgie weit aufgestoßen und auch das öffentliche Leben in Stadt und Land wesentlich mitgeprägt hat. Unter der Leitung und Förderung von Reinhard Kammler haben sich die Augsburger Domsingknaben zu einem Spitzenchor entwickelt, der über die Grenzen unserer Region hinaus als Markenzeichen für höchste Qualität bürgt. Dafür ist ihm das Bistum Augsburg zu großem Dank verpflichtet.

Hinter den Jahrzehnten im kirchlichen Dienst steht eine Biographie, die um zwei Brennpunkte kreist: die Leidenschaft für die Musik und die Liebe zur Kirche. Das Wirken von Reinhard Kammler bei uns in Augsburg und weit darüber hinaus wird in den Medien ebenso wie in der Fachwelt in höchsten Tönen gewürdigt. Ich führe nur einige ausgewählte Grundworte an, die eine ganze Litanei des Lobes zusammenfassen: hohe Souveränität, extreme Genauigkeit, hinreißende Chorführung, leidenschaftlicher Ausdruckswille, machtvolles Bekenntnis, Meisterleistungen in vollendeter Gestalt, umjubelte Konzerte. Dabei ist nicht zu überhören, dass für Reinhard Kammler Musik, Orgelspiel und Gesang

Ausdruck der Gottesverehrung sind. Schon am Anfang seiner Karriere hat er es einmal so zu Papier gebracht: „Für mich ist die Arbeit als Kirchenmusiker und Chorerzieher Dienst an der Verkündigung des Wortes Gottes in gleichem Maß wie Verantwortung gegenüber den jungen Menschen." Und erst vor wenigen Jahren hat Herr Kammler unterstrichen, wie wichtig ihm der einzelne junge Mensch war und ist: „Niemand geht bei uns in der Masse unter." 2

Gerade seine Person selbst gibt dafür den besten Anschauungsunterricht. Als Mensch ist er keine Kopie, sondern ein Original – selbstbewusst und durchaus streitbar. Gerade erst einmal 22 Jahre jung und Stipendiat des Deutschen Musikrates an der Staatlichen Hochschule für Musik in München, bekam er von Bischof Dr. Josef Stimpfle 1976 den ambitionierten Auftrag, die Tradition der Augsburger Domsingknaben, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, wieder zu beleben und aus dem durch die Säkularisation 1802/1803 bewirkten Dornröschenschlaf aufzuwecken. Das heutige Konzert ist ein Beweis unter vielen anderen: Herr Kammler hat den bischöflichen Auftrag meisterhaft erfüllt. Dafür brauchte es ein Händchen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ebenso wie die nötige Entschiedenheit und Strenge. Manches wäre sicher nicht so gelaufen, wenn der Domkapellmeister nicht auf treue und verlässliche backstage-Leute hätte bauen können – Menschen, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen sowie Reisen und Auftritte organisieren. Ein besonderer Dank gilt dabei Herrn

Josef Paul, der in wenigen Tagen auch einen halbrunden Geburtstag feiert und sich dann in den verdienten Ruhestand verabschiedet. Sieben Jahre lang waren Sie, lieber Herr Paul, die rechte Hand von Herrn Kammler als Kulturmanager und Geschäftsführer unserer Domsingknaben. Herr Kammler konnte deshalb so aus dem Vollen schöpfen, weil er die technischen Dinge weitgehend abgeben und beruhigt in Ihre Hände legen konnte. Wie Reinhard Kammler in seiner geduldigen und ausgleichenden Frau Maria – gerade auch in der Krankheit vor etlichen Jahren – um einen ruhenden Pol wissen durfte, so haben Sie, lieber Herr Paul, in Ihrer Amtszeit das Hinterland dafür geschaffen, dass Herr Kammler mit viel Herzblut seinen musikalischen Interessen nachgehen und seine Fähigkeiten entfalten konnte. Diese fanden in seinem beruflichen Werdegang ihren beeindruckenden Niederschlag: 1980 wurde Herr Kammler jüngster Domorganist Deutschlands an der Kathedrale von Augsburg; 1995 erfolgte seine Ernennung zum Domkapellmeister als Nachfolger von Rudolf Brauckmann. Neben dem Kerngeschäft, die Musica Sacra am Dom zu pflegen – mehr als 40 liturgische Dienste bei 52 Kalenderwochen sprechen für sich, hat sich der Radius der Präsenz der Domsingknaben stetig erweitert: Regelmäßig geben sie Konzerte in ganz Deutschland und in vielen Ländern Europas. Sie waren auf Tournee u.a. in Japan, Kanada, Ecuador und Südafrika, 2016 für vier Wochen in China. Auch vor dem Bundespräsidenten und hoher politischer Prominenz hat unser Augsburger Spitzenknabenchor schon gastiert. 3

Absoluter Höhepunkt aber war die Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach vor zehn Jahren in der Sixtinischen Kapelle. Kein geringerer als Papst Benedikt XVI., der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler und als Zeitzeuge unser Ehrendomherr Prälat Eugen Kleindienst - damals Geistlicher Botschaftsrat, der uns heute auch die Ehre gibt - waren bei diesem denkwürdigen Ereignis dabei. Papst Benedikt, selbst ergriffen von der musikalischen Meisterleistung des Chores, sagte damals: „Jeder Mensch kann für den anderen in der Gemeinschaft mit Jesus Christus Mittler zu Gott sein. Keiner glaubt für sich allein, jeder lebt in seinem Glauben auch von menschlichen Vermittlungen. (…) In der Gemeinschaft mit dem, der selbst diese Nähe ist, können wir Menschen einander Mittler sein und sind es auch. Als solche werden wir fähig sein, ein neues Denken anzuregen und neue Kräfte im Dienst eines ganzheitlichen Humanismus hervorzubringen."

2009

Cappella Sixtina – heute Sala Aurea. Sixtinische Kapelle – Goldener Saal. Dass die Stadt Augsburg die Türen des Rathauses geöffnet und uns zu diesem Abschiedskonzert in ihre „gute Stube" geladen hat, wissen wir zu schätzen: eine besondere Geste für eine besondere Persönlichkeit.

Lieber Herr Domkapellmeister, Ihr Engagement war für die Diözese Augsburg

ein echter Glücksgriff. Ihnen ist es gelungen – um mit Papst Benedikt zu sprechen – „neue Kräfte im Dienst eines ganzheitlichen Humanismus hervorzubringen." Dafür sagt Ihnen das Bistum Augsburg heute herzlich „Vergelt’s Gott". In wenigen Tagen werden Sie den Taktstock an Ihren jüngeren Nachfolger, Herrn Stefan Steinemann, übergeben. Aus Ihrer Schule kommend, war und ist er Ihr Wunschkandidat. Möge er Ihr Erbe bewahren und auch den Mut aufbringen, aufgeschlossen für die Herausforderungen der Zeit neue Akzente zu setzen!

Was kann man einem Domkapellmeister, einem

Vollblutmusiker, zum Abschied wünschen? Im Psalm 104 fand ich ein Wort, das ich Ihnen, lieber Herr Kammler, für das Eingewöhnen in den neuen Lebensabschnitt mitgeben möchte: „Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe, will meinem Gott spielen, solange ich da bin." (Ps 104,33)