Wirkungsfelder des Heiligen Geistes
Liebe jungen Christinnen und Christen,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Komm Heiliger Geist! Das beten und singen wir in diesen Tagen ganz oft. Auch in der so genannten Pfingstsequenz, die dem Evangelium vorausging, haben wir diesen Ruf gehört. Worum bitten wir, wenn wir sagen: Komm, Heiliger Geist? Ganz begreifen können wir den Heiligen Geist nie. Er ist nicht nur Gabe Gottes, sondern zugleich auch selbst göttlicher Natur. Ich will mit Euch in dieser Predigt darauf schauen, wie er sich uns zeigt. Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, beschreibt den Heiligen Geist mit Feuer und Wind.
Es sind Phänomene, die wir in der Natur beobachten können. Feuer und Wind können stark oder schwach auftreten. Sie verändern das, was sie berühren; sie verwandeln oder bringen in Bewegung. Das alles trifft auf den Heiligen Geist zu: Wer mit ihm in Berührung kommt, wird verwandelt oder bewegt. Die Verse der Pfingstsequenz vor dem Evangelium erzählen davon, wie vielfältig der Geist Gottes am Werk ist. 800 Jahre alt ist dieser Text, der eine breite Palette an Erfahrungen wiedergibt, die Christen mit dem Heiligen Geist gemacht haben. Sieben Gaben und zwölf Früchte des Heiligen Geistes werden in der Tradition der Kirche gezählt.
Wer weiß sie? [Interaktion mit jugendlichen Gottesdienstbesuchern; einige beispielhaft sammeln]
Gaben: Weisheit, Einsicht, Rat, Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit, Gottesfurcht Früchte: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Langmut, Sanftmut, Treue, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit und Keuschheit (Selbstbeherrschung)
Der Heilige Geist ist die Weise, wie Gott in der Welt, in der Kirche und in Dir wirkt. Komm, Heiliger Geist! Dieser Ruf drückt eine Sehnsucht aus, Gott näher sein zu wollen. Vielleicht hat auch Dich der Wunsch hierhergebracht, mehr von Gott und vom christlichen Glauben verstehen zu wollen. Der Heilige Geist führt uns tiefer in die Glaubensgeheimnisse ein. Die Tatsache, dass wir existieren, das Gute in der Welt und die Schönheit der Schöpfung – all das lässt uns erahnen, dass es einen Gott gibt. Doch lenkt vieles in unserem Alltag davon ab oder lässt uns zweifeln. Hier sind wir auf den Heiligen Geist angewiesen, er kommt uns zu Hilfe. Er festigt die Gewissheit in uns, dass es Gott gibt und er lässt uns verstehen, wie Gott ist. Noch 2.000 Jahre später können wir Jesus Christus als Sohn Gottes erkennen, ohne ihm je als Mensch begegnet zu sein. Und mehr noch als unseren Verstand will er unser Herz bewegen, sodass wir zu Gott vertrauensvoll Abba, Papa, sagen können. Gottes Geist wirkt im Inneren des Menschen. Ich möchte diesen Punkt noch etwas entfalten.
1. Der Heilige Geist wirkt in uns
Bei unserer Taufe hat er bereits Wohnung in uns genommen. Und dennoch bitten wir in diesen Tagen intensiv darum, dass er kommt. Hat der Heilige Geist uns etwa verlassen? Kann es sein, dass er zwischenzeitlich wieder ausgezogen ist? Nein, so ist es nicht. Wir dürfen uns sicher sein: Was Gott uns einmal zugesagt hat, das nimmt er nicht zurück. Der Heilige Geist wohnt in uns, aber sein Wirken ist kein Automatismus. Er achtet unsere Freiheit. Wir entscheiden über unser Inneres und er verhält sich quasi wie ein höflicher Gast. Ich möchte als Vergleich eine Wohngemeinschaft heranziehen. Ich kann mit Menschen unter einem Dach auf die Weise zusammenleben, dass wir miteinander Zeit verbringen, dass wir uns über Erlebnisse austauschen, uns gegenseitig eine Freude machen und einander unter die Arme greifen. Davon unterscheidet sich eine Zweck-WG, in der sich jeder in seinem Zimmer verkriecht und man jede Begegnung vermeidet, um weder zu stören noch gestört zu werden.
Wie darf der Heilige Geist bei Dir wohnen? Soll er in einer Ecke bleiben, damit er Dich ja nicht stört oder bist Du bereit, Dein Inneres mit ihm zu teilen? Ja, darf er Deiner Seele wie ein guter Freund oder eine gute Freundin sein – ein Freund, eine Freundin, die all das in Dein Leben bringen kann, was wir in der Pfingstsequenz besungen haben? Wenn wir dieses „Komm, Heiliger Geist!“ ehrlich beten, dann drücken wir unsere Bereitschaft dazu aus.
Vielleicht hast Du Dich in diesen Tagen schon für den Heiligen Geist geöffnet und Du erlebst ihn hier ganz neu, gemeinsam mit anderen und in einer besonderen Atmosphäre. Wer eine intensive Glaubenserfahrung macht, darf mit neuem Feuer unterwegs sein. Zugleich ist es wichtig zu wissen, dass der Heilige Geist weit mehr ist als Gefühl. Sein Wirken ist oft sehr viel unscheinbarer als es uns die Apostelgeschichte schildert. Es braucht Zeit, seine Stimme im Alltag auch als sanften Windhauch zu vernehmen, mit dem er uns durchs Leben führen will. Nicht selten wird der Heilige Geist als Friede spürbar, der tief im Innern da ist, obwohl die launische Gefühlswelt gleichzeitig wie wild aufgeschäumtes Meer umherwirbelt. Wie von einem köstlichen Labsal in der Not spricht die Pfingstsequenz vom Heiligen Geist, heute würden wir vielleicht sagen, er ist Balsam für die Seele. Mit dem Heiligen Geist in Verbindung stehen tut der menschlichen Seele gut. Dennoch ist es nicht einfach ein Wellnessurlaub, wenn Du Dich auf eine Freundschaft mit dem Heiligen Geist einlässt. Er achtet Deine Freiheit und Deine Individualität und gleichzeitig fügt er Dich in etwas Größeres ein. Der Geist beschenkt und befähigt uns, damit es allen nützt. Das führt mich zu einem zweiten Ort, an dem der Heilige Geist wirkt.
2. Der Heilige Geist wirkt in der Kirche
Ich habe die Früchte, die der Geist in uns hervorbringt, bereits erwähnt. Güte, Treue, Geduld, Freundlichkeit… Wir schätzen Menschen, die diese Eigenschaften haben; es sind allesamt Qualitäten, die ein gutes Miteinander fördern. Der Ort, ja die Gemeinschaft, wo die Gaben, die Gott gibt, zusammenfließen, ist die Kirche. An dieser Stelle sage ich meinen Dank an die vielen Ehrenamtlichen, die dieses Pfingstfestival von langer Hand planen und das ganze Wochenende über mitanpacken. Vergelt´s Gott für Euren Dienst!
Jede und jeder von Euch hat viel zu geben; und sollte es Dir selbst wenig vorkommen, was Du geben kannst – der Heilige Geist wird darauf aufbauen. Die ganze Kirche lebt von dem, was der Einzelne einbringt und was Gott uns durch den Heiligen Geist schenkt. Wenn ich nachher meine Hände über Brot und Wein ausstrecke, dann ist das keine Zauberei, sondern die Wandlung in Leib und Blut Christi geschieht im Heiligen Geist; wenn Du in der Beichte durch die Lossprechung des Priesters erfährst, dass Gott barmherzig ist, dann geschieht das im Heiligen Geist. Wenn Du merkst, dass die Texte aus der Bibel, die vor Jahrhunderten geschrieben wurden, Dein Leben und Deine Gottesbeziehung heute treffen, dann ist der Heilige Geist am Werk. Jesus hat seinen Jüngern den Heiligen Geist zugesagt, damit sie und alle Generationen nach ihnen in Verbindung mit ihm bleiben. Vielleicht lebst Du in einem Umfeld, dass nur noch eine schwache Verbindung zu Gott zu haben scheint. Das führt uns zum dritten und letzten Punkt.
3. Der Heilige Geist wirkt durch Dich in der Kirche für die Welt
Vielleicht fällt es Dir manchmal richtig schwer, Dich zu Jesus und zur Kirche zu bekennen. Auch den Jüngern Jesu erging das so. Sie hatten zwar den klaren Auftrag Jesu, die Frohe Botschaft in die ganze Welt zu tragen, aber sie trauten sich nicht mal vor die eigene Haustür. Die erste Zeit war von der Angst geprägt, dass es ihnen an den Kragen geht, wenn sie es wagten, anderen von Jesu Tod und Auferstehung zu erzählen. Ihre Angst war berechtigt – aber Pfingsten hat alles verändert. Es ist der Heilige Geist, der die Jünger befähigt hat, von Gott in Sprachen zu reden, die von den unterschiedlichsten Menschen verstanden wurden. In unserem Fall mag der eine mehr Taktgefühl, die nächste mehr Mut, wieder ein anderer mehr Tatkraft brauchen. Wir sind verschieden und jeder von uns stößt an seine ganz eigenen Grenzen. Gott weiß, was uns fehlt, dass wir im Glauben wachsen und zum Segen für diese Welt werden können. Dieser Pfingsttag lädt uns sein, dem Heiligen Geist zu vertrauen, dass er da wirken kann, wo ich mich selbst als arm und schwach erlebe.
Ich möchte mit den Worten enden, mit denen der Auferstandene im Evangelium in die Mitte seiner Jünger tritt und die uns Papst Leo XIV. vor einem Monat von der Loggia des Petersdoms aus zugerufen hat: Friede sei mit Euch! Wir müssen leider allzu deutlich mitansehen, dass die weltlichen Mächte nicht im Stande sind, Frieden zu halten. Hören wir nicht auf, gemeinsam um den Frieden für die verschiedenen Kriegs- und Krisenherde der Welt zu beten. Denn wo der Geist des Herrn ist, da herrscht Frieden. Fangt heute neu an als Freundinnen und Freunde des Heiligen Geistes zu leben, damit Ihr den Frieden in Euren Herzen tragen könnt und Gott durch Euch das Angesicht dieser Welt erneuern kann. Komm, Heiliger Geist! Die Welt und die Kirche, wir brauchen Dich. Amen.