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Wichtiges
Predigt von Bischof Bertram anlässlich der Jahrestagung des Cäcilienverbands in Augsburg

Der selige Pater Rupert Mayer SJ und die Musik

03.11.2025

Wer den Lebenslauf von Pater Rupert Mayer kennt, muss zugeben, dass die Verse der heutigen Schriftlesungen dem seligen Apostel von München wie auf den Leib geschnitten sind. Wie ein guter Hirt stellte er sich furchtlos vor die ihm anvertraute Herde und nutzte seine Predigttätigkeit, um wiederholt und offen anzuprangern, was dem Evangelium widersprach. Unbequem, ja unerträglich waren die Worte dieses Jesuiten in den Ohren der Nationalsozialisten. Mehr als einmal erhielt Pater Rupert Mayer Rede- und Predigtverbot; mehr als einmal widersetzte er sich und nahm dafür Schikane und Verhaftung in Kauf. Ums Leben gekommen ist er am Ende nicht durch die gewaltsamen Hände derer, die ihm so viel Leid zugefügt hatten, sondern in Folge eines Schlaganfalls, den er mitten in der Predigt zum Allerheiligenfest 1945 erlitt.

Pater Rupert Mayer verkündete bis zum letzten Atemzug und doch hängt die Stärke seines Zeugnisses nicht allein von dessen Wortgewalt ab. Ich denke etwa an seinen Koffer, der stets gepackt war, um im Falle der Inhaftierung durch die SS vorbereitet zu sein, oder die überlieferten Gebete, die auf seine tiefe Christusbeziehung schließen lassen und nicht zuletzt an sein soziales Engagement, das er unter anderem am Münchner Hauptbahnhof ausübte. Selbst als er sich dem Predigtverbot beugte, wusste er die Frohe Botschaft weiter zu verkünden. Sein Lebens- und Glaubenszeugnis erklingt mehrstimmig.

Diese Art von Mehrstimmigkeit wird heute dringend gebraucht. Die gesunde Lehre fördernd, mitunter mahnend soll die Verkündigung sein, so haben wir im zweiten Brief des Timotheus gehört. Belehrung von der Kanzel, von oben herab, scheint mir dafür nicht zielführend. Ziehen wir das Johannesevangelium hinzu: Wie Schafe ihrem Hirten folgen, so sind wir als Christen aufgerufen, der Stimme Jesu nachzugehen. Das hat mit Vertrauen zu tun; die Schafe haben erfahren, dass es der Hirt gut mit Ihnen meint - dann darf der Weg auch mal etwas steinig werden und der Inhalt anspruchsvoll sein. Das muss in jedem Menschen im eigenen Tempo heranreifen. Aber wie wird der Mensch heute überhaupt noch auf die Stimme Jesu aufmerksam?

Predigtkunst allein genügt da nicht. Verkündigung braucht mehrere Kanäle und Ausdrucksformen. Sie muss der Vielschichtigkeit des Menschen entsprechen. Eine nicht wegzudenkende Art und Weise der Verkündigung ist die Kirchenmusik. Musik spricht den Menschen ganzheitlich an; sie bewegt Herz, Wille und Verstand, ja mitunter sogar das Tanzbein. Wo Worte nicht hinreichen, da bahnt sie sich einen Weg.

Ich möchte das Gesagte mit Rückgriff auf zwei literarische Werke veranschaulichen, die die Wirkmacht der Musik im Zusammenhang mit der heiligen Cäcilia unterstreichen. In der Erzählung Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik führt uns der Schriftsteller Heinrich von Kleist ins Zeitalter der Konfessionalisierung, in das ausgehende 16. Jahrhundert. Wir befinden uns in Aachen am Dom. Im Innern beginnen die Schwestern des Klosters der heiligen Cäcilia die Fronleichnamsliturgie zu feiern. Außen rotten sich Bürger der Stadt zusammen, um die Kirche nach Vorbild niederländischer Bilderstürmer zu zerstören. Die wild Entschlossenen warten auf das Zeichen ihrer vier Anführer, als im Innern unter der Leitung der Kantorin der Schwesterngemeinschaft das altehrwürdige Gloria erklingt. Doch das Zeichen bleibt aus. Durch die Musik im Inneren berührt, lassen die vier Männer nicht nur von ihren Plänen ab, die Kirche zu stürmen; sie verfallen in tiefe Andacht und werden bis an ihr Lebensende nicht müde, selbst jenes Gloria anzustimmen. Eine weitere Pointe der vielschichtigen Erzählung, die ich hier nur im Ausschnitt skizziert habe, besagt, dass jene Chormeisterin die heilige Cäcilia selbst gewesen sein muss, da die Kantorin des Klosters schwer erkrankt in ihrer Zelle lag.

Eine ähnliche Wirkmacht schreibt der englische Dichter John Dryden unserer Patronin zu. Aus seiner Feder stammt die Ode zur Ehre der heiligen Cäcilia mit dem Titel Das Alexanderfest oder Die Macht der Musik, die von Georg Friedrich Händel vertont wurde. Im Fokus steht zunächst Timotheus. Damit ist nicht der Empfänger der Paulusbriefe gemeint, sondern ein Begleiter Alexanders des Großen, der allein durch seine Musik sowohl Zorn als auch Sanftmut zu erzeugen wusste. Überboten wird seine Fertigkeit jedoch von der Gesangeskunst der heiligen Cäcilia; zusammengefasst bildet dieses Urteil den Schlussvers der Ode: „Er hob den Menschen himmelan, von Gott kam ihr Gesang.“[1]

Der heiligen Cäcilia wird zugesprochen, sogar den Himmel auf Erden herbei singen zu können. Aus solchen Zeilen spricht die Erfahrung, dass Klangwelten mehr sind als Ohrenschmaus; sie sind Brücken in die geistige Welt.

Liebe Schwestern und Brüder, sehr geschätzte Mitglieder des Cäcilienverbands, Musik hat Kraft. Sie vermag den zerstreuten Geist zu sammeln, mitten ins Herz zu treffen und den menschlichen Willen zum Guten zu bewegen. Wenn Musik im Dienst der Kirche und zur Ehre Gottes steht, dann schmälert das ihren Wert nicht. Musik hat nicht weniger Kraft, wenn sie sich vom Heiligen Geist inspirieren lässt. Von Pater Rupert Mayer wird erzählt, dass er so manches Mal auf der eigenen Violine spielte, ehe er seine Predigtgedanken zu Papier brachte.

An dieser Stelle sage ich Ihnen mein herzliches Vergelt´s Gott, dass Sie ihre Fähigkeiten für Gott und Menschen einsetzen. Sie berühren damit alle Grundvollzüge der Kirche. Ein besonderes Augenmerk liegt vom Beginn ihrer Verbandsgeschichte an auf der Liturgie. Sie machen die Stimme Gottes hörbar und verleihen der Antwort der Gläubigen Ausdruck. Hinzu kommt das karitative Potential und das nicht nur im Rahmen von Benefizkonzerten. Durch Ihre Arbeit mit Chören, Kapellen, Bands und Orchestern ermöglichen Sie es, dass unterschiedlichste Menschen die eigenen musikalischen Fähigkeiten entdecken, entwickeln und einbringen können. Musik schafft Gemeinschaft und verfügt dabei über die hohe Kunst, die verschiedenen Stimmen zu einem harmonischen Ganzen zu vereinen. In dieser Zeit der Polarisierung in Kirche, Gesellschaft und Politik wird uns die Mehrstimmigkeit eines Chores, der in Harmonie zusammenfindet, zu einem Vorbild für Einheit. Und einen letzten Wesenszug von Kirche möchte ich in diesem Kontext ansprechen. Es ist der Auftrag des Auferstandenen, die Frohe Botschaft in die ganze Welt zu tragen. Kunst und Musik verfügen über eine Sprache, die über den kirchlichen Binnenraum hinausstrahlt. Nicht selten füllen sich Kirchen mehr für Konzerte als für Gottesdienste. Es liegt an uns, diese Gelegenheiten pastoral einzu­betten, damit Menschen heute durch die Musik die Stimme Jesu anklingen hören.

Verkündigung, Liturgie, Gemeinschaft und Diakonie - dafür steht die Kirchenmusik und darin mögen Sie sich als Mitglieder des Cäcilienverbands mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung wiederfinden. Mir bleibt es, Ihnen dafür allzeit das rechte Fingerspitzengefühl zu wünschen, sowohl im Umgang mit Ihren Instrumenten als auch mit den Menschen, mit denen und für die Sie arbeiten. Möge der Heilige Geist Ihr Tun inspirieren, begleiten und vollenden!

Messformular: Seliger Rupert Mayer, Ordenspriester
Schriftlesungen: 2 Tim 4,1-3; Joh 10,11-16

 

<a href="#_ftnref1" name="_ftn1" title="">[1]</a> Englische Fassung: <em>He raised a mortal to the skies, She drew an angel down!</em>