Predigt Selbsttranszendenz 5. August 2018
18. Sonntag Lesjah B Ex 16,2-4.12-15 Joh 6,24-35 Selbsttranszendenz
stellen Sie sich vor, Sie gehen in der Stadt in ein Geschäft und werden da unfreundlich bedient. Jetzt gibt es Menschen, die sagen sich: Nein, da gehe ich nicht mehr hin, die sind immer so unfreundlich und überhaupt, die sind viel zu teuer. Da gehe ich lieber zur Konkurrenz. Dabei war die Verkäuferin vielleicht nur deshalb noch etwas unangenehm berührt, weil der vorige Kunde arrogant und überheblich war, doch im allgemeinen ist sie sogar sehr nett.
So geht es leider oft im Leben. Ich treffe häufig Menschen, die unangenehme Dinge verallgemeinern, die das Negative besonders intensiv wahrnehmen und darin verharren, die schließlich Vertrauen und Hoffnung verlieren und an das Gute nicht mehr glauben. So ganz nach dem Motto: Einmal schlecht, immer schlecht. Oder: Einer schlecht, alle schlecht. Das gibt es auch in der Kirche. Viele treten aus der Kirche aus, weil sie von einem bestimmten Priester enttäuscht sind. Und diese Enttäuschung übertragen sie auf die ganze Kirche.
So war das auch in der heutigen Lesung: die Israeliten in der Wüste hatten Hunger. Hunger an sich ist noch kein größeres Problem. Man kann durchaus mehrere Wochen lang fasten. Aber die Israeliten verloren das Vertrauen, bekamen Angst, und in Gedanken sahen sie sich schon am Verhungern. Sie murrten gegen Mose und Aaron: „Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um uns alle an Hunger sterben zu lassen“. Unglaublich: die unterstellen Mose und Aaron eine böse Absicht, sogar eine Tötungsabsicht. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Aber so ist das: Die Angst kann die Wahrnehmung der Wirklichkeit total verzerren.
Aber die Geschichte geht weiter - und die Botschaft dieser Geschichte ist: Gott sorgt, wo die Menschen Angst haben. Er schickt Wachteln und Manna, er gibt zu essen, er gibt, was wir zum Leben brauchen. Im Keller der Erzabtei St. Ottilien hing früher mal ein Wandspruch: „Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Dieser Spruch hätte den Israeliten in der Wüste helfen können; er hilft auch uns, in scheinbar aussichtslosen Situationen auf die Hilfe Gottes zu vertrauen. Dabei sieht dieses Lichtlein allerdings oft anders aus, als wir uns das gedacht haben.
„Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt“ (V.27), sagte Jesus eben im Evangelium. Das Brot, das Jesus gibt, ist ein anderes Brot, ein geistiges Brot: „Mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel“ (V.32). Und dann gipfelt die Brotrede Jesu in dem Satz: „Ich bin das Brot des Lebens“ (V.35.48.51). Noch zwei weitere Male kurz darauf wiederholt Jesus das. Das hören wir dann am nächsten Sonntag.
Was heißt das jetzt für uns? „Ich bin das Brot des Lebens“, das verstehe ich so: Jesus bietet sich an als Nahrungsmittel, also: wir können von Jesus leben. Und „von Jesus leben“ heißt: aus seinem Leben Kraft schöpfen für unser Leben, seine Lebensenergie und sein Lebensprinzip übernehmen. Das Lebensprinzip Jesu aber ist, für andere da zu sein. Das kann jeder von uns auf seine persönliche Weise übernehmen: für andere Mit-Denken, sich in andere einfühlen, sich einsetzen für das Wohl der Menschen, für das Leben der Welt. In der modernen Psychologie nennt man das Selbsttranszendenz, d.h. sich selbst überschreiten, sich ausrichten auf Werte außerhalb seiner selbst, statt ängstlich um sich selbst und um das eigene Wohl zu kreisen. Wer nur an sich denkt, der vereinsamt. Wer für andere mit denkt, tut auch sich selbst etwas Gutes und erntet doppelten Lohn.
Liebe Brüder und Schwestern, da wo wir Angst haben, Angst um das eigene Gesättigt sein, Angst um die eigene Gesundheit oder um die eigene Karriere, da kreisen wir um uns selbst und da stricken wir uns selber ein Netz, ein Netz, in dem wir uns selber fangen und lähmen. Und das steigert unsere Angst nur noch mehr. Wo wir aber aus uns herausgehen, wo wir uns ausrichten auf Aufgaben und Werte in der Welt, - außerhalb unserer selbst – da befreien wir uns wieder aus unserem kleinen Netz, da vernetzen wir uns mit der großen Welt und wissen wieder, wofür wir da sind. Da kann uns der Sinn unseres Lebens neu aufleuchten, und da werden wir selber, wie Jesus, zum Brot für das Leben der Welt.