"Kleine Schritte mit großer Wirkung"
Unter dem Motto "Frau. Macht. Veränderung" nimmt die Misereor-Fastenaktion heuer besonders das Schicksal von Frauen, Familien und Kindern in Madagaskar in den Blick. Die Leiterin des Bischöflichen Seelsorgeamts in Augsburg Angelika Maucher erzählt im Interview von den Eindrücken, die sie auf Madagaskar sammeln konnte.
"Die Welt ist voller Wunden, die wir Menschen ihr zugefügt haben", beginnt der Aufruf der deutschen Bischöfe zur Unterstützung der diesjährigen Misereor-Fastenaktion. An wenigen Orten weltweit ist dies so deutlich spürbar wie in Madagaskar. Der Inselstaat, der zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, leidet nicht nur bis heute an den Folgen von kolonialer Unterdrückung und inneren Konflikten, sondern ist auch in besonderem Maße von den Auswirkungen des globalen Klimawandels betroffen. Es brauche Mutige und Engagierte, die sich für eine Überwindung dieser Missstände einsetzten, so die Bischöfe.
Die Kollekte in den Gottesdiensten zum fünften Fastensonntag (26. März) kam in Gänze der diesjährigen Misereor-Fastenaktion zugute.
Die Leiterin der Hauptabteilung II: Seelsorge, Angelika Maucher, koordiniert für das Bistum Augsburg auch die Kooperation mit den katholischen Hilfswerken und den kirchlichen Partnern vor Ort. Zu diesem Zweck war sie mit einem kleinen Team aus der Abteilung Weltkirche diesen Januar in Madagaskar. Im Interview erzählt sie von den vielfältigen Eindrücken, die sie von ihrem Besuch mit nach Hause nahm.
Frau Maucher, Sie waren ja vor kurzem auf Madagaskar und haben sich dort Projekte angesehen und mit Projektpartnern gesprochen, die in der diesjährigen MISEREOR-Fastenaktion im Mittelpunkt stehen. Was hat Sie dort besonders beeindruckt?
Die Begegnungen, die ich dort erfahren durfte, waren sehr vielfältig. Besonders eindrücklich fand ich, wie darauf geachtet wird, dass den Menschen vor Ort nicht die Verantwortung abgenommen wird. Im Gegenteil: Sie werden darin bestärkt, ihre eigenen Möglichkeiten zu nutzen! Im Projekt VOZAMA zum Beispiel wird nicht nur mit Vorschulkindern gearbeitet, sondern auch die Eltern in die Pflicht genommen. Man achtet darauf, dass die Lehrerinnen und Lehrer der neu errichteten Vorschulen aus dem Kreis der jeweiligen Dorfbewohner kommen.
![]()
Die Frauen Madagaskars haben oft noch weniger Perspektiven als die Männer dort. Gewalt in Familie und Gesellschaft ist weit verbreitet und leider viel zu oft auch gesellschaftlich akzeptiert. Die von MISEREOR geförderten Projekte versuchen hier anzusetzen: Aufklärungsarbeit zu leisten, das Selbstbewusstsein von Frauen zu stärken, ihre Möglichkeiten zur Geltung zu bringen und zu fördern. Dabei ist gerade die Bildungsthematik – rund ein Viertel der Bevölkerung Madagaskars kann nicht lesen – von großer Bedeutung.
Madagaskar ist ein Land, das von der Klimakrise besonders betroffen ist. Inwieweit kann die Frauenförderung auch dazu beitragen, dieses Problem zu entschärfen?
Es ist ganz wichtig, Bewusstsein für die Krise zu bilden und zu schärfen. Mir ist bei meinem Besuch aufgefallen, dass die Impulse, die Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ gesetzt hat, vielfach wahr- und angenommen werden. Es geht dabei auch um politische Arbeit: Auf welcher Ebene können welche Maßnahmen zum Schutz des gemeinsamen Hauses, der Schöpfung, ergriffen werden? Insgesamt ist es sehr wichtig, dass die Frauen beteiligt werden, schon aufgrund ihrer Rolle als Multiplikatorinnen in der Familie und in der Dorfgemeinschaft. Ein Beispiel: Der durch Abholzung beschleunigten Erosion von fruchtbarem Boden wird in den Projekten durch Baumpflanzaktion entgegengewirkt.
![]()
In den Gesprächen ist mir deutlich geworden, dass nicht nur Frauen in den Projekten profitieren, sondern die ganze Familie, ja das ganze Dorf. Wer sich für Bildung, Ernährungssicherheit und Gerechtigkeit einsetzt, fördert dadurch auch die Kinder und gestaltet die zukünftige Entwicklung mit. Es ist MISEREOR wichtig, dass lokaler Rückhalt für die einzelnen Projekte gegeben ist. Sie entstehen nicht von Europa aus, sondern werden von den Menschen vor Ort konzipiert und umgesetzt. Hier setzt dann die Unterstützung durch MISEREOR an. Auch kirchliche Ordensgemeinschaften spielen auf Madagaskar eine große Rolle. Es muss immer darum gehen, dass durch die weltweite Hilfe nicht weitere Abhängigkeiten produziert werden, sondern dass das große Potential der Menschen vor Ort entfaltet wird.
![]()
Mich hat besonders die enge Verbindung von Glaube, Gerechtigkeit und Einsatz für die Gemeinschaft beeindruckt. Kirche und Glaube haben auf Madagaskar eine wichtige Bedeutung im alltäglichen Leben. Wir können uns sicher abschauen, wie die Frauen in Madagaskar mit den vielfältigen Herausforderungen umgehen, sich nicht entmutigen lassen und darauf vertrauen, dass auch kleine Schritte große Wirkung haben können. Was mich auch sehr berührt hat, ist die Art, wie dort Gottesdienst gefeiert wird: als bestärkendes Fest, das durch den Alltag trägt und Gemeinschaft erlebbar macht.