„Diene aus der Kraft, die Gott verleiht“ (1 Petr 4,11)
Liebe Weihekandidaten, liebe Brüder im geistlichen Dienst, liebe Angehörige und Freunde, liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Hat Jesus Karriere gemacht? Ja, er hat Karriere gemacht – aber nicht nach oben, sondern nach unten. Er ist Mensch geworden, um uns zu dienen. Der Herr ist herabgestiegen aus Liebe. Er wurde einer von uns - und für uns. Jesus Christus ist der Diakon par excellence. Fünf Männer haben sich entschieden, diese dienende Dimension Jesu zum Wasserzeichen ihres eigenen Lebens zu machen. Sie empfangen heute die Weihe zum Ständigen Diakon. Der Weg dorthin war kein einfacher, aber sie haben Durchhaltevermögen bewiesen. Dafür danke ich Ihnen und vor allem auch den Ehefrauen, die die Entscheidung mittragen müssen, damit wir heute gemeinsam Gott danken können - ex toto corde, mit ganzem Herzen.
Der Wunsch zu dienen liegt absolut nicht im Trend, denn wir erleben, wie der Griff nach der Macht und mehr noch: der Erhalt von Macht um beinahe jeden Preis unverhohlen gerade in höchsten Kreisen demonstriert wird. Die Mehrheit, so scheint es, will heute sobald wie möglich eine steile Karriere machen, Geld und Macht gewinnen. Wer hingegen dienen möchte, irritiert, wirkt aus der Zeit gefallen, fast exotisch. Dabei hat die Bereitschaft, seinen Mitmenschen zu dienen, fast revolutionären Charakter. So ein Dienst ist anstrengend, mitunter aufreibend. Davon weiß jede Mutter zu berichten, die Krankenschwestern und das Pflegepersonal. Wer glaubt, das ohne Unterstützung zu schaffen, erliegt einer Täuschung. Nicht umsonst lautet das Leitwort der heutigen Feier: „Diene aus der Kraft, die Gott verleiht“ (1 Petr 4,11).
„Diene“: Das griechische Wort „Diakonos“ bedeutet „Diener“. Durch die Weihe treten zwar Diakone in den Klerikerstand ein, aber das rechtfertigt keinen Überlegenheitsanspruch. Im Gegenteil: Papst Franziskus hat den Klerikalismus immer wieder als Fehlverhalten angeprangert. Jeder, der sein Leben in den Dienst Gottes und der Menschen gestellt hat, soll primär Diener sein, egal ob Diakon, Priester, Bischof oder Papst. Einer der schönsten Titel des römischen Pontifex ist „servus servorum Dei“, „Diener der Diener Gottes“. Wahre Macht in der Kirche ist nichts anderes als hingebungsvoller Dienst! Der Diakonat ist nicht nur die erste Stufe des Weihesakraments, er ist ein Lebensauftrag: er fasst das Ethos der Kirche in seinem innersten Wesen zusammen.
Diakone stellen nicht sich selbst in den Vordergrund, was aber nicht heißt, dass sie unwichtige Arbeit leisten. Jede Person im kirchlichen Dienst weiß sehr gut, wie viel im Hintergrund gearbeitet wird, wie viele angeblich kleine, aber doch wichtige Aufgaben zu erledigen sind, damit ein für die Gemeinde oder das Bistum gutes Ergebnis zustande kommt. Der Dienst der Diakone ist umso mehr zu würdigen, je weniger sie das „Rampenlicht“ suchen. Diakone haben nicht das Bedürfnis nach Selbstbehauptung. Sie wollen einen leisen, aber entscheidenden Beitrag zum Wohl des Ganzen leisten. Sie stehen nicht im Zentrum, aber sie machen alles möglich, damit das Zentrum sichtbar wird.
Der Dienst der Diakone lässt sich mit drei griechischen Begriffen umschreiben, die übrigens allen christlichen Kirchen bis heute gemeinsam sind: Liturgia, Martyria, Diakonia. Das heißt also: Diakonisch leben in der Kirche nicht nur die Diakone, sondern es ist ein Lebensvollzug, der allen, die zu Christus gehören wollen, aufgetragen ist.
Zur Liturgia – der gottesdienstlichen Praxis: Wir dürfen dankbar für die Vielfalt und Schönheit des katholischen liturgischen Lebens sein. Diakone tragen seit der Frühzeit des Christentums besonders dazu bei. Aber es geht um mehr als um akribische Gestaltung und Durchführung eines Gottesdienstes. Liturgia weist auf jenes kirchliche Erlebnis hin, das Himmel und Erde verbindet. Zwar dienen Diakone dem liturgischen Leben der Gemeinde, bekommen aber daraus auch jene spirituelle Stärkung, die notwendig ist, damit sie ihre Berufung vor Gott leben können. Der Kontext der heutigen Lesung aus dem 1. Petrusbrief ist stark eschatologisch geprägt: „Das Ende aller Dinge ist nahe. Seid also besonnen und nüchtern und betet!“ (1 Petr 4,7). Die Liturgie öffnet das Fenster nicht nur zum Himmel, sondern vor allem zur Zukunft des Reiches Gottes. Aus dieser Hoffnung werden Sie immer schöpfen können, liebe Weihekandidaten!
Die zweite Säule des diakonischen Dienstes heißt Martyria, nämlich Zeugnis. Sie werden Diener des Wortes Gottes; davon werden Sie tagtäglich Zeugnis ablegen. Ist es nicht eine schöne Aufgabe, nicht irgendein Wort, sondern das Wort des Lebens sichtbar und hörbar zu machen? Ist es nicht eine spannende Aufgabe, sich in die unerschöpflichen Facetten dieses Wortes zu vertiefen und diese Vielfalt und Schönheit anderen zu vermitteln? Und doch muss man in unserer von der digitalen Kommunikation geprägten Welt vorsichtig sein. Liebe Diaconandi, vergessen Sie in der Verkündigung des Wortes nicht, dass Ihr Amt auf dem persönlichen Zeugnis fußt: Erliegen Sie nicht der Versuchung, andere anstatt Christus sprechen zu lassen. Nicht wenige versuchen, im Namen der Religion das Evangelium zu instrumentalisieren, um sich als Retter der Gesellschaft zu inszenieren, oder um eine Agenda der Spaltung zu fördern. Das Wort Gottes will nicht spalten, auch wenn es weh tun muss, weil die Wahrheit manchmal wehtut. Das Evangelium versöhnt und heilt; es ist ein Angebot Gottes an alle – wirklich alle ohne Ausnahme. Deswegen ist es eine wertvolle Aufgabe, sich in seinem Dienst zu stellen.
Diakonia ist die dritte Säule: Das Evangelium werden unsere neuen Diakone nicht nur mit liturgischen Handlungen und klugen Worten, sondern auch mit Taten der Nächstenliebe verkünden. Wenn dem Wort die Praxis folgt, dann wirken die Botschafter glaubwürdig, dann kommt die Botschaft bei den Menschen wirklich an. Bereits die Alte Kirche beauftragte die Diakone mit wichtigen karitativen Aufgaben. Diese Dimension ist manchmal in der Kirchengeschichte verblasst, wir müssen sie immer wieder neu entdecken! Diakone stehen im Dienst von Menschen in Not. Leider fehlt es nie an Notsituationen, auch wenn die karitative Arbeit noch so gut organisiert ist. Schauen Sie sich in der Gemeinde um, gehen Sie an die Ränder, wie Papst Franziskus gern sagte. Dienen Sie allen, vor allem den Kleinsten, den Schwächsten, den Menschen, mit denen sich niemand beschäftigen will.
„Diene aus der Kraft, die Gott verleiht“ (1 Petr 4,11): Liebe Weihekandidaten, es reicht weder die theologische Ausbildung noch eine gehörige Portion Idealismus noch ein robuster Charakter, um Ihren Auftrag zu bewältigen. Es ist allein die Kraft Gottes, die Sie befähigen wird, Ihrer Aufgabe gerecht zu werden! Doch das gibt Sicherheit: Der Allmächtige wird sie begleiten, auch in den dunkelsten Stunden. Sie haben allen Grund, mutig zu sein. Vergessen Sie aber nie, dass sich die göttliche Allmacht in der absoluten Ohnmacht offenbarte, am Kreuz. Die Dalmatik, das Gewand des Diakons, ist nicht zufällig in der Form des Kreuzes geschnitten. Das heißt: Sie werden nicht immer in angenehmen Situationen dienen. Sorgen, Konflikte, Spannungen dürfen Sie nicht verunsichern. Gerade da werden Sie am meisten gebraucht!
Die Kraft Gottes ist ein Geschenk. Sie haben es sich nicht verdient, auch wenn Sie mit der Vielfalt Ihrer Gaben Ihren Bischof beim Skrutinium beeindruckt haben. „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17,10), sagt der Herr. Er will niemanden entmutigen; er weist aber darauf hin, dass nicht unsere Leistungen, sondern die unermessliche Liebe Gottes die Quelle unseres Seins und unserer Gaben sind. Gehen Sie bitte achtsam mit dem Geschenk Ihrer Weihe um. Ich wiederhole: Kein Klerikalismus, keine Überheblichkeit kann vom Evangelium gerechtfertigt werden.
Gottes Kraft, aus der Sie schöpfen, ist die Kraft der göttlichen Liebe. Damit ist die Kraft der Offenheit gemeint, der Versöhnung, Hingabe, Selbstaufopferung bis zum Tod am Kreuz. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Joh 3,16) Jesus Christus hat uns beigebracht, was authentische Liebe heißt. Er will, dass wir einander lieben, wie er seinen Vater liebt. Und weiter sagt er: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. (...) Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15,13-15)
Die Liebe Gottes ist eine ehrliche und transparente Liebe. Der Herr will nicht wie ein Diktator dominieren. Gott will die Beziehung zu uns „von Angesicht zu Angesicht“ (Ex 33,11; vgl. 1 Kor 13,12). Er will uns das schenken, was er selbst ist: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16). Seine Gebote sind kein langweiliger, anstrengender Aufgabenkatalog, sondern eine Anleitung zum wahren, würdevollen, glücklichen Leben. Sie münden in das höchste Gebot der Liebe: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 15,12) Ja, vor allem die Diakonia, der Dienst, mündet in der Liebe.
Liebe Kandidaten, schöpfen Sie aus dieser Liebe, lassen Sie sich davon stärken. Praktizieren Sie diese Liebe: Diakonat ist nichts weniger als Liebe in der Praxis. „Vor allem haltet beharrlich fest an der Liebe zueinander“ (1 Petr 4,8), heißt es im 1. Petrusbrief. Halten Sie sich fest in der Liebe der Kirche, der Gemeinde, Ihrer Familien. Mit einem Wort an Ihre Familien will ich diese Predigt schließen. Danke, liebe Ehefrauen, liebe Kinder, liebe Eltern, liebe Freundinnen und Freunde. Danke, dass Sie den mutigen Weg der künftigen Diakone mitgehen und Ihnen den Rücken stärken. Sie unterstützen Menschen, die nicht primär verdienen, sondern dienen wollen. Das ist heute nicht selbstverständlich. Seien Sie stolz darauf! Liebe Weihekandidaten, Gott schütze Euch und Eure Familien!
Lesungstexte: 1 Petr 4,7b; Joh 15,9-17