Statement von Bischof Bertram zur Missbrauchsstudie im Bistum Augsburg
Augsburg (pba). Zu der an diesem Donnerstag von der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Augsburg vorgelegten Studie zum Missbrauchsgeschehen im Bistum Augsburg hat sich Bischof Dr. Bertram Meier wie folgt geäußert:
„Das Thema sexualisierte Gewalt im kirchlichen Kontext beschäftigt die Katholische Kirche in Deutschland verstärkt nunmehr schon seit beinahe einem Vierteljahrhundert. Mit voller Wucht schlug es freilich im Frühjahr 2010 auf, als ausgehend von den Enthüllungen über das Canisius-Kolleg in Berlin durch den damaligen Rektor Pater Klaus Mertes eine Welle durch das Land rollte und auch das Bistum Augsburg erfasste. Wenn zweifellos vor 2010 jeder wusste, dass es Fälle von sexualisierter Gewalt durch Kleriker gab, so schienen dies nach mehrheitlicher Auffassung doch Einzelfälle zu sein, – so schrecklich dies für die Betroffenen in jedem konkreten Fall auch war. Schrecklich auch, weil vielen Betroffenen über sehr lange Zeit nicht zugehört, nicht geglaubt wurde.
Seit dem Jahr 2010 waren in der Katholischen Kirche einige womöglich eher davon überrascht, wie viele Betroffene sich nun an die Ansprechpersonen der Bistümer oder auch an die Medien wandten. Andere, die wie ich in ihrer Berufsbiografie bis dahin keine Personalverantwortung zu tragen hatten, waren hingegen entsetzt, in welchem Ausmaß im Raum der Kirche Kindern und Jugendlichen sowie Schutzbefohlenen schweres Leid zugefügt wurde, das durch nichts wieder behoben werden kann. Auch wenn ich seither in unterschiedlichen Kontexten sehr intensiv mit den Schicksalen von sexualisierter Gewalt betroffener Menschen und dem Versagen Verantwortlicher in unserer Kirche befasst worden bin, bleibt dieses Entsetzen.
In den vergangenen 15 Jahren hat sich im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche zwar viel getan. Schwerpunkte waren sicherlich Anerkennung des erlittenen Leids, Prävention und Aufarbeitung. Aber auch die Etablierung von Melderoutinen und Verfahrensweisen, die sowohl eine gesicherte strafrechtliche wie auch kirchenrechtliche Bearbeitung der gemeldeten Fälle miteinschließen, sind sehr hilfreich. Und doch sind wird noch immer auf dem Weg und sicher noch nicht am Ziel.
Als daher im Januar 2022 der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Augsburg, Herr Hubert Paul, mir ein gutes halbes Jahr nach der konstituierenden Sitzung der Kommission mitteilte, diese habe beschlossen, selbst eine Studie zur vertieften Auswertung der MHG-Studie in Angriff zu nehmen, war ich gleichermaßen positiv überrascht wie dankbar. Überrascht, weil die ehrenamtlich tätige Kommission so entschlossen die Aufarbeitung selbst in die Hand nehmen wollte. Dankbar, weil ich aufgrund der fachlichen Zusammensetzung der Kommission mit drei ehemaligen Richtern, darunter ein Strafrechtler, einer Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie einer Theologin und zwei Personen aus dem Unabhängigen Betroffenenbeirat die ebenso komplexe wie diffizile Thematik in den allerbesten Händen wusste.
Vor diesem Hintergrund hat das Bistum Augsburg bekanntlich darauf verzichtet, eine eigene Studie oder ein juristisches Gutachten zur Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in Auftrag zu geben, wie das teilweise andernorts erfolgte. Was ich in den nächsten Jahren über diese Studie hörte, kann jeder in den auf der Homepage der UAKA veröffentlichten Jahresberichten nachlesen: knappe und nüchterne Sätze über den Studienfortschritt. Und daher bin ich nicht weniger gespannt als alle anderen, was nun das Ergebnis dieser mehrjährigen, extrem zeitintensiven Kommissionsarbeit sein wird.
Sowohl der UAKA als auch mir selbst war es vom ersten Tag an außerordentlich wichtig, dass jede Form der direkten oder indirekten Einmischung von meiner Seite unterbleibt und die Kommission in einem umfassenden Sinne unabhängig ihren Aufgaben nachgehen kann, deren Rahmen die „Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland“ der Deutschen Bischofskonferenz absteckt.
Dies galt selbstredend auch für das von ihr selbst gewählte Arbeitsfeld der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt unter besonderer Berücksichtigung des Umgangs diözesaner Verantwortlicher mit diesen Fällen. Von daher war es für mich auch keine Frage, dass die Mitglieder der UAKA jedwede Auskünfte erhielten und ihnen Einsichtnahmen in die Originalakten stets ermöglicht wurden. Zugleich stellten wir im Bistum fest, dass manche von der UAKA geforderten Auskünfte auch erhebliche Zuarbeit unsererseits nach sich zogen und daher nicht immer so schnell erfolgen konnten, wie man sich das wünschen würde. Ich hoffe, die Kommission war dennoch mit uns zufrieden.
Nun halte ich sie also in Händen, diese Studie: Ich habe mir eigens ein großes Zeitfenster freigehalten, um die Studie der UAKA umgehend zu lesen und mich dann auch zeitnah zur Studie selbst zu äußern. Mehr kann ich zum Inhalt derzeit nicht sagen. Dennoch möchte ich den Anlass nutzen, schon heute allen Betroffenen sexualisierter Gewalt im Bistum Augsburg zu sagen, wie tief ich die Schuld empfinde, in der die Kirche Ihnen gegenübersteht und wie sehr ich Ihr Schicksal bedauere.
Und ein Letztes: Unbedingt muss ich Ihnen, sehr geehrte Mitglieder der UAKA, ein herzliches Vergelt's Gott sagen für diese wirklich immense und noch dazu ehrenamtliche Leistung! Sie haben einen beträchtlichen Teil Ihrer Zeit, Ihre hervorragende fachliche Expertise und, wie ich Sie kenne, auch jede Menge Herzblut in Ihr Aufarbeitungsprojekt gesteckt. Das Bistum Augsburg und auch ich persönlich sind Ihnen zu außerordentlichem Dank verpflichtet, mehr als man in Worten ausdrücken kann!“