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Wichtiges
von Diözesanadministrator Prälat Dr. Bertram Meier bei der Herbst-Vollversammlung des Diözesanrates am Samstag, den 26. Oktober 2019 im Haus Sankt Ulrich Augsburg

Impulse für die Spiritualität einer synodalen Kirche

29.10.2019

Erst vor kurzem war ich auf eine Baustelle eingeladen: Ich sollte eine Kirche anschauen, die gerade renoviert wurde.

Unübersehbar hat die Designerin in großen Lettern auf die Bautafel geschrieben: Instaurare omnia in Christo! Wer nicht genau hinhört, erliegt leicht einer Verwechslung: Statt instaurare redet er schnell von restaurare. Deshalb lohnt es sich, diesem Wort tiefer nachzuspüren. Was ist gemeint, wenn wir davon reden: instaurare omnia in Christo? Was kann uns dieses Wort sagen im Hinblick auf die Erneuerung der Kirche, die das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen hat?

Wer im lateinischen Wörterbuch blättert, trifft bei instaurare auf verschiedene Bedeutungen. Da steht tatsächlich auch „restaurare“. Alles in Christus restaurieren. Doch wenn das alles ist? Die Erneuerung der Kirche ist keine Restauration. Wir restaurieren Gebäude, aber keine Verhältnisse längst vergangener Zeiten. Das ist übrigens keine kirchenpolitische Frage, sondern betrifft Jesus Christus selbst: Wer Jesus Christus hört, der darf nicht nur an den historischen Jesus von Nazareth denken, der vor zweitausend Jahren gelebt hat. Er muss auch den auferstandenen und erhöhten Christus ernstnehmen, der wiederkommt in Herrlichkeit. Deshalb geht der Weg der Kirche nicht zurück, sondern stets nach vorn. Jesus Christus ist im Kommen. Wer zurück will, weicht ihm aus. Das Heil liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft. Instaurare heißt deshalb erneuern im Sinn des Aufbruchs nach vorn, der Auffrischung, der Neugier auf das, was der Geist uns sagen will. Haben wir keine Angst vor dem Heiligen Geist!

Eine zweite Bedeutung für instaurare meint „instituire“: einrichten, ausrichten, gründen. Alles auf Christus gründen, alles auf ihn hin ausrichten. So gesehen, ist für mich die jetzige Zeit der Kirche keine Krise. Sie ist ebenso sehr eine Chance. Mit großer Bewunderung schaue ich auf die vielen Frauen und Männer, die ehrenamtlich und hauptberuflich entdeckt haben, was ihre Mission ist: „dass sie des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben“ (Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 31). Auch in unserem Bistum haben wir die Freude, theologisch und pädagogisch gut ausgebildete Frauen und Männer für den pastoralen Dienst einzustellen. Wir wollen auf unsere Laien nicht verzichten, weder auf die Frauen und Männer in den verschiedenen Berufsgruppen noch auf die unzähligen Ehrenamtlichen! Die Laiengremien – angefangen vom Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung über die Dekanatsräte bis hin zum Diözesanrat – gehören zum Gerüst unserer Diözese. Ohne Laien könnten wir Priester „einpacken“! Laien sind weder Dilettanten noch Lückenbüßer, wenn die Pfarrer fehlen, sie haben eine eigene Berufung. Ich danke Ihnen, liebe hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass Sie sich für das Leben in unserer Diözese einsetzen, und verbinde damit die Bitte, wenn es um die weitere Schärfung Ihrer Berufsbilder geht: Instaurare omnia in Christo! Stellen Sie Ihre Kompassnadel auf Jesus Christus! Gründen Sie Ihre Spiritualität auf ihn!

Noch eine dritte Bedeutung möchte ich anfügen: instaurare kann auch heißen „integrare“. Alles in Christus vereinen. Es ist heute so viel von Pastoralprogrammen die Rede: von der Pfarreiengemeinschaft über pastorale Räume bis zur Ordnung unserer Dekanate. Damit das alles gelingen kann, braucht es Kooperation statt Konkurrenz, Zusammenhalt statt Eigeninteresse. Wir brauchen eine Spiritualität der Gemeinschaft. Dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. war es ein besonderes Anliegen, die Kirche „zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft zu machen. (…) Was bedeutet das konkret? Vor der Planung konkreter Initiativen gilt es, eine Spiritualität der Gemeinschaft zu fördern, indem man sie überall dort als Erziehungsprinzip herausstellt, wo man den Menschen und Christen formt, wo man die geweihten Amtsträger, die Ordensleute und die Mitarbeiter in der Seelsorge ausbildet, wo man die Familien und Gemeinden aufbaut. (…) Spiritualität der Gemeinschaft ist auch die Fähigkeit, vor allem das Positive im anderen zu sehen, um es als Gottesgeschenk anzunehmen und zu schätzen: nicht nur ein Geschenk für den anderen, der es direkt empfangen hat, sondern auch ein Geschenk für mich. Spiritualität der Gemeinschaft heißt schließlich, dem Bruder Platz machen können, indem ‚einer des anderen Last trägt’ (Gal 6,2) und den egoistischen Versuchungen widersteht, die uns dauernd bedrohen und Rivalität, Karrierismus, Misstrauen und Eifersüchteleien erzeugen. Machen wir uns keine Illusionen: Ohne diesen geistlichen Weg würden die äußeren Mittel der Gemeinschaft recht wenig nützen. Sie würden zu seelenlosen Apparaten werden, eher Masken der Gemeinschaft als Möglichkeiten, dass diese sich ausdrücken und wachsen kann“ (Novo millennio ineunte, Nr. 43).

Instaurare omnia in Christo! Alles in Christus erneuern, alles in Christus gründen, alles in Christus vereinen! Darum geht es, wenn wir die Kirche geistlich erneuern wollen.

Für Papst Franziskus kann das nur auf eine Weise geschehen: als synodaler Weg. Kirche und Synode sind für ihn Synomyme, d.h. gleichbedeutende Begriffe. Ein Name für Kirche ist Synode. Anders gewendet: Die Kirche als Volk Gottes ist synodal. Nicht die Neuzeit hat die Synode erfunden; der Bischof und Kirchenlehrer Johannes Chrysostomus hat schon im vierten Jahrhundert festgestellt, dass Synodalität der Name der Kirche sei. Synode ist nicht die gelegentliche Versammlung von Bischöfen, sondern die alltägliche Lebensform der Kirche. Der Proviant, den die synodale Kirche mitnimmt und von dem sie zehrt, heißt Eucharistie. So verstanden, ist eine synodale Kirche, versammelt um die Eucharistie, weder Sitzungskirche noch demokratisches Kirchenparlament, sondern ein „höchst spirituelles Experiment“, ja Lebensform der Kirche. Deshalb ist der synodale Weg alternativlos. Über die geplanten Themenfelder (Foren) lässt sich durchaus streiten.

Doch wie soll eine synodale Kirche aussehen? Am 17. Oktober 2015 – anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Einrichtung der Bischofssynode – sagte der Papst: „Die Welt, in der wir leben und die in all ihrer Widersprüchlichkeit zu lieben und ihr zu dienen wir berufen sind, verlangt von der Kirche eine Steigerung ihres Zusammenwirkens in allen Bereichen ihrer Sendung. Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet. (…) Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Zuhörens, in dem Bewusstsein, dass das Zuhören ‚mehr ist als Hören‘. Es ist ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom – jeder im Hinhören auf die anderen und alle im Hinhören auf den Heiligen Geist, den ‚Geist der Wahrheit‘ (Joh 14,17), um zu erkennen, was er ‚den Kirchen sagt‘ (vgl. Offb 2,7). Praktizieren wir jetzt synodale Kirche und hören wir aufeinander, um zu erkennen, was der Geist der Kirche von Augsburg sagt.