Eine neue Orgel für die Wieskirche

Augsburg (pba). Nach umfassender und aufwändiger Umgestaltung wird am 19. September die neue Orgel in der „Wies“ geweiht. Bei dem Instrument handelt es sich um die vierte Orgel seit der Erbauung der weit über die Grenzen des Bistums Augsburg bekannten Wallfahrtskirche im Stil des Rokoko.
Der Orgelsachverständige und Leiter des Amtes für Kirchenmusik der Diözese Augsburg, Pater Stefan Kling OPraem, begleitete auf Wunsch des Wiespfarrers, Prälat Georg Kirchmeir, den Neubau der Orgel.
Im Interview mit der Bischöflichen Pressestelle der Diözese Augsburg erklärt Pater Kling das Besondere der vierten Wiesorgel und warum die neue Orgel eigentlich älter ist als die bisherige.
pba: Warum wurde eine neue Orgel für die Wieskirche notwendig?
Pater Kling: „Die erste Orgel stammte von Johann Georg Hörterich und wurde 1757 installiert. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Reparaturen und Säuberungen an der Orgel durchgeführt. Ein technisch kompletter Neubau, bei dem aber die barocken Pfeifen weitgehend erhalten blieben, erfolgte 1928. Nur 30 Jahre später, 1959, ersetzte die Orgelbaufirma Gerhard Schmid durch einen technischen Neubau diese Orgel. Das Orgelwerk wurde von zwei auf drei Manuale erweitert, erhebliche Teile des barocken Pfeifenwerks eliminiert, ebenso das barocke Spielgehäuse. Mit der neuen Orgel von 2010 griff die Orgelbaufirma Claudius Winterhalter wieder auf die noch vorhandenen historischen Bestände zurück und ergänzte fehlende Teile.
Die Mechanik, die 1959 eingebaut wurde, war störanfällig, der technische Bereich des Instruments „ausgeleiert“. 1959 wurde die Orgel von Gerhard Schmid neu gestaltet. Nach seinem Empfinden verlieh er dem Instrument einen barocken Klang. Dieser entsprach aber nicht dem süddeutschen Verständnis, mit dem ein eher grundtöniger, „weicherer“ Klang gemeint ist. Zudem verfügte die Orgel über einen monströsen Spieltisch. Wartungsarbeiten konnten an der Orgel und am Spieltisch nur schwer durchgeführt werden, insbesondere weil die sehr beengte Konstruktion einen Zugang in das Instrument kaum zuließ.
Aus diesen Gründen wurde nach der Generalsanierung des Kirchenraumes in den 1990er Jahren nun auch der Bau der vierten Orgel in der Geschichte der Wieskirche beschlossen.“
pba: Wie lange hat der Bau der neuen Orgel gedauert und wie hoch waren die Gesamtkosten?
Pater Kling: „Die eigentliche Bauphase begann im Frühjahr 2009 und endete im Sommer 2010. Dazu wurde das Innenleben ausgebaut, in der Orgelbauwerkstatt restauriert, teilweise erneuert und erweitert. Alle Teile wurden gesäubert und die alten und neuen Pfeifen aufeinander abgestimmt. Aufgrund der hohen Besucherzahlen der Wieskirche konnten untertags kaum Arbeiten an der Orgel vor Ort vorgenommen werden. Ab 18 Uhr bis oft drei Uhr morgens wurden die Pfeifen der Orgel intoniert und gestimmt.
Der originale barocke Spieltisch wurde wieder eingebaut, nachdem dieser von den ursprünglich zwei Manualen auf drei Manuale erweitert wurde.
Die Gesamtkosten für den Neubau belaufen sich auf rund 700.000 Euro. Diese wurden getragen von der Bayerischen Landesstiftung, verschiedenen Institutionen, weiteren Stiftungen, Vereinen und vielen privaten Spendern. Die Diözese Augsburg beteiligte sich mit 100.000 Euro aus einem zweckbestimmten Vermächtnis am Bau der neuen Orgel.“
pba: Worin unterscheidet sich die neue Orgel von der vorherigen? Warum ist sie trotz Neubau eigentlich wesentlich älter als die bisherige Wiesorgel?
Pater Kling: „Bei Nachforschungen der beauftragten Orgelbaufirma nach historischen Überresten der alten Wiesorgel, fand sich auf dem Dachboden der Orgelbaufirma Schmid, der barocke Spieltisch, der bei der Erneuerung 1959 gegen einen neuen, größeren Spieltisch ausgetauscht worden war. Ebenfalls wurden alte barocke Pfeifen entdeckt, die 1959 entfernt worden waren. Sie wurden aufwändig restauriert und für die neue Orgel wieder verwendet. Die Herausforderung war, neue Register auf die historischen Pfeifen abzustimmen und den ursprünglichen Klang zu rekonstruieren. Die Orgel weist nun nach der Erneuerung deutlich mehr historische Substanz auf als vorher. Die neue Orgel soll den Raum erfüllen, ihn aber nicht erschlagen. Schön ist, dass die hervorragende Akustik in der Wieskirche, den Klang der Orgel im Raum wunderbar zur Entfaltung bringt. So ist die neue Orgel insgesamt nach dem Vorbild der Barockorgel von 1757 gestaltet, die sich im Stil des Baumeisters der „Wies“, Dominikus Zimmermann, einfügte. Sie komplettiert nun den Vierklang von Kunst und Theologie, von Licht und Musik, der viele Besucher der Wieskirche berührt.“
pba: Ist eine Pfeifenorgel wie in der Wies noch zeitgemäß?
Pater Kling: „Die Orgel ist ein sehr altes Instrument. Sie ist eine Erfindung der Antike. Im antiken Kaiserkult wurde sie in römischen Arenen gespielt. Erst seit der Gotik wird die Orgel in der Liturgie verwendet. Mit dem Instrument konnten große Räume gefüllt werden und das mehrstimmige Spiel war damals schon möglich. Ein großer „Boom“ entstand im 19. Jahrhundert, als sich viele kleine Dorfkirchen eine eigene Orgel anschafften.
Als „Königin der Instrumente“, wie die Orgel oft bezeichnet wird, dient sie neben der Unterstützung des Gesangs, der Verherrlichung Gottes. Dies entspricht dem Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils: Der Klang der Pfeifenorgel vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben, wie es die Liturgiekonstitution des Konzils aussagt.“