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Wichtiges
Misereor-Fastenaktion eröffnet

„Würdenträger vor Gott“

16.03.2025

Unter dem Motto „Auf die Würde. Fertig. Los!“ ist an diesem Sonntag in Neu-Ulm die diözesane Misereor-Fastenaktion eröffnet worden. Beim Festgottesdienst in der voll besetzten Pfarrkirche St. Johann Baptist, die durch das Hungertuch hinter dem Altar, Fahnenabordnungen der kirchlichen Verbände und einer tamilischen Tanzgruppe in ein sinnenfälliges Farbenmeer getaucht wurde, bezeichnete Bischof Dr. Bertram Meier das mit dem gewählten Motto in den Mittelpunkt gerückte Thema als bedeutsam und hoch aktuell. „Wie beim Sport werden wir alle aufgerufen, aktiv zu werden, uns zu positionieren, um ein großes Ziel zu erreichen: Den allgemeinen Schutz der Menschenwürde“, betonte der Bischof beim Festgottesdienst in der Pfarrkirche St. Johann Baptist. Am Beispielland Sri Lanka zeigt das kirchliche Hilfswerk heuer wie sich Projektpartner für soziale Gerechtigkeit und den Schutz von Menschenrechten vor Ort einsetzen.

In seiner Predigt charakterisierte Bischof Bertram jeden Menschen als „Würdenträger vor Gott“ und führte dazu neben dem ersten Artikel des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als wichtige und allgemeingültige Eckpfeiler menschlichen Zusammenlebens ins Feld. „Überall dort, wo Menschen diskriminiert und verfolgt, missbraucht und verwundet werden, ist deren Würde in höchstem Maße verletzt. Als Christen sehen wir darin zudem eine schwere Sünde, da wir nach unserem Glauben als Geschöpfe – jede und jeder in einzigartiger Weise - Ebenbilder Gottes sind, der uns den Schutz des Lebens aufgetragen hat“, so der Bischof. Deshalb komme jedem Menschen von der Zeugung bis zum Tod eine unvergleichliche Würde zu, die nach dem Willen des Schöpfers respektiert und geschützt werden müsse.

Dass die Menschenwürde als schützenswertes Gut keine Selbstverständlichkeit ist, zeige der Blick auf das Volk der Hochlandtamilen, die vor rund 200 Jahren in das Bergland Sri Lankas gelockt oder verschleppt wurden, um dort auf Plantagen Tee anzubauen. Ausbeutung durch deren Besitzer und internationale Konzerne stand auf der Tagesordnung. Gerade deshalb sei es umso wichtiger und erfreulicher, dass mit Hilfe von Misereor Projekte und Partnerorganisationen wie die lokale Caritas unterstützt würden, die sich an die Seite der Benachteiligten stellten, lobte Bischof Bertram den Einsatz des Hilfswerks und deren Partner. „Dabei ist vor allem die Bewusstseinsbildung wichtig, bei der sich die Menschen ihrer Würde gewahr werden sollen, und gleichzeitig bei ihrem Kampf für eine gerechte Behandlung Unterstützung finden. Christlicher Glaube und Gerechtigkeit gehören nämlich untrennbar zusammen!“   

Für uns als Christen gebe es in der Nachfolge Jesu einen klaren Auftrag. „Die Art, wie Jesus auf Menschen zuging, sie in ihren jeweiligen Lebenskontexten sah, in liebevoller Achtsamkeit fragte, was er ihnen Gutes tun könne, ohne sich aufzudrängen – das alles zeugt vom Respekt des Sohnes Gottes vor der Würde des Menschen.“ Eine Haltung, die gerade in einer von Aggressionen und Egoismen geprägten Zeit, wieder dringend gebraucht würde. Denn die Aussage von der unantastbaren Würde des Menschen müsse für alle Menschen gelten. „Dafür erheben wir als Kirche unsere Stimme, ganz konkret auch durch die entwicklungspolitische Arbeit von Misereor“, ermutigte Bischof Bertram die Gottesdienstbesucherinnen und –besucher zur innerlichen Neuausrichtung und zum Einsatz für benachteiligte Menschen weltweit.

Zum Aktionstag in Neu-Ulm begrüßte Pfarrer Karl Klein und die gastgebende Pfarrei neben dem Bischof auch Misereor-Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Frick, den Leiter der Abteilung Weltkirche Anton Stegmair, Verbändereferent Pfarrer Dominik Zitzler und insbesondere Misereor-Gast Vinayaga Devi Jayakanthan aus Sri Lanka. Sie riss kurz die schicksalshafte Geschichte des Volkes der Hochlandtamilen an und stellte ihre Projektarbeit bei der Partnerorganisation SEDEC Sri Lanka näher vor. Sie sprach etwa darüber, was sie und die Caritas vor Ort durch die Unterstützung von Misereor dafür tun, menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen in ihrem seit 200 Jahren ausgebeuteten Volk zu schaffen. Die Reaktionen, die sie für ihre Beratungsarbeit erhält: „Freude, dass bald Veränderungen eintreten und dass die Menschen weitere Schritte hin zu mehr Selbstständigkeit gehen können.“

Die Caritas bleibt, wenn alle Touristen weg sind

Misereor-Hauptgeschäftsführer Dr. Frick zeigte sich dankbar für das großartige Engagement der vielen Projektpartner. Er berichtete, dass seit der Gründung des Hilfswerks durch die deutschen Bischöfe, „die Projekte zu Misereor kommen, weil jemand eine Idee hatte und schon etwas begonnen hat“. Hilfe zur Selbsthilfe sei seitdem die Devise. Konkret auf das Beispielland Sri Lanka und die Zusammenarbeit mit den Partnern gemünzt, sagte er: „Wenn die Touristen weg sind, bleibt die Caritas da.“

Silvia Lutz, Mitglied im Diözesanvorstand des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) und Mitorganisatorin der diözesanen Eröffnung, unterstrich: „Als großer Frauenverband ist es uns besonders wichtig, das Engagement von Frauen weltweit zu unterstützen.“ Mit Blick auf das Motto fügte sie hinzu, dass alle Menschen wertvoll seien. Gleichzeitig schärfte sie den Blick über den Tellerrand hinaus: „Wir müssen uns global einsetzen und vernetzen.“

Für den Leiter der diözesanen Abteilung Weltkirche Anton Stegmair ist es Ausdruck der Solidarität mit den Menschen in den Ländern des Südens, wenn sich Menschen hierzulande für deren Leben, ihre Freuden, aber auch für ihre Sorgen und Nöte interessieren, um gezielt helfen zu können. „So soll diese diözesane Auftaktveranstaltung zum einen über die Situation der Menschen in den Ländern des Südens informieren. Zum anderen soll sie aber auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für unsere Verantwortung gegenüber unseren Brüdern und Schwestern aufrechterhalten und stärken“, so der Bischöfliche Beauftragte für weltkirchliche Aufgaben.

Im Anschluss an den Festgottesdienst, der von einer tamilischen Tanzgruppe aus Ellwangen mitgestaltet wurde, erwartete die Besucherinnen und Besucher im Johannishaus köstliche internationale Speisen und auf dem Markt der Möglichkeiten ein vielfältiges Angebot der kirchlichen Verbände: Von „Sari-Wickeln leichtgemacht!“ bei Kolping über Kerzenziehen beim Landvolk bis hin zum Solibrot-Stand des Frauenbunds. Den gemeinsamen Abschluss der Veranstaltung gegen 14 Uhr bildete die Preisverleihung des Malwettbewerbs, bei dem Schulkinder dazu eingeladen waren, Bilder zum Aktionsthema zu gestalten, und die Gottesdienstbesucher dazu aufgerufen waren, für ihren Favoriten abzustimmen.

Die diözesane Eröffnung wurde heuer von der Neu-Ulmer Pfarrgemeinde St. Johann Baptist ausgerichtet und federführend vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) Diözesanverband Augsburg in Zusammenarbeit mit der Abteilung Weltkirche organisiert und durchgeführt.

 

Näheres zum Beispielland Sri Lanka und dem Misereor-Projektpartner

Vor rund 200 Jahren wurden im Zuge der britischen Kolonialzeit zahlreiche Hochlandtamilen aus Indien nach Sri Lanka geholt. Ihre Aufgabe war es auf den Teeplantagen zu arbeiten. Sie wurden in kleinen Siedlungen rund um die riesigen Plantagen angesiedelt, wo ihre Nachkommen bis heute unter menschenunwürdigen Bedingungen wohnen und arbeiten. Ihre Situation hat sich kaum verändert. Zwar arbeiten die meisten nicht mehr auf den Plantagen, ihre Siedlungen können sie häufig trotzdem nicht verlassen, weil es wenig Alternativen gibt. Sie besitzen wenige Rechte, haben kaum Zugang zu Sozialleistungen oder dem Gesundheitssystem, die Bildungsangebote sind unzureichend, Zukunftsperspektiven kaum vorhanden.

Misereor-Gast Vinayaga Devi Jayakanthan setzt sich als Koordinatorin des Green Golden Harvesters-Projektes in Badulla (Sri Lanka) für die Gemeinschaft der Malaiyaha ein und bestärkt sie darin, die eigenen Rechte wahrzunehmen, ihre jeweilige Lebenssituation zu verbessern und sich aus der Abhängigkeit vom Plantagenmanagement zu befreien. Seit mehreren Jahren arbeitet sie mit großem Engagement und unterschiedlichen Gruppen aus der Region zusammen. Sie führt etwa Workshops für die Menschen in den Plantagensiedlungen durch und setzt sich dafür ein, dass die Interessen der Gemeinschaften auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Caritas Sri Lanka-SEDEC ist der humanitäre Arm der katholischen Kirche in Sri Lanka und Teil des internationalen Caritas-Netzwerks. SEDEC steht für „Social and Economic Development Centre“.

 

Weitere Infos zu Misereor

Das Bischöfliche Hilfswerk MISEREOR e.V. (lat. misereor „Ich erbarme mich“) ist eines der größten Hilfswerke der römisch-katholischen Kirche in Deutschland und hat seinen Sitz in Aachen. Aufgrund von Initiativen verschiedener kirchlicher Gruppierungen seit 1954 wurde auf der Fuldaer Bischofskonferenz 1958 der Grund für dieses Werk gelegt. Die erste Fastenspendenaktion startete 1959. Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützte Misereor seit seiner Gründung im Jahr 1958 mehr als 130.000 Projekte in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika. Die jährliche Fastenaktion soll den katholischen Pfarrgemeinden die Lebenswelt der Menschen nahebringen, die unter Armut und Ungerechtigkeit zu leiden haben.

Weitere Infos unter: www.misereor.de