Ulrich, das Kreuz und die heutige Zeit
Das Ulrichskreuz ist bereits seit Jahrhunderten ein zentraler Bestandteil der Verehrung des Bistumsheiligen. In einem Diskussionsabend im Haus Sankt Ulrich hat Bischof Bertram am Donnerstag mit Expertinnen und Experten über die facettenreiche Geschichte des Kreuzes gesprochen - und ging auf die kleinen Pilgerkreuze ein, welche eigens für das Ulrichsjubiläum 2023/2024 von palästinensischen Christen im Heiligen Land gefertigt wurden.
Das Bischöfliche St.-Ulrich-Komitee, der Deutsche Verein vom Heiligen Lande und das Akademische Forum des Bistums hatten gemeinsam im Haus Sankt Ulrich ein dichtes Abendprogramm zum Thema „Im Kreuz ist Hoffnung“ aufgestellt. Der heilige Ulrich sei damals der erste Kreuzträger für das Bistum gewesen, so der stellvertretende Leiter des Akademischen Forums Dr. Robert Schmucker in seiner Begrüßung. Im Mittelpunkt des Abends stand deshalb auch das neue Jubiläumskreuz, dessen kleine Abbilder aus Olivenholz von palästinensischen Christen in Bethlehem hergestellt wurden. So schüfen diese eine Verbindung zum Heiligen Land und seien gleichzeitig ein Zeichen der Solidarität, wie Bischof Bertram betonte.
Eine bunte und lebendige Diskussion entwickelte sich vor allem im Anschluss an die beiden Vorträge im Podiumsgespräch. Der heilige Ulrich habe gezeigt, was es heiße, auf das Kreuz zu vertrauen. Doch das Kreuz leiste noch viel mehr, wie Bischof Bertram ausführte: „An der Haltung zum Kreuz entscheidet sich, wie ich mich als Mensch sehe.“ Gerade am Ulrichskreuz, mit seinen vier Schichten zeige sich aus kunsthistorischer Sicht, dass es den Äbten von St. Ulrich und Afra nicht darum gegangen sei, den kostbaren Kern zu verstecken, sondern den wertvollen Schatz im Inneren für die breite Masse sichtbarer zu machen. Laut dem Kunsthistoriker Prof. Wolfgang Augustyn stelle es also ein Hilfsmittel des Glaubens dar. Gerade jüngere Menschen, so die Erfahrung von Melanie Thierbach, könnten aber oft nur noch wenig mit dem Kreuz anfangen. Genau deshalb sei es wichtig, von Grund auf dessen Symbolik und Bedeutung zu erklären. Und obwohl Bischof Bertram bereits in der Schule ein Ulrichskreuz groß sichtbar an der Brust getragen habe, wie er in einer humorvollen Anekdote berichtete, müsse er sich je nach Kontext heute verstärkt überlegen, wo er sichtbar ein Brustkreuz anlegen könne. Eines sei dennoch laut Dr. Michaela Richter vom Deutschen Verein im Heiligen Land klar: So wie das Kreuz kein neutrales Symbol darstelle, so könnten auch Christen angesichts von Ungerechtigkeit nicht neutral bleiben und müssten immer auf der Seite der Opfer stehen.
Ausschlaggebend für die Gestaltung des Abends war eine auf der Heiligenvita basierende Erzählung: Als der heilige Bischof Ulrich im Jahr 955 die Stadt Augsburg gegen das Reitervolk der Ungarn verteidigte, soll er der Legende nach von einem Engel aus dem Himmel ein Kreuz überreicht bekommen haben. Dieses trug dann, so die Überlieferung, maßgeblich zum Sieg in der Lechfeldschlacht bei. Laut Prof. Wolfgang Augustyn von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sei der heilige Ulrich deshalb ein geeignetes Beispiel dafür, „wie der Glaube, dass im Kreuz Heil, Leben und Hoffnung ist, tragen und wirksam sein konnte“. Dennoch müsse manches im Hinblick auf die Geschichte des Ulrichskreuzes hinterfragt werden. Nur das kleine silberne Gehäuse, das auch Vorlage für das aktuelle Jubiläumskreuz war, ließe sich sicher auf die Zeit um 1320 datieren, für die Zeit davor gebe es keine gesicherten Hinweise auf die Existenz eines Ulrichskreuzes.
Nicht vergessen werden dürften im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitete volkskirchliche Traditionen im Hinblick auf das Ulrichskreuz, beziehungsweise auf die kleinen Abbilder, die an Pilger ausgegeben wurden. Sie schützten der Vorstellung nach vor Pest, Missernten, Unwetter, Zauberei und Krankheiten. Noch heute würden zu wichtigen Anlässen Jubiläumskreuze an Wallfahrer ausgegeben werden. Zum Ende seines Vortrages hin betonte Prof. Augustyn daher folgendes: „Das große Ulrichskreuz und die kleinen Ulrichskreuze bezeugen seit Jahrhunderten […] den Glauben an das Kreuz als Zeichen des Heils, als Zeichen für Leben und für Hoffnung.“
Dr. Michaela Richter, seit 2021 Repräsentantin des Deutschen Vereins im Heiligen Land, hatte den Kontakt zu den Holzschnitzern aus Bethlehem vermittelt, und ging in ihrem Vortrag daher auch auf die sich konstant verschlechternden Lebensbedingungen der christlichen Minderheiten in Israel und Palästina ein. Die zunehmend radikale und gewaltenthemmte Situation müsste, so Dr. Richter, im Kontext des dauerhaft präsenten israelisch-palästinensischen Konflikte analysiert werden. Dieser Konflikt bedrohe auch die Existenz des Christentums im Heiligen Land. Sie zeigte sich dennoch davon überzeugt, dass die Rolle der Christen eine besondere sei: „Die Christen im Heiligen Land sind mehr als ,lebendige Steine‘, die es zu konservieren gilt, sie können eine wichtige Rolle als Brückenbauer zwischen den Kulturen und Religionen einnehmen, wenn man sie dabei unterstützt.“
Das Jubiläumskreuz kann käuflich vor Beginn der Gottesdienste während der Ulrichswoche in der Basilika sowie im Internet erworben werden.