An einem Tisch zusammenkommen
Heute ist es wieder so weit – wir nehmen Platz an der Ulrichstafel! Es freut mich, dass dieses gemeinsame Mahl, das im Rahmen der Feierlichkeiten des Doppeljubiläums geboren wurde, über das Jubiläumsjahr hinaus fortgeführt wird und nun schon das dritte Mal stattfinden kann.
Was in einer idealen Welt nicht sein dürfte, ist leider auch in unserem Land, in unserer Stadt Realität. Berufliche oder gesundheitliche Umstände führen oft allzu schnell zu existenziellen Herausforderungen und sozialen Unterschieden. Heute soll es anders sein! Vom Heiligen Ulrich ist überliefert, dass er für die Bedürfnisse seiner Zeitgenossen stets ein offenes Ohr hatte und mit großzügigem Herzen zu antworten wusste.
Wir dürfen erahnen, dass ihm der Grundgedanke der Ulrichstafel gefallen hätte. Ein Tisch ist mehr als ein praktisches Möbelstück, das sich durchgesetzt hat. Der Esstisch steht nicht nur für das leibliche Wohl bereit, weil dort physische Nahrung aufgenommen wird. Der Tisch ist Ort der Gemeinschaft; dort wird erzählt, gelacht und gestritten, da werden Pläne geschmiedet und es wird diskutiert. Am Tisch hat jeder seinen Platz. Nicht selten gibt es auch in Familien feste Plätze, ohne dass dafür je eine Sitzordnung geschrieben wurde. Und wer Besuch empfängt, ist bemüht, seinen Gästen einen Platz am Tisch zu bieten.
Im Handeln Jesu nimmt die Tisch- und Mahlgemeinschaft eine zentrale Rolle ein. So erhält beispielsweise Zachäus, ein Gauner, unter den empörten Blicken der Stadtbewohner seine Würde zurück, weil Jesus bei ihm als Gast einkehrt. Es ist am Tisch des Abendmahlssaals, wo Jesus nur wenige Stunden vor seinem Tod mit seinen Jüngern das wohl vertrauteste und zugleich folgenreichste Mahl der Geschichte hält. Das gemeinsame Mahl-Halten spielt als liturgische Form im Gottesdienst, aber auch in sozialen Zusammenkünften im Christentum daher bis heute eine zentrale Rolle. Und schließlich spricht Jesus vom Himmel wie von einem großen ewigen Festmahl, bei dem der Mensch aus der Fülle Gottes heraus im tiefen Sinne satt wird. Wie gut also, dass wir heute allen Unterschieden und Problemlagen zum Trotz gemeinsam an den Tischen der Ulrichstafel Platz nehmen!
Auch in Bezug auf Verhandlungspartner spricht man davon, an einen Tisch zu kommen. Nicht selten waren die Nachrichten in den letzten Monaten davon bestimmt, ob es bei diesen und jenen Staatshäuptern noch dazu kommen wird. An einen Tisch kommen heißt auch an einem Strang zu ziehen; und so freue ich mich, dass verbunden mit den Feierlichkeiten der Ulrichstafel heute wieder Dankes-Urkunden an hervorragende Kooperationspartner verliehen werden. Die Liste derer, denen heute gedankt wird, weist eine Zusammenarbeit auf, die im weiten Sinn ökumenisch ist; sie vereint die Kräfte von Stadt und Land, Verbänden und Kirchen. Die Überreichung der Dankes-Urkunden macht deutlich, dass die besten Einrichtungen und Institutionen nichts ohne die Menschen wären, die die ihnen gegebenen Möglichkeiten für das Gute auszuschöpfen wissen.
Momentan sind wir in Augsburg wieder mitten drin in der Ulrichswoche. In diesem Jahr steht sie unter einem Motto, das dem Römerbrief Kapitel 12, Vers 12 entnommen ist: „Fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis.“ Der Fokus liegt nicht nur weltweit auf zahlreichen Krisenherden, auch im privaten Bereich kennt das Leben Bedrängnisse aller Art. Uns alle eint, dass wir im Auf und Ab unserer Zeit nicht aufgeben, den Sorgen und Nöten mit konkreter Hilfe zu begegnen. Wir können Hoffnung spenden! Es gibt immer etwas, was wir miteinander und füreinander zu geben haben. Vergelt´s Gott allen, die das ganze Jahr über in unterschiedlichsten Projekten und Tischgemeinschaften zusammenfinden. Die Ulrichstafel vereint uns heute in großer Runde. Ich danke für die Einladung und bitte Gott um seinen Segen, dass die gemeinsame Feier uns alle an Leib und Seele stärke!