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Diözesanrat diskutiert mit Experten über den assistierten Suizid

Keine einfachen Lösungen im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Lebensschutz

Von links: Klaus Holetschek (ehem. Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Diözesanratsmitglied), Hildegard Schütz (Vorsitzende des Diözesanrates) und Dr. Dr. Eckhard Eichner, Vorstandsvorsitzender des Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung e.V.) (Foto: Diözesanrat)
Von links: Klaus Holetschek (ehem. Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Diözesanratsmitglied), Hildegard Schütz (Vorsitzende des Diözesanrates) und Dr. Dr. Eckhard Eichner, Vorstandsvorsitzender des Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung e.V.) (Foto: Diözesanrat), © Diözesanrat
21.11.2023

Die Erkenntnis, dass es in der Abwägung von im Grundgesetz verankerter Autonomie hinsichtlich der Entscheidung über das eigene Lebensende und dem Schutz des menschlichen Lebens aus christlicher Wertvorstellung keine „einfachen“ Lösungen gibt, stand am Ende einer äußerst angeregten und interessanten Diskussion, zu der der Diözesanrat im Bistum Augsburg eingeladen hatte.

Unter dem Titel „LebensWert am Lebensende – die Debatte um den assistierten Suizid“ standen den zahlreichen Teilnehmenden der Veranstaltung mit Klaus Holetschek, ehemals Staatsminister für Gesundheit und Pflege und Dr. Dr. Eckhard Eichner, dem Leitenden Mediziner der Augsburger Palliativversorgung, zwei ausgewiesene Kenner der komplexen Materie als Gesprächspartner zur Verfügung, die das Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Gerda Riedl, Leiterin der Hauptabteilung VI Grundsatzfragen.

Seit das Bundesverfassungsgericht 2020 entschied, dass das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen in Bezug auf das eigene Sterben zu schützen ist und den Gesetzgeber dazu aufforderte, entsprechend tätig zu werden, gibt es neben dem parlamentarischen Prozess auch eine kontrovers geführte zivilgesellschaftliche Debatte, die durch aktuelle Urteile oder Gesetzgebungsinitiativen medial immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. Auch der Diözesanrat hatte sich, zusammen mit Bischof Dr. Bertram Meier, mit einem Positionspapier in die Debatte eingebracht und zu den beiden Gesetzesentwürfen kurz vor der Abstimmung im Juli dieses Jahres Stellung für einen Schutz des Lebens, nicht nur am Anfang, sondern auch am Lebensende, bezogen. Allerdings auch berücksichtigend, dass „Menschen in eine extreme Notlage kommen können, die den Suizid als letzten Ausweg für ihr Leben erscheinen lässt“ (…). Umso wichtiger sei es, diesen Menschen Zuwendung entgegenzubringen, sie zu begleiten, ihre Würde zu achten und sie ganzheitlich zu unterstützen.

„Das humane Gesicht einer Gesellschaft zeigt sich immer im Umgang mit den Schwächsten“ postulierte Holetschek, der sehr persönlich und klar darauf verwies, wie wichtig es sei, eine christlich fundierte Haltung in dieser Thematik einzunehmen. „Wofür stehen wir als Christen und können wir das glaubhaft vermitteln, sind die beiden Fragen, an denen wir uns messen lassen müssen.“ Schwerstkranken ein Leben in Würde  und ohne Schmerzen bis zuletzt gewähren; die Suizidprävention ausbauen und in der Beratung den Menschen wieder Perspektiven zu einem gelingenden Leben aufzeigen; Menschen, besonders einsamen, alten und kranken deutlich machen, dass sie wertvoll sind und einen Platz in unserer Gesellschaft haben sowie Pflegekräfte und Palliativmediziner unterstützen; fehlende Therapieplätze für psychisch labile Menschen ausbauen und den Mitarbeitenden in den medizinischen Berufen einen klar definierten rechtlichen Rahmen für ihr Handeln geben – das seien aus seiner Sicht, so Holetschek, die entscheidenden Ansätze und notwendige flankierende Maßnahmen. Die Politik müsse das Spannungsverhältnis zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmung des Menschen auflösen. Dazu gebe es wahrscheinlich keine Patentlösung, aber „ich werde nicht davon abweichen, den Schutz des Lebens einzufordern“, erklärte Holetschek.

„Entweder hat etwas einen Wert oder es hat Würde“, zitierte Dr. Eichner den Philosophen Kant und gestand den Teilnehmern der Veranstaltung, dass er jeden Tag in seiner Tätigkeit in der Hospiz- und Palliativversorgung damit ringe, mit dieser komplexen Thematik umzugehen. Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht als höchste juristische Instanz der Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal ein Recht auf Sterben postuliert hat – bis dahin gab es immer „nur“ ein Recht auf Leben – habe der öffentlichen Diskussion und auch seiner täglichen Arbeit eine ganz neue Facette gegeben. Er schilderte sehr berührend zwei Situation eines Suizids, die ihn persönlich ins Zweifeln gebracht hätten. „Wir wissen es nicht, wie wir selbst gehandelt hätten, wären wir in dieser als ausweglos empfundenen Lage gewesen. Es gibt Einzelfälle, die uns zwingen, uns zu fragen, ob wir den assistierten Suizid tatsächlich kategorisch ablehnen sollen.“ Eichner stimmte Klaus Holetschek zu, dass es wohl keine „gute“ Regelung geben werde. Durch die Legalisierung des assistierten Suizids sei die Selbstverständlichkeit des Lebens aufgehoben worden. „Jetzt muss der Mensch eine Entscheidung treffen, ob er leben will oder sein Leben beenden will.“ Das sei eine völlig veränderte Situation. Aus diesem Grund müssten rechtliche „Hürden“ eingebaut werden, um das Leben zu schützen; den Menschen müsse die Sicherheit gegeben werden, dass sie bis zuletzt gut versorgt sind. Sie dürften nicht Angst haben müssen, dass sie Angehörigen zur Last fallen oder dass sie unversorgt bleiben, wenn sie keine unterstützende Familie haben.

Natürlich sei es wichtig, einen rechtssicheren Raum sowohl für die Betroffenen als auch für die in der Palliativmedizin Tätigen zu schaffen. „Als Palliativmediziner sehe ich die Menschen in ihrer Not. Es gibt eben auch diejenigen, die unabhängig von Leid aus ganz unterschiedlichen Gründen sterben wollen. Die Kirche tut gut daran, an ihren Werten festzuhalten, aber sie sollte sich die Offenheit bewahren, die Menschen, die sich für einen Suizid entscheiden, auch bis zum Ende zu begleiten“, formulierte es Dr. Eichner als Palliativmediziner und Klaus Holetschek betonte noch einmal, dass er als Mensch und Politiker für eine Haltung stehe, bei der der Schutz des Lebens nicht verhandelbar sei und er es als Aufgabe der Politik ansehe, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass dies auch gewährleistet sein könne.

Die zahlreichen Wortmeldungen, die persönlichen Stellungnahmen und die Anfragen an die beiden Referenten, alle gut eingebunden von Prof. Riedl als Moderatorin, verdeutlichten, dass es keine eindeutige Lösung geben kann, dass aber gerade deshalb ein gesellschaftlicher Diskurs mehr als notwendig ist – auch, um einen ausgewogenen rechtlichen Rahmen zu gewährleisten.

 

Susanne Kofend

Geschäftsführerin Diözesanrat