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Wichtiges
Christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier

„Wer hört, lässt seine Waffen ruhen“

10.03.2024

Das hörende Herz stand im Mittelpunkt der Augsburger Feier zur „Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit 2024 – 5784/5785“ in St. Anna. Diese Stelle aus dem ersten Buch der Könige hatte Bischof Dr. Bertram Meier als Grundlage für seine Ansprache gewählt. Denn, so der Bischof: „Wer hört, lässt alle Waffen ruhen“. Das aktuelle Jahresthema der früheren „Woche der Brüderlichkeit“, die seit diesem Jahr in ihrem Titel noch stärker die christlich-jüdische Zusammenarbeit mit dem Zusatz des jeweiligen christlichen und jüdischen Kalenderjahres betont, heißt „The Sound of Dialogue – gemeinsam Zukunft bauen“.

Darauf nahm Bischof Bertram in St. Anna Bezug: „Wenn die Fähigkeit zur Sprache, die Kommunikation und der Dialog uns Menschen wesentlich ausmacht, dann gehören das Fragen und das Antwortgeben, das Sprechen und das Hören zu den Grundbedingungen menschlichen Miteinanders…Das Hören und Zuhören ist die Voraussetzung für das Sprechen. Denn das gesprochene Wort braucht, um überhaupt wahrgenommen und verstanden zu werden, ein Schweigen, das den akustischen Raum eröffnet. Zuerst kommt immer das Hören, dann das Sprechen.“

Den Satz aus dem ersten Buch der Könige („So gib deinem Diener ein hörendes Herz, dein Volk zu richten, den Unterschied von Gut und Bös zu unterscheiden“) brachte der Bischof in Verbindung mit dem Leitwort des Ulrichsjubiläums „Mit dem Ohr des Herzens“, welches das Bistum Augsburg noch bis Juli feiert. Denn der heilige Ulrich habe bereits als Heranwachsender die Regel des hl. Mönchvaters Benedikt verinnerlicht, die mit den Worten beginnt: „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens.“

Bischof Bertram: „The Sound of Dialogue – wann hören wir den heilsamen, wohltuenden Klang des gegenseitigen Gebens und Nehmens, des Hörens und Empfangens, des Aufgreifens und Weiterentwickelns eines Gedankens? Gibt es in den zahlreichen Medien, die längst nicht mehr - wie noch in meiner Jugend - zu den „heimlichen Miterziehern“, sondern vielmehr zu den dominierenden Einflüssen gehören, Hörräume und Nischen für ein, wie man früher sagte, „gepflegtes Gespräch? Oder ist das „hörende Herz“ vielleicht gar zu einer unverständlichen Metapher geworden, weil jede und jeder sich selbst am liebsten sprechen hört? Man könnte angesichts manch geistloser Talkshow zum Kulturpessimisten werden und sollte dabei nicht aber verkennen, dass die menschliche Sehnsucht nach Anerkennung, Zuneigung und Liebe zutiefst mit dem Hören und Gehörtwerden verknüpft ist.“

„Dialog“, so Bischof Bertram weiter, „hat immer mit der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft zu tun: Im Miteinander aushandeln, wie wir leben wollen, liegt das Geheimnis für eine Welt, in der alle ihren Platz haben! Das mag völlig utopisch klingen und doch liegt es ausschließlich an uns, dass aus dem „ou-topos“, dem „Nicht-Ort“ ein Ort für Frieden, Versöhnung und gegenseitige Anerkennung wird.“

Der Bischof nahm auch Bezug auf den wieder wachsenden Antisemitismus in Deutschland: „Mit jedem Menschen, der hier in Deutschland um sein Leben fürchten muss, stehen wir alle zur Disposition. Eigentlich wüssten wir es aus der Geschichte." Bischof Bertram zitierte den Pianisten Igor Levit, der eine Woche zuvor die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen bekommen hatte: „Merkt ihr eigentlich nicht, dass es gegen Euch geht? ‚Tod den Juden!‘ heißt ‚Tod der Demokratie!‘. Wenn ihr an Demokratie glaubt, und euer Land ist an einem Punkt, wo jemand wie ich rennen muss: Dann müsst auch ihr rennen.“

Dass seit Beginn diesen Jahres nun tatsächlich Bewegung in die deutsche Gesellschaft gekommen sei, dass die Menschen auf die Straße gingen, um sich für Demokratie und gegen jede Art von Diskriminierung auszusprechen, bezeichnete der Bischof als ist ein „Hoffnungszeichen“.

Nach der Feier in St. Anna wurde die Woche der christlich-jüdischen Zusammenarbeit mit einem Festakt im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses abgerundet.