Austausch über „Zufriedene Genügsamkeit“
Vor zehn Jahren ist die Enzyklika Laudato si‘ erschienen. Ein zentrales Anliegen von Papst Franziskus darin lautet: Wie können wir mit einem genügsamen Lebensstil zum Erhalt unseres Gemeinsamen Hauses beitragen? Dazu gab es am 23. Mai einen Gedanken- und Meinungsaustausch.
Zu dem Gesprächsabend im Haus Sankt Ulrich in Augsburg hatten die Abteilung Weltkirche, der Fachbereich „Kirche und Umwelt“ und die Stabsstelle Klimaschutz gemeinsam mit der Katholischen Erwachsenenbildung eingeladen. Nach Statements von EU Parlaments-Mitglied Markus Ferber, der Leiterin der Abteilung Politik und globale Zukunftsfragen beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor Kathrin Schroeder sowie des Leiters des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg Diakon Markus Müller bestand die Möglichkeit zu Austausch und Diskussion. Rund 45 Gäste – darunter etliche ehrenamtlich Engagierte – waren der Einladung ins Haus Sankt Ulrich gefolgt.
Mit seiner Enzyklika „Laudato si‘“ verband Papst Franziskus den dringlichen Appell an die Menschheitsfamilie, Verantwortung für das gemeinsame Haus zu übernehmen und sich der Schöpfungsverantwortung zu stellen. Angelika Maucher, Leiterin der Hauptabteilung II: Seelsorge, führte zu Beginn ins Thema ein. Man habe sich für diesen Abend einen Aspekt aus der Enzyklika herausgegriffen: Genügsamkeit oder auch Suffizienz. Die Worte des verstorbenen Papstes Franziskus rührten an unserer Glaubwürdigkeit als Christen, wie jeder/jede Einzelne mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen für sich und andere umginge. Maucher stellte die Frage: „Wann ist es genug? Für mich? Für andere?“ Es werde schwierig bei „für andere“: an wen denke ich zuerst? An die mir Nahestehenden? Meine Kinder? Enkel? Oder auch an die Verteilung im politischen Kontext? Was reicht und wann reicht es? Eine Frage, um die es an diesem Abend gehen sollte, war vor allem die: Wie kann das Bewusstsein dafür gefördert werden, wenn es in einer Gesellschaft vorrangig um schneller, besser und mehr geht?
Drei Statements aus unterschiedlicher Perspektive
Kathrin Schroeder von Misereor bewegt sich weltweit in den Themen Klimapolitik und Gerechtigkeit; sie brachte beim Gesprächsabend ihre Einblicke in die weltweite Situation aus Sicht des Hilfswerkes ein und plädiert an die Weltgemeinschaft. Eine Welt ohne Hunger und Armut sei durchaus möglich, wenn bestimmte Bedingungen geändert würden – für Schroeder die unausweichliche Herausforderung unserer Zeit. Es müsse eine globale Gemeinsamkeit erwirkt werden durch Gesetzesanpassungen und politische Regulierungen. Denn die Grenzen des globalen Wachstums seien messbar und nicht wegzudiskutieren. Schroeder mahnt darum eindringlich, sich mit diesen Grenzen im Zuge der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auseinanderzusetzen und Gerechtigkeit vor allem für diejenigen zu erwirken, die für den Klimawandel am wenigsten können und ihm nichts entgegenzusetzen hätten.
Der CSU-Politiker Markus Ferber rückte den Blick auf das „Zuhause für die Generationen nach uns“ in den Mittelpunkt seiner Botschaft und erläuterte seine Vision, die Kreislaufwirtschaft im globalen und nachhaltigen Handeln zu verstärken und auszubauen. Man sei auf EU-Ebene bereits auf dem Weg dafür zu sorgen, dass Produkte und Materialien langlebiger produziert werden und Rohstoffe aus Produkten besser zurückgewonnen werden können. Auf diesem Weg würde man der inzwischen gängigen Obsoleszenz von Produkten etwas entgegensetzen. Denn Abfall muss minimiert, Lebenszyklen und Werte von Rohstoffen und Produkten müssen so lange wie möglich erhalten werden, resümierte Ferber. Dem Thema Greenwashing setzte er entgegen, dass es auch dort neuer EU-Regelungen bedürfe; so müssten Angaben fundiert und nachvollziehbar sein, Begriffe nicht länger nur verkaufsfördernd. Auf europäischer Ebene sei man sich der zahlreichen und ineinander verwobenen Herausforderungen in diesem Kontext durchaus bewusst und habe die Gänze des Wandels im Blick.
Diakon Markus Müller stellte schließlich in seinen Ausführungen den sozialen Aspekt der Enzyklika Laudato si‘ in den Mittelpunkt: Armut, Not und Einsamkeit der Menschen seien keine Randthemen, vielmehr seien sie in der Mitte unserer Gesellschaft verankert. Die stetig steigende Kluft zwischen Arm und Reich sei gewaltig, mit 15 Prozent der Haushalte an der Armutsgrenze war Deutschland 2022 Spitzenreiter im europäischen Vergleich. Suffizienz setzt Markus Müller darum mit Teilhabe gleich. Er bemängelte, dass bisher der Mut zur sozialen Gerechtigkeit fehle. Alte, kranke und Menschen mit Behinderung müssten gleichermaßen teilhaben können, dafür sei ein politischer und gesellschaftlicher Wandel dringend und schnellstens nötig.
Christen müssen für das "Gemeinsame Haus" tätig werden
Auf die drei Statements folgte ein Austausch in Kleingruppen, in den sich auch die drei Redner einbrachten.
Mehrere Schlussfolgerungen standen am Ende des Gesprächsabends im Raum: Unter anderem muss es Menschen leichter gemacht werden, nachhaltig leben zu können. Um das zu gewährleisten, braucht es zeitnah einen politischen Rahmen. Dieser Standpunkt war von unterschiedlichen Beteiligten herauszuhören. „Wir alle sind gefordert, uns um den Dialog im Miteinander zu bemühen,“ betonte Markus Müller. „Es müssen sämtliche Ebenen, auf denen er stattfinden soll, gefördert werden.“ Eine Teilnehmerin stellte danach die Frage in den Raum, wie diejenigen, für die es „nie genug“ geben kann und die, die ein „genug“ leben, miteinander ins Gespräch kommen können.
Als Fazit dieses angeregten Austausches von Ideen und Meinungen kann festgehalten werden: Gerade wir Christen müssen tätig werden, um unserer Verantwortung und Sorge um das „Gemeinsame Haus“ gerecht zu werden. Die Herausforderungen sind vielfältig und bedürfen eines langen Atems – verbunden mit dem Willen, dem Gedanken von Laudato si‘ im Sinne von Papst Franziskus weiter hartnäckig zu folgen.
Text und Foto: Judith Bornemann