Nicht raushalten, sondern einmischen
Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus hat Bischof Bertram gemeinsam mit dem bischöflichen Ökumenebeauftragten Dekan Helmut Haug in einem Gottesdienst im Hohen Dom die kirchliche Haltung gegenüber Rassismus und Diskriminierung noch einmal verdeutlicht: „Bei Gott gilt jeder Mensch als geliebtes Kind.“ Bei dem Gottesdienst waren auch Oberbürgermeisterin Eva Weber und Vertreter anderer Religionen zu Gast.
Auf das Tagesevangelium der beiden Schwestern Maria und Marta aufbauend sprach Bischof Bertram in seiner Predigt von der Anteilnahme Jesu an der Trauer der beiden um ihren Bruder Lazarus. „Maria und Marta setzen ihre letzte Hoffnung in Jesus, der schon so viele geheilt hat. Die beiden Schwestern fordern: Misch dich ein, hilf uns, schau nicht weg.“ Doch als Jesus ankommt, scheint es bereits zu spät sein: Lazarus ist tot. „Jesus weiß, dass Worte allein in diesem schmerzvollen Moment nicht genügen. Er tritt ans Grab – und dann weint er.“
Dadurch, dass Jesus Anteil am Leid und an den Schmerzen der Schwestern nehme und echten Mitgefühl zeige, mache der Sohn Gottes sich zum Geschwisterkind der leidenden Menschen. „Empathie und Mitleiden sind Ausdruck wahrer Geschwisterlichkeit. Näher kann Jesus den beiden trauernden Schwestern nicht kommen. Im Mitleiden zeigt er sich solidarisch.“ Dadurch und durch die letztendliche Wiedererweckung des Lazarus von den Toten habe Jesus sich nicht unberührt gezeigt, sondern eingemischt.
Auf die Internationalen Wochen gegen Rassismus übertragen heiße dies: „Nicht sich raushalten hilft, sondern sich einmischen! Wir müssen klar Position beziehen: gegen Diskriminierung, Hass und Gewalt, die unsere Mitmenschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion, ihrer sozialen Schicht, ihres Geschlechts, ihres Alters, ihres Gesundheitszustands oder ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse erfahren“, betonte der Bischof. Die christlichen Kirchen bezögen diese Position aus der Überzeugung, dass jeder Mensch geliebtes Kind Gottes sei und bleibe.
Im interreligiösen Dialog heiße „Geschwisterlichkeit“ nicht, immer einer Meinung zu sein. Doch bedeute es, Unterschiede auszuhalten und respektvoll miteinander umzugehen: „Geschwisterlichkeit ist nicht Gleichförmigkeit, sondern gegenseitige Achtung und sie fordert das Respektieren der jeweiligen Kulturen und Traditionen“, so der Bischof, der sich dabei auch auf seine Rede bezog, die er Anfang Februar in Abu Dhabi bei einem internationalen Kongress hatte halten dürfen. Es mache einen Unterschied, ob man wegschaue oder sich wie Jesus einmische: Mit dem Weinen am Grab, mit dem Auftreten für jene, die selbst nicht laut werden können: „Mischen wir uns gemeinsam ein – für unsere Brüder und Schwestern, mit unseren Brüdern und Schwestern.“
In ihren Grußworten unterstrichen die Gäste die Bedeutung von Geschwisterlichkeit und Dialog im gemeinsamen Einsatz gegen Rassismus und Diskriminierung. Oberbürgermeisterin Eva Weber warnte davor, dass Rassismus auch „schleichend“ daherkomme, also unterschwellig und bisweilen nicht einmal mit einer explizit rassistischen Absicht versehen. Und doch: „Rassismus bleibt Rassismus“. Haluk Kilman vom Verband der islamischen Kulturzentren in Augsburg betonte, dass Rassismus eine „Krankheit des Herzens“ sei, gegen die kein Mensch absolut resistent wäre. Die präventive Behandlung dieser Krankheit geschehe am besten über das gegenseitige Kennenlernen und die Neugier auf andere Menschen: „Eine Aufgabe fürs Leben.“ Abschließend zeigte Hogen Harter von der zen-buddhistischen Gruppe Bodhidharma Zendo sich überzeugt, dass der Mensch „im Innern gut“ sei. Die Erkenntnis, dass alle Menschen in ihrer individuellen Würde gleich seien, gebe Anlass zur Hoffnung, dass am Ende eines langen Weges die Menschheit einen „tiefen, inneren Frieden“ mit sich selbst und untereinander finden könne.
Unter dem Motto „Misch dich ein“ finden die Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 20. März bis zum 2. April statt. Ein wichtiger Teil davon sind die zentralen religiösen Feiern, die heuer in Augsburg stattfinden. Die Internationalen Wochen gegen Rassismus fanden das erste Mal im Januar 2016 statt. Die Stiftung ist in Darmstadt ansässig und wurde von dem Politiker und Sportfunktionär Theo Zwanziger mit Unterstützung der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, des Fördervereins Pro Asyl und des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegründet.
