Gott ist Beziehung
Sehr geehrter Provinzial Pater Lukas Temme, liebe Mitbrüder der Klosterkommunität der Passionisten, liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Der Miesberg ist für Schwarzenfelder ein Wahrzeichen und eine weithin sichtbare Landmarke auf dem Weg in die Heimat.Dieser stolze Satz leitet den Artikel zur hiesigen Kirche auf der Website des Marktes Schwarzenfeld ein. Kirche und Kloster auf dem Miesberg sind der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht.
Was der Miesberg für die Schwarzenfelder ist, das ist die Dreifaltigkeit für die Christen. Vor genau 1.700 Jahren fand ein kirchliches Großereignis statt, das diese Landmarke im Gelände des christlichen Glaubens gesetzt hat. Auf dem Konzil von Nicäa, vor den Toren Europas, haben die Konzilsväter begonnen, das bis heute gültige Bekenntnis zu Gott Vater, Sohn und Geist sprachlich zu fassen. Der einzige Gott ist ein Dreieiner. Das bedeutet kurz gesagt: Gott ist Beziehung. Gott ist Liebe. Dieser Glaube hat unsere Geschichte, unsere Kultur und das europäische Wertesystem zutiefst mitgeprägt und geformt. Bereits Papst Johannes Paul II. hat es zur ausdrücklichen Aufgabe der Kirche in unserer Zeit erklärt, „in den Christen Europas den Glauben an die Dreifaltigkeit zu stärken, da (…) dieser Glaube von einer echten Hoffnung für den Kontinent kündet“[1]. Mir scheint der Aufruf an diesem Ort, wo Sie, liebe Passionisten, ein länderübergreifendes Ausbildungshaus haben, besonders passend. Noch dazu ist Euch die Mission ein besonderes Herzensanliegen und ja, Europa braucht Hoffnung! Ich möchte aber nicht nur die Seelsorger in unserer Runde ansprechen. Alle sind dazu gerufen, den Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist zu bezeugen.
Den Glauben an die Dreifaltigkeit vertiefen… Kritisch könnten wir entgegnen, ob wir ausgerechnet das Geheimnis der Dreifaltigkeit zum ausdrücklichen Inhalt unserer Glaubensverkündigung erklären sollten? Ist das nicht eine Herausforderung zu viel?! Reicht nicht der Glaube an die gute Tat und ein allgemeiner Gottesbegriff, freilich mit christlicher Färbung, aus?
Drehen wir den Spieß einmal um! Betrachten wir den dreieinen Gott als mehrspurige Bahn, auf der Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen landen können, um von da aus Schritt für Schritt tiefer zu gehen. Wissen Sie noch, welche Vorstellungen etwa in ihrem Kinderglauben da waren und wie er sich im Laufe der Jahre verändert hat, wie er wachsen durfte? Irgendwo beginnt der einzelne Mensch, nach Gott zu fragen und zu begreifen. Welchen Zugang zu Gott ermöglichen uns die unterschiedlichen Personen der göttlichen Dreieinigkeit? Salopp formuliert - was haben Vater, Sohn und Geist dem Menschen zu bieten? Freilich kann ich im Rahmen dieser Predigt nur einzelne Aspekte aufgreifen.
Der Vater – Heimat und Halt haben
Die erste Lesung aus dem Buch der Sprichwörter bestaunt das Schöpfungswerk Gottes. Im Glaubensbekenntnis ist der Schöpfer auch der Vater. Alles, was ist, geht von ihm aus. Unsere Existenz hängt davon ab. Wir kommen von ihm her und wir gehen dahin zurück. Das definiert Heimat.
Nun hören viele Menschen heute eher ungern, dass sie abhängig seien. Aber jemandem anzuhängen, der es 100% gut mit mir meint, das bietet zweifachen Schutz. Es bietet Schutz von außen: Kein Mensch und kein Regime kann den Platz Gottes einnehmen. Und es bietet Schutz von innen: Wie schnell kann der Mensch heute überfordert sein durch die zahlreichen Optionen und Anfragen, die den Einzelnen heute rund um die Uhr erreichen. An Gott, den Vater glauben dürfen, heißt von jemandem zu wissen, der die Sorge um mich und mein Leben mitträgt. Es hängt nicht alles von mir ab. Das entlastet und schenkt Halt.
Der Sohn – Sinnlichkeit und Sinn finden
„Meine Freude war es, bei den Menschen zu sein“ (Spr 8,31), so spricht die Weisheit in der ersten Lesung; da sie von sich erzählt wie eine Person, wurde sie in der christlichen Lesart des Alten Testaments nicht selten mit Jesus Christus identifiziert. Der Sohn liebt es so sehr, bei den Menschen zu sein, dass er selbst Mensch wurde. Er aß, trank, feierte und weinte. Er ist wahrhaft Mensch und zugleich verraten seine Worte und seine Taten, dass er wahrhaft Gott ist. Jesus Christus zeigt: Gott und Mensch gehen zusammen. Im Sohn begegnet uns ein Gott zum Anfassen, sinnlich wahrnehmbar. Die sinnenfällige Struktur begegnet uns in den Sakramenten der Kirche wieder. Unser Glaube bleibt aber nicht bei der Sinnenfälligkeit stehen. Jesus Christus führt uns vom Sinnlichen zum Sinn. Was seine Menschwerdung verspricht, löst er am Kreuz ein. Himmel und Erde, Gott und Mensch, werden versöhnt. Der Sohn hat Leid am eigenen Leib erfahren - das verweist nicht nur auf die Solidarität Gottes mit allen, die leiden. Erlösung ist mehr als Solidarität. In Jesus Christus nimmt Gott stellvertretend Schuld auf sich. Er zeigt dem Sünder: Du hast immer noch eine Chance bei mir. Der Sohn leidet aus Liebe; das Kreuz Jesu Christi lässt uns daher nicht nur
trotz
leidvoller Erfahrungen Sinn finden, sondern sogarim
Leiden. Diesem Geheimnis fühlt Ihr Euch, liebe Passionisten, besonders nahe. Das spiegelt sich in Eurer Spiritualität.Der Heilige Geist – Gottes Kraft in mir tragen
Ein Geist kann losgelöst von Raum und Zeit agieren. „Er weht, wo er will“ (Joh 3,8). Das verspricht Freiheit. Um ihn zu beschreiben, greifen die biblischen Autoren auf Naturgewalten wie Feuer und Wind zurück. Was er berührt, kommt in Bewegung; er setzt Kraft zur Veränderung frei. All das klingt extrem modern. Und tatsächlich ist der Heilige Geist der Garant dafür, dass Glaube aktuell bleibt. Der Heilige Geist sprengt Grenzen und schafft Verbindungen quer über Kontinente und durch Jahrhunderte hindurch. Das Besondere ist, dass auch der Geist Person ist. Er ist Mutmacher, Anwalt und Tröster; er heilt, heiligt und befreit. Und er wohnt in uns. „Die Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5,5). Der Heilige Geist verleiht uns die Fähigkeit, das Gute zu erkennen und die Kraft, es auch zu tun.
Vielleicht haben Sie in meinen knappen Ausführungen eine „Lieblingsseite“ Gottes entdeckt. Von da aus dürfen wir weitergehen; eine Person der Dreifaltigkeit oder einen Aspekt Gottes hochzuschätzen ist nicht falsch, aber, isoliert betrachtet, doch zu wenig. Die Überlegungen zu Vater, Sohn und Geist ließen sich ausbauen und doch würden wir früher oder später auf immer mehr Querverbindungen stoßen, die zeigen: Vater, Sohn und Geist sind auf Dauer nicht getrennt voneinander zu denken. So muss bei aller Sympathie, die jemand zur Kreativität, Sprengkraft und Freiheitsliebe des Heiligen Geistes hegt, auch dessen Rückgebundenheit an Vater und Sohn betrachtet werden. „Denn“ – wie Jesus im heutigen Evangelium sagt – „er [der Geist] wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.“ (Joh 16,13) Der Geist kann nichts Anderes lehren und wollen als das, was Jesus Christus gelehrt hat und was dem Willen des Vaters entspricht. Es ist der Vater, der den Sohn in diese Welt sendet. Durch den Heiligen Geist wird er Mensch. Es ist der Sohn, der uns den Vater offenbart; der uns spüren lässt: die Ursache der Schöpfung ist nicht
irgendetwas
, sondernjemand.
Von daher lässt sich bereits erahnen, dass die Lehre von der Dreifaltigkeit enorme Konsequenzen für das Menschenbild hat.[2] Ethische und soziale Fragen hängen mit der Gottesfrage zusammen. Der Mensch ist kein Zufallsprodukt; seine Existenz verdankt sich der Absicht einer personalen Liebe. Aus Liebe sind wir ins Dasein gerufen, aus Liebe sind wir erlöst. Auf Beziehung hin ist der Mensch geschaffen. Unsere letzte Heimat ist nicht das Grab, sondern die Rückkehr in ein Vaterhaus. Welchen unglaublichen Wert spricht Gott Vater dem Menschen zu, dass er ihn nicht nur ins Dasein ruft, sondern alles für ihn hingibt: seinen einzigen Sohn, um ihn zu erlösen und seinen Geist, um ihn in seiner Liebe zu erhalten und zu vollenden. Keine geringere Würde wird dem Menschen zuteil als die, die Gott ihm verleiht, und zwar ausnahmslos jedem Menschen!
So wichtig und grundlegend unser Nachdenken über den dreifaltigen Gott ist - es bleibt Stückwerk. Wir können ihn nie ganz begreifen und doch können wir mit Gott in Beziehung treten. Wenn wir beten, dann tun wir das oft mit Hilfe des Kreuzzeichens im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir sprechen nicht mit drei Göttern, sondern mit einem einzigen „Du“[3]. Vater, Sohn und Geist werden zugleich verherrlicht und angebetet. Besonders deutlich wird das in unserer Liturgie. Das Hochgebet richtet sich an den Vater, der durch den Sohn im Heiligen Geist handelt. Wenn wir jetzt gemeinsam Eucharistie feiern, dürfen wir uns bewusstwerden, dass uns darin das Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit unbegreiflich nahekommt.
[1] Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Ecclesia in Europa vom 28. Juni 2003 (VAS 161), Nr. 19.
[2] Vgl. Kurt Koch, Europa und seine geistige Identität. Vortrag beim Institut für Strategische Studien in Budapest am 7. Juni 2021, Nr. 2, abrufbar unter https://www.christianunity.va/content/unitacristiani/fr/cardinal-koch/2021/conferences---2021/europa-und-seine-geistige -identitaet--de-.html (04.06.2025).
[3] Vgl. Bertram Stubenrauch, Ich glaube an den Heiligen Geist, in: IKaZ 42 (2013), S. 572.