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Predigten

30.08.2020

Predigt von Pater Regino am 29./30. August 2020

22. Sonntag im Jahr  A        Mt  16,21-27                  Leid – Gottes Wille?

Es gab eine Zeit, da hat man das weltliche und das geistliche streng unterschieden und sogar gegeneinander ausgespielt. Die Priester wurden „die Geistlichen“ genannt, und für die galten andere Regeln, die durften manches nicht, und andererseits hatten sie bestimmte Privilegien. Das war zwar schon in vorchristlichen Zeiten so, aber eigentlich wollte Jesus bereits damit aufräumen. Als menschgewordener Gottessohn ist er weltlich und geistlich zugleich, und seine Kritik an den damaligen Priestern und Schriftgelehrten lässt an Deutlichkeit nichts fehlen.

Auch im heutigen Evangelium sieht es so aus, als ob das geistliche und das weltliche, der Wille Gottes und der Wille des Menschen, gegeneinander stehen. Jesus bezeichnet den Petrus als Satan und sagt zu ihm sehr vorwurfsvoll: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (V 23). Will Gott denn immer etwas anderes, als die Menschen? Oder könnte der Wille Gottes nicht auch mit unserem Willen übereinstimmen?

Jesus spricht von seinem Leiden, und das will Petrus nicht zulassen. Das ist typisch für uns Menschen, wir wollen oft das Leiden nicht zulassen, das Leiden nicht an uns heranlassen. Wenn ein kleines Kind weint, sind wir schnell mit einem Trost zur Stelle. Ein Trost mit materiellen Dingen, mit Schnuller oder Süßigkeiten, ist gut gemeint, kann aber sogar gefährlich werden, kann ein Kind verwöhnen und im Kind eine psychische Veranlagung zum späteren Gebrauch von Suchtmitteln vorbereiten. Und wenn ein Jugendlicher nur noch das tut, was ihm Spaß macht: wie viele akzeptieren das, - um ihn nur nicht zu betrüben? Und dann sagt man, das ist die Pubertät, da sind sie halt schwierig. Aber damit machen wir sie nur noch schwieriger. Und wie viele schauen am liebsten weg, wenn ein alter Mensch leidet und wünschen ihn in ein Heim, wo sich andere damit herumplagen sollen? Das Leid gehört aber zum Leben einfach dazu, bei allen, bei den Kleinen, bei den Großen, bei den Alten. Jeder hat sein Kreuz, an dem er nicht vorbeikommt. Die Frage ist nur, ob jemand dabei verbittert, oder ob er dadurch weise wird, gereift und barmherzig.

„Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“ (V 26). Die ganze Welt gewinnen, das ist eben nicht das Leben. Es geht im Leben nicht darum, möglichst viel zu haben, es geht darum, etwas zu geben. Manche hüten ihr Wissen und meinen, sie hätten den größten Gewinn, wenn sie ihr Wissen insgeheim für sich nutzen. Solche Menschen fürchten die Konkurrenz, aber wer sich fürchtet, der gewinnt nicht das Leben. Erst wenn ich mit meiner Umwelt kooperiere, wenn ich mein Wissen mitteile, dann kann es sich vervielfältigen.

Noch einmal: Es geht im Leben nicht darum, möglichst viel zu haben, es geht darum, etwas zu geben, eine Aufgabe zu erfüllen, Werte zu sehen und sich dafür einzusetzen. Besser gesagt: es geht darum, meine Aufgabe zu erfüllen. Wenn ich die Welt gewinnen will, wenn ich alles haben will, dann denke ich nur an mich, dann bin ich auf mich selber ausgerichtet. Wenn ich aber meine Aufgabe erfülle, dann sind mit der Aufgabe Werte verbunden, auf die ich ausgerichtet bin, und dann denke ich nicht mehr nur an mich, dann denke ich über mich selbst hinaus. Das weitet meinen Horizont und das gibt mir eine ganz neue Lebensqualität. 

Das ist vielen heute schwer verständlich, besonders denen, die erst lernen mussten, sich selbst zu lieben. Die Annahme seiner selbst ist für diese Menschen bereits ein großer Schritt gewesen. Und dann bleiben sie dabei stehen, weil sie das für das wichtigste halten. Normalerweise ist die Selbstannahme aber die selbstverständliche Basis, auf der dann die Liebe zu den Menschen und die Liebe zu den Dingen aufbaut.

L.S.u.B., wer diese Liebe hat, die über sich selbst hinausgeht, der kann die Freuden genießen, die damit verbunden sind, der ist aber auch bereit, die entsprechenden Anstrengungen auf sich zu nehmen und für das, was er liebt, zu leiden. Dann kann er auch manches Unangenehme im Leben als Gottes Willen sehen. Goethe hat einmal gesagt: „Die Flöhe und die Wanzen gehören auch zum Ganzen.“ Das, was zwickt und beißt, was stört und unangenehm ist, gilt es in Kauf zu nehmen zugunsten der Werte, die wir verwirklichen. Das gilt für jeden Beruf, für jede Familie, in jedem Menschenleben, wo jeweils andere Werte zu schätzen und zu pflegen sind. So wünsche ich uns allen, dass wir nicht die Welt gewinnen, sondern das Leben. Und zwar genau das Leben, das Gott jedem von uns ganz persönlich schenken will.