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Wichtiges
Predigt im Pontifikalgottesdienst in St. Vitus Balzhausen mit Weihe der neuen Glocken für die Leonhardskapelle

Marias guter Rat

09.11.2025

Lieber Herr Pfarrer Bach, liebe Schwestern und Brüder, heute feiert die ganze Pfarreiengemeinschaft Mindeltal mit der Gemeinde Balzhausen und besonders mit allen, die rund um die Leonhardskapelle wohnen, ein Fest der Freude und Dankbarkeit: Denn gut 300 Jahre nach der Erbauung der Kapelle werden zwei Glocken geweiht, die in Zukunft die Ohren und Herzen der Menschen zu Gott hinlenken sollen - wie es auch der Intention der anonym bleibenden Spender entspricht.

Ihnen von dieser Stelle aus ein herzliches Vergelt‘s Gott dafür, dass Sie so großzügige und fröhliche Geber (vgl. 2 Kor 9,7) sind!

Glocken gehören von Anfang an zu den bezeugten liturgischen Geräten im Christentum: Schon die Mönche aus Irland und Schottland nutzten auf ihrer Pilgerschaft Handglocken, mit denen sie in den Dörfern und Weilern zum Gebet zusammenriefen und der heilige Franziskus von Assisi regte nach seinem Besuch beim Sultan im Jahre 1219 dazu an, dass die Kirchenglocken dreimal am Tag zum Gebet, nämlich zum Engel des Herrn, einladen sollten.

Seit mehr als tausend Jahren strukturieren also Glocken unseren Tag, rufen zu Gebet und Gottesdienst und begleiten die Höhepunkte unseres Lebens: Sie läuten zu Taufe, Erstkommunion und Firmung, zu Hochzeiten und Begräbnissen. Wir Menschen brauchen im Alltag solche akustischen Erinnerungsmomente, um innezuhalten und still zu werden, um uns zu vergewissern, wer wir sind und was unser Auftrag ist.

Der Theologe Johann Baptist Metz hat einmal auf die Frage, was die kürzeste Definition von Religion sei, geantwortet: „Unterbrechung“. - „Halt an, wo laufst Du hin?“, die alte Frage des schlesischen Barockdichters Angelus Silesius – sie ist die Frage, die uns die Glocken ins Herz läuten wollen! Machen wir es uns daher zu einer lieben Gewohnheit, beim Klang der Glocken unser Woher und Wohin zu überdenken und wir werden spüren, wie uns das unmerklich verwandelt…

Zugleich feiert die Kirche heute auch den Weihetag der Lateranbasilika, der Mutterkirche des ganzen Erdkreises, und Sie hier gedenken des heiligen Leonhard als des Patrons Ihrer Leonhardskapelle. Es ist schön, dass wir geradezu einen Blumenstrauß von Festen zusammenbinden können, von dem jede einzelne Blüte es wert wäre, näher betrachtet zu werden!

Darüber hinaus wird uns im Evangelium ein Hochzeitsfest vor Augen gestellt, bei dem Jesus gewissermaßen sein Incognito lüftet und „sein erstes Zeichen“ wirkt, wie es der Evangelist nennt. Vordergründig hilft hier der Gast mit der Verwandlung von Wasser in Wein dem Bräutigam als Gastgeber aus der Patsche; doch für diejenigen, die in dem „Sohn des Zimmermanns“ (Mt 13,55) den „Sohn Gottes“ (Joh 1,34) erkennen, ist dieses Wunder der Auftakt der Verkündigung der Frohen Botschaft.

Kernsatz der Episode ist dabei der Rat Mariens an die Diener: „Was er euch sagt, das tut!“ Im Johannesevangelium ist dies der erste und einzige Satz, der von der - hier immer namenlos bleibenden - Mutter Jesu überliefert wird.[1] Durch ihre Anwesenheit und die Übernahme der Rolle als Vermittlerin zwischen den Dienern und ihrem Sohn, für dessen göttlichen Ursprung sie als seine Mutter die beste Gewährsfrau ist, wird sie der johanneischen Christen­gemeinde als Brückengestalt vor Augen gestellt: „Was er euch sagt, das tut!“ Diese mütterliche Empfehlung gilt auch heute - für jeden von uns.

Die Diener im Evangelium haben sich danach gerichtet und kamen gehorsam dem - gelinde gesagt – seltsamen Auftrag Jesu nach: „Füllt die Krüge mit Wasser!“ Wenn man sich die riesigen antiken Amphoren vorstellt und die Anstrengung vergegenwärtigt, die es kostet, mit einem Holzeimer Wasser aus der Tiefe eines Brunnens zu holen, dann ahnt man wie schweißtreibend diese Arbeit war, echte Sklaventätigkeit! Und dann standen sie da, „die sechs steinernen Krüge“ – inhaltsschwer und unverrückbar. Deshalb mussten die Diener nochmals in ein kleines Gefäß abschöpfen, um das Getränk dem verantwortlichen ‚Eventmanager‘ zur Verkostung anzubieten.

Was ging währenddessen wohl in den Dienern vor? Fühlten sie sich wie jemand, von dem man zur Belustigung der Menge einen Drahtseilakt verlangte, der lebensgefährlich war? Oder machten sie gute Miene zum bösen Spiel, weil sie ihr Sklavendasein bereits verinnerlicht hatten und wussten, dass Prügel ihr tägliches Los waren?

Wie ginge es mir in einer solchen Situation?

Tatsächlich sind wir gegenüber den Dienern damals in Kana kaum im Vorteil: Wir sind zwar getauft und verstehen uns als gläubige und praktizierende Christen, doch wenn es gilt, einen Schritt ins Ungewisse, scheinbar Unrealistische, ja Unmögliche zu wagen, dann zögern wir unwillkürlich und Zweifel kommen auf, ob das, was die Kirche, die Heiligen und hier die Gottesmutter Maria empfiehlt, wirklich „eine gute Idee“ ist: „Was er euch sagt, das tut!“ – Sollen wir, soll ich wirklich…??

Ich nehme an, Ihnen allen kommen ähnlich knifflige Situationen in den Sinn, in denen ihr Glaube auf den Prüfstand gestellt wurde, aber unbedingt eine Entscheidung gefällt werden musste. – In solchen Momenten ist es gut, wenn man sich einem vertrauten Menschen gegenüber öffnen kann und gemeinsam Licht ins Dunkel des Zweifels und der Angst zu bringen versucht. Auch die Diener haben sicher ihre Fragen einander mitgeteilt, während sie geduldig das Wasser schöpften. Sie haben sich das Gesicht Mariens vergegenwärtigt und die Haltung Jesu, seine vielleicht überraschende Zugewandtheit, mit der er sie ansah. Gemeinsam fassten sie Mut, erfüllten den Auftrag, ohne zu wissen, was kommt - und wurden so Zeugen eines überwältigenden Wunders: Sie waren Mitwisser (Joh 2,9b), ja mehr noch Mitwirkende des Unerklärlichen. Denn sie hatten ja das Wasser geschöpft, das zu Wein geworden war. Aus den Dienern waren so unvermittelt Cooperatores Dei, Mitarbeiter Gottes, geworden!

Das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums an uns: Lassen auch wir uns ein auf den Rat der Muttergottes: „Was er euch sagt, das tut!“ Trauen wir Jesus zu, dass er gänzlich aussichtslose Situationen verwandeln kann, dass Zuversicht und Hoffnung nicht umsonst sind! Der Klang der neuen Glocken der Leonhardskapelle möge uns in diesem Glauben stärken: Denn „für Gott ist nichts unmöglich!“ (Lk 1,37)

[1] Vgl. Silke Petersen: Maria, Mutter Jesu: „Im Johannesevangelium wird der Name der Mutter Jesu an keiner Stelle genannt, sie tritt aber zweimal als ‚Mutter Jesu‘ auf (Joh 2,1-12Joh 19,25-27) und wird einmal erwähnt (Joh 6,42). Wie bei Markus fehlen Vor- und Geburtsgeschichten oder Hinweise auf die Jungfräulichkeit Marias auch bei Johannes.“ In: Maria, Mutter Jesu - www.die-bibel.de