„Das Kreuz ist nun dort, wo es hingehört“
Hochwürdige liebe Mitbrüder im geistlichen Amt und Dienst, ehrwürdige liebe Schwestern der Ursberger St. Josefs Kongregation, die Sie ihr Leben im Dominikus-Ringeisen-Werk in den Dienst an den behinderten Menschen gestellt haben, verehrte geschätzte Verantwortungsträger aus der Öffentlichkeit und der Politik, die Sie heute durch Ihre Anwesenheit ein Signal für die Präsenz der christlich-abendländischen Kultur in unserer modernen Gesellschaft setzen, verehrte liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Verantwortungsträger in den Gremien und Räten dieser Pfarrgemeinde Ursberg, meine lieben Schwestern und Brüder,
Das Kreuz, dieses Ursymbol der Christenheit, und der Altar, das Zentrum der Feier der Liturgie der Kirche – sie kommen hier und heute in der Ursberger Kirche auf eine einzigartige und überzeugende Weise zusammen. Nach einer langen und oft auch schwierigen Suche nach dem Standort der berühmten Ursberger Kreuzigungsgruppe ist nun eine Lösung gefunden worden, die nicht nur ein kunstgeschichtliches, sondern vor allem ein geistliches Ziel erreicht. Das Kreuz ist nun dort, wo es hingehört, in der Mitte!
In der Mitte angelangt ist das Kreuz nicht nur kunstgeschichtlich gesehen, sondern vor allem auch in einer Betrachtungsweise, welche die Sorgen und Fragen unseres modernen kirchlichen Lebens betrifft. Kunstgeschichtlich ist die Sache auf jeden Fall zunächst einmal überzeugend gelöst: Denn die Ursberger Kreuzigungsgruppe – Jesus am Kreuz, Maria und Johannes unter dem Kreuz – dieses großartige romanische Werk, das wir hier in der Ursberger Kirche nun in aller Deutlichkeit vor unseren Augen haben, gehört ja zum Bedeutendsten was der Gemeinde Ursberg und was dem schwäbischen Raum an künstlerischem Reichtum gehört. Der Gemeinde Ursberg, dieses Kruzifix durch das ehrwürdige Alter von Anfang an den Weg der Menschen dieser Gemeinde mitgegangen ist und über Generationen hinweg den Betern hier in Ursberg vor Augen stand. Aber auch wenn wir in den kunstgeschichtlichen Atlas Schwabens blicken, müssen wir sagen: Wir haben vieles an Bedeutendem aus dem Barock und aus dem Rokoko und sind damit weltweit unvergleichlich gesegnet. Wir haben manches aus der Gotik, aber wir haben kaum etwas aus der Romanik. Und gerade darum ist es so einsichtig, dass dieses grandiose Kruzifix hier in der Ursberger Kirche in den Mittelpunkt gehört, auf den auch die gesamte künstlerische Komposition und die barocke Malerei hinweist. Es ginge ins Leere wenn der Zeigefinger der Kunst auf einen Platz wiese, wo der Gekreuzigte nicht gegenwärtig ist.
Aber was die Kunstgeschichte andeutet das gehört in unser Leben. Jeder Einzelne von uns der in diese Kirche kommt, ist ja trotz all der modernen Möglichkeiten die wir heute in unserer Wissenschaftsgesellschaft haben, immer irgendwie auch ein gekreuzigter Mensch. So vieles was unser Leben auszeichnet, ist durchkreuzt. Und das wäre wohl einer der fatalsten Irrtümer unserer Zeit, wenn wir meinten, wir könnten Leid, Schwierigkeiten, Sorgen, Probleme vor unsere Haustüre hinaussperren oder mit modernen wissenschaftlich, technischen und medizinischen Methoden vielleicht eines Tages in den Griff bekommen. Ich denke, gerade wer hier offenen Auges durch Ursberg fährt und auf diese weit verbreiteten Anlagen des Dominikus-Ringeisen-Werkes schaut, der sieht welche Dimension das durchkreuzte Leben auch haben kann, und wie viele Schicksale von Menschen hier immer wieder im Angesicht des Ursberger Kreuzes stehen. Deshalb ist es so wichtig, dass das Kreuz in der Mitte ist wo es hin gehört. Aber zum Kreuz gehört der Altar. Der Altar ist die Mitte der liturgischen Feier der Kirche. Der Altar ist Ort des Gedächtnisses von Tod und Auferstehung Jesu und darum seit Menschengedenken der Platz von dem aus Menschen Hoffnung, Zuversicht und Trost für ihr Leben mitgenommen haben. Das Brot vom dem Jesus sagt, das ist mein Leib und der Wein von dem Jesus sagt, das ist mein Blut, das hat Menschen immer wieder genährt und Ihnen Kraft gegeben auf dem Weg ihres Lebens der nicht selten ein Weg durch Wüste, durch Dunkelheit und durch Probleme ist. Gerade darum ist der Altar in der Mitte so wichtig und gibt uns der Altar auch als modernen Menschen, wenn wir uns nur gläubig darauf einlassen wollen immer wieder Energie zum Bestehen der Herausforderungen unseres modernen Lebens. Ich denke mir, das gerade das feierliche Weihegebet dieses Tages über den Altar es schöner wie etwas anderes zum Ausdruck bringt.
„Dieser Altar - heißt es dort - Sei die festliche Tafel um die sich die Tischgenossen Christi freudig versammeln, mögen sie hier ihre Sorgen auf dich werfen und neue Kraft schöpfen auf dem Weg dem du sie führen willst. Dieser Altar sei ein Ort des vertrauten Umgangs mit dir und eine Stätte des Friedens. Alle die hier den Leib und das Blut deines Sohnes empfangen, mögen mit seinem Geist erfüllt werden und ständig wachsen in deiner Liebe. Dieser Altar sei die Mitte unseres Lobens und Dankens bis wir nach dieser Zeit die Freude der ewigen Heimat erlangen.“
Der Altar und das Kreuz – in der Mitte des Gottesraumes und in der Mitte unseres Lebens, das darf heute ruhig das Thema sein und es darf ein Thema sein, das uns Trost, Hoffnung und Zuversicht gibt. Vielleicht hat es am schönsten im Laufe der zurückliegenden Zeit Ihr Pfarrer Johann Wagner ausgedrückt, als wir über das Kreuz hier sprachen, sagte er zu mir: „Als Pfarrer dieses Gotteshauses ist mir eines aufgefallen, wenn man die Kirche betritt und in die Nähe des Altares geht, dann wird einem eines klar. Je näher man sich unter das Kreuz stellt, um so mehr hält sich der Ursberger Himmel auf.“ Gemeint ist natürlich dieses wunderbare Himmelfahrt Altargemälde. Aber gemeint ist ebenfalls die tiefere geistliche Dimension dieses Wortes, das Menschen unter dem Kreuz Licht und Trost und Zuversicht verspüren.
Mag sein, dass mancher moderne Zeitgenosse von diesen kirchlich christlichen Gedanken vielleicht schon etwas weit weg ist und sich auch von kirchlichem Reden entfernt hat. Für alle diejenigen Menschen die sozusagen aus der Distanz auf dieses Kreuz blicken, möchte ich Ihnen das gleiche wiedergeben in der Übersetzung eines der bedeutendsten Atheisten der modernen europäischen Kulturgeschichte. Ich spreche von dem berühmten Philosophen Friedrich Nietzsche. Er hatte sich ja zeitlebens berufen gefühlt den Tod Gottes zu verkünden und war dennoch als Mensch immer wieder angetan, berührt und ergriffen von der Frage nach der Existenz Gottes. Von ihm stammt dieses Wort:
„Wer ein Warum zu leben hat, der erträgt fast jedes wie!“
Amen