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Wichtiges
Predigt von Bischof Dr. Bertram Meier im Hohen Dom zu Augsburg am Fest Darstellung des Herrn (02. Februar 2025)

Praesentatio Domini: den Menschen Jesus zeigen

02.02.2025

Das Bild der Muttergottes von Tschenstochau hat eine doppelte Geschichte, deren Geheimnis bis heute nicht ganz geklärt ist. Es gibt eine Tradition, die von der Legende umhüllt ist, und eine zweite Version der Kunsthistoriker, die den wirklichen Ursprung dieses ungewöhnlichen Bildes herausfinden wollen.

Nach der Legende wurde das Bild, das sich heute auf Jasna Góra (heller Berg) befindet, vom Evangelisten Lukas auf dem Tischbrett gemalt, an dem Maria gebetet und gegessen haben soll. Aus Jerusalem sei es über Konstantinopel und Russland im Jahre 1382 nach Tschenstochau gebracht worden. Für die zweite Version gibt es verschiedene Ansichten: Während die einen behaupten, das Bild sei in der Zeit zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert gemalt worden, gehen andere davon aus, dass es zu Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden sei. Wir fragen nicht nach Ursprung und Künstler, sondern nach der Botschaft des Bildes, das die Spiritualität nicht nur des polnischen Volkes so nachhaltig geprägt hat.

Praesentatio Domini - Darstellung des Herrn. Vierzig Tage nach der Geburt des Kindes sollen es die Eltern in den Tempel bringen, um es dem Herrn zu weihen. So will es das Gesetz (vgl. Lev 12). Mit dem Gang in den Tempel erfüllt Maria zusammen mit Josef nicht nur ihre religiöse Pflicht, sondern erkennt eine grundlegende Tatsache an: „Dieses Kind gehört gar nicht allein mir. Eigentlich gehört es Gott. Von ihm habe ich es als Geschenk und als Leihgabe empfangen. Und irgendwann, wenn es älter geworden ist, werde ich dieses Kind hergeben müssen, damit es sein eigenes Leben führen kann. Denn das Kind ist ein Kind Gottes.“

Mit dieser Haltung stellt Maria ihren Sohn im Tempel dar: Praesentatio Domini. Auf dem Bild hält sie, die große Lauschende mit dem verschlossenen Mund, das Leben im Arm, das Gott ihr in den Schoß gelegt hat. Es scheint nicht mehr das kleine Kind in der Krippe zu sein. Viel eher fühlt man sich an den zwölfjährigen Jesus erinnert, der mitten unter den Lehrern im Tempel sitzt, zuhört und Fragen stellt (Lk 2,41-52). Sein Kleid gleicht einem Philosophenmantel. Das Buch mit dem lebendigen Wort hält er in der Linken - er, der selbst das Wort ist, Gottes unwiderrufliche Zusage an die Welt, geboren aus Maria der Jungfrau. Der Segensgestus seiner rechten Hand macht ihn als den sichtbar, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden (Mt 28,18).

Maria stellt ihren Sohn auch Simeon und Hanna vor und legt ihn in die Hände der beiden alten Propheten: Praesentatio Domini. Sie darf ihren Sohn nicht festhalten. Das wird ihr immer wieder gesagt: schon im Zeugnis des Simeon „Dir selber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35), dann in der Begegnung im Tempel „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49), bei der Hochzeit zu Kana „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4), bei seinem öffentlichen Auftreten „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ (Mt 12,48), schließlich unter dem Kreuz „Frau, siehe dein Sohn!“ (Joh 19,26). Marias Jawort ist ein Ja zu einem unbekannten Weg, der Schmerz und Leid, aber immer auch neues Vertrauen kennt. Sie lernt, dass Liebe und Leiden zusammenwohnen in dem, den sie austragen durfte und weiter mittragen soll.

Bis heute tut Maria das, was auf dem Gnadenbild ausgedrückt ist: Ihre rechte Hand weist auf Jesus hin, das Zeichen, dem widersprochen wird und an dem die Geister sich scheiden. Praesentatio Domini: Jesus den Menschen präsentieren, auf ihn zeigen und hinweisen, was Er unserer Zeit zu sagen hat. So wird Maria Modell der Kirche. Der Kirche ist es aufgetragen, nicht sich selbst möglichst gut zu präsentieren, sondern den Menschen Jesus zu zeigen. Versuchungen locken oft mehr: das Bauen auf sich selbst, auf die eigene Kraft der Selbstdarstellung und den Magnetismus der Beliebtheit, das Appellieren an den menschlichen Ehrgeiz und das Setzen auf Methodik und Kompetenz. All das für sich genommen führt zur Entmutigung. Denn Leerlauf trotz Vollgas hält auf Dauer keiner aus. Wie oft bewertet man „die heutigen Apostel“ vornehmlich nach ihrer Fähigkeit, ausgeklügelte Konzepte zu erstellen, perfekte Organi­sationspläne auszuarbeiten und randvolle Terminkalender zu bewältigen. Dabei wird leicht vergessen, dass es die Treue gegenüber der Gnade, die geistliche Verfügbarkeit und die glaubwürdige Zeugenschaft für die rechte Lehre sind, auf die es entscheidend ankommt bei der Praesentatio Domini.

Die Gottesmutter im Blick betet die Kirche:

Maria, zeige uns Jesus, das Brot des Lebens,
nicht nur das Sahnehäubchen, das unser Leben versüßt.

Zeige uns das Licht der Welt,
nicht nur einen Blitz, der nach einem Augenblick wieder erlischt.

Zeige uns die Tür ins Reich Gottes,
nicht die vielen Pforten, die nur Kulisse sind.

Zeige uns den guten Hirten,
nicht nur einen Knecht, der die Herde in enge Pferche sperrt.

Zeige uns den Weg,
nicht die Hintertreppe, auf der man sich nach oben schleicht.

Zeige uns die Wahrheit,
nicht die Tricks, um sich durchs Leben zu schlagen.

Zeige uns das Leben,
kein Trostpflästerchen, um auf dieser Erde über die Runden zu kommen.

Was Maria getan hat, ist Sein und Sendung der Kirche: Darstellung des Herrn - und das nicht nur am Fest der Praesentatio Domini.