„Seien wir Posaunen Gottes!“
Liebe Tödtenrieder, liebe Schwestern und Brüder, voll Dankbarkeit feiern wir heute die Grundsteinlegung dieser prachtvollen Kirche vor 300 Jahren. Der Vorgängerbau war zu klein geworden und überdies baufällig. Aus diesem Grund hat man alle Anstrengungen auf sich genommen, damit dieser Kirchenbau als ein weithin sichtbares Zeichen des Glaubens entstehen konnte. Ihnen ist dieser wunderbare Kirchenraum, dieser heilige Ort, wohl vertraut trotzdem möchte ich es wagen, Ihren Blick zu lenken auf ein Detail der Kirchenausstattung, nämlich auf den Posaune spielenden Engel auf dem Schalldeckel der Kanzel.
Das Instrument der Posaunen bzw. der Trompeten[1], ohne jetzt genauer auf die Unterschiede einzugehen, spielen in den biblischen Texten immer wieder eine Rolle. Vorwiegend wurden sie als Signalinstrumente für freudige Gelegenheiten wie der Thronbesteigung eines Königs, aber auch bei Gefahr und zur Sammlung des Heeres im Krieg verwendet. In den Texten des Neuen Testaments werden die Auferweckung der Toten (vgl. 1 Kor 15,52), insbesondere aber die Gerichtsszenen im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes (vgl. Offb 8,2-9,14), von Posaunenklängen begleitet. Der sogenannte „Tubaengel“ ist also Stimme Gottes, Signalgeber der Botschaft Gottes. Gerade wenn er, wie hier, auf dem Schalldeckel der Kanzel erscheint, dem Ort, an dem Gottes Wort in den vergangenen Generationen verkündet und ausgelegt wurde, so will uns das sagen: Hört genau hin auf das Wort Gottes!
Eine, die genau hingehört hat und die sich von Gottes Wort in besonderer Weise hat ansprechen lassen, war die Gottesmutter Maria. Sie ist in diesem wunderbaren, harmonischen Kirchenraum gleich an mehreren Stellen präsent. Sie hat ihr „Ja!“ gesprochen zum Heilsplan Gottes. Sie, die Mutter unseres Herrn Jesus Christus, hat ihn auf seinem Lebens- und Leidensweg begleitet. Traurig, aber hoffnungsvoll in Erfüllung seiner Verheißungen hielt Maria ihren Sohn Jesus Christus am Ende seines Lebens in ihren Armen, wie es das altehrwürdige Vesperbild im Hochaltar zeigt. Und so wie Maria ihr „Ja!“ gesprochen hat, sind auch wir immer wieder gefordert, unser persönliches „Ja!“ zu Jesus Christus zu sprechen. Der Weg Mariens ist letztlich auch der Weg eines jeden Christen. An ihr sehen wir, was uns als Glaubende erwartet, der Eingang in die himmlische Herrlichkeit, so wie es das Gemälde der Himmelfahrt Mariens im Chorgewölbe zeigt.
Neben Maria möchte ich auf eine weitere Gestalt eingehen, die von Gottes Wort angerührt und quasi „Sprachrohr Gottes“ war: die heilige Katharina von Alexandrien. Sie wurde selbst zur „Posaune Gottes“! Sie hielt mit der lebensbejahenden Botschaft nicht hinterm Berg, sondern posaunte sie hinaus in die Welt! Im Verlauf der 300-jährigen Geschichte dieses Gotteshauses wollte die Pfarrgemeinde ihrer Kirchenpatronin stärkeres Gewicht geben. So wurde mit dem neuen Hochalter eine Darstellung der Märtyrin im Altarblatt erwirkt. Der Tradition nach – sie lebte an der Schwelle vom 3. zum 4. Jahrhundert – bekehrte sich die aus Zypern stammende, schöne und kluge Königstochter zum Christentum. Viele Verehrer hielten um ihre Hand an. Doch sie gab ihnen einen Korb mit dem Verweis, dass ihr im Traum die Muttergottes mit dem Kind erschien; Jesus selbst habe ihr den Ring der Verlobung angesteckt. Bekannt ist der Disput der hl. Katharina mit den 50 besten heidnischen Philosophen der damaligen Zeit. Überraschend der Ausgang: sie widerlegte nicht nur alle vorgebrachten Argumente zugunsten des Christentums, sondern die Philosophen bekehrten sich zum christlichen Glauben, woraufhin die Gelehrten vom damaligen Kaiser (Maxentius) getötet wurden. Dieser und alle weiteren Versuche, die hl. Katharina vom Glauben abzubringen, scheiterten an ihren besseren Argumenten.
Was zeichnete diese Heilige aus? Ich denke drei Aspekte sind hier zu nennen: Da ist zum einen (1) ihre Weisheit, ihr Wissen um den christlichen Glauben. Der Disput zeigt: Der christliche Glaube ist nicht bloß eine frömmelnde, ritualisierte Religion von Dümmlingen, die einem „Hirngespenst“ irgendeines dahergelaufenen Mannes aus Nazareth mit Namen Jesus nachjagen. Kein naiver Glaube, sondern ein Glaube, der vernünftig, verstehbar, nachvollziehbar ist. Wie Katharina mussten die Christen von Anfang an die Glaubensinhalte gegenüber heidnischen Vorwürfen von außen verteidigen. Zum anderen (2) war sie rhetorisch stark. Sie konnte sicher argumentieren, authentisch reden und damit letztlich überzeugen. Und schließlich ist da (3) ihre Standhaftigkeit. Sie hatte Jesus kennen gelernt und den Glauben an ihn als sinnstiftenden, tragenden Grund für ihr Leben entdeckt. Sie ließ sich nicht von ihren Gegnern einschüchtern, sie ist nicht umgefallen.
„Katharina mit dem Radl“ – ein Verweis auf ihr Martyrium – war als „heiliges Madl“ von dem erfüllt, was der Apostel Paulus in der eben gehörten Stelle aus dem Römerbrief festhielt. Es ist jener liturgische Lesungstext, der am Festtag der Heiligen am 25. November vorgesehen ist: Durch den Tod Jesu am Kreuz wurde uns Menschen die Vergebung geschenkt und damit Versöhnung und Frieden mit Gott. Dieser ist auch der Grund für unsere Hoffnung, dass wir eingehen dürfen in die Herrlichkeit Gottes, in die glückseligmachende Gemeinschaft mit ihm. Die heilige Katharina bezeugte diese Hoffnung sogar bis in den Martyriumstod hinein.
Was also können wir von dieser außergewöhnlichen Frau lernen? Welchen Gewinn können wir für unser persönliches Glaubensleben aus ihrer Lebensgeschichte ziehen? Jede und jeder von uns kennt dieses Erfahrungen von „Bedrängnis“, gegen alle Anfragen, Kritik und Widerstände zu seinem Glauben zu stehen – im Freundeskreis, am Arbeitsplatz oder oft genug auch in der eigenen Familie. Weil wir aber, wie Paulus es ausgedrückt hat, die Hoffnung haben und von dieser erfüllt sind, können wir beruhigt sein, wir können geduldig ausharren. Und wir dürfen sicher sein, dass wir von ihm geliebt sind! Wir sind nicht allein, wir dürfen um den Beistand des Heiligen Geistes wissen! So braucht uns nicht bang zu sein.
Sicher war die hl. Katharina mit außerordentlichem Scharfsinn und besonderen Begabungen gesegnet, aber wir sehen an ihr auch: Ich kann nur das bezeugen, von dem ich auch weiß! Es geht also auch um das Wissen um den Glauben, um die Inhalte. Es geht um die Auseinandersetzung damit in der Begegnung mit Gott, in der Pflege und weitergehenden „Reifung“ im Gebet. Hören Sie also hin auf das Wort Gottes – der Posaunenengel verweist mahnend darauf. Lassen Sie Gottes Wort in sich nachklingen, gehen Sie mit diesem durch den Alltag. Und üben Sie ein, diesen Glauben ins Wort zu bringen. Werden wir als Christen sprachfähig(er), unseren Glauben auszudrücken. Nutzen Sie spontane Gelegenheiten zum Austausch über den eigenen Glauben bis hin zu den verschiedenen spirituellen Angeboten (Bibelkreis, Glaubensgespräche, Einkehrtage o.ä.); das kann aber auch das (regelmäßige) Beichtgespräch sein.
Liebe Festgemeinde, es ist beachtlich und Sie können bis heute stolz sein, dass hier zwei Generationen nach dem Dreißigjährigen Krieg ein hochbarocker Neubau samt Ausstattung errichtet wurde, der unter den zeitgenössischen Landkirchen seinesgleichen sucht. Dies ist Auftrag und Verpflichtung zugleich, das Erbe sorgfältig zu pflegen, und das eben nicht nur in baulicher Hinsicht, sondern diesen Ort mit Leben zu erfüllen, an dem der Glaube gefeiert wird, an dem man Kraft schöpft, um aus der Gnade Gottes heraus den Glauben zu bekennen und aus ihm heraus hinauszuwirken in die Welt. Von seiner Botschaft ergriffen, sollen wir selbst Verkünder des Wortes Gottes sein. Spielen wir Gottes Melodie! Laut und hörbar, ja, aber nicht triumphalistisch! Im Zusammenspiel wohlklingend, aber nicht disharmonisch. Seien wir Posaunen Gottes! Amen.
[1] Das Alte Testament unterscheidet zwischen Posaunen (hebr. schophar) und Trompeten (hebr. chazozerah). Während die „Posaune“ (ein Schophar ist ein Widderhorn) dumpf tönt, klingt die Trompete (aus Silber) hell und schmetternd.
In christlicher Ikonographie spricht man vom sog. „Tubaengel“, wobei die Bezeichnung Tuba nach der Vulgata für alle trompetenähnlichen Instrumente verwendet wurde, also auch für das Horn, den Schofar, und für die Trompete selbst.