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Wichtiges
Predigt zum Abschluss des Studientages der Abteilung Evangelisierung am 25. Januar 2025 in St. Stephan, Augsburg

Der Glaube ruft nach Konsequenzen

25.01.2025

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben an den dreifaltigen Gott, der in Jesus Christus für uns und zu unserem Heil Mensch geworden ist, am Ende dieses erfüllten Tages stellt uns die Kirche jenen außergewöhnlichen Jünger Jesu vor Augen, der sich selbst als Nachzügler, ja als „Missgeburt“ (1 Kor 15,8) bezeichnet hat:

Weil er monate-, vielleicht sogar jahrelang zum Mörder und fanatischen Verfolger geworden war, von Frauen und Männern, von Unbewaffneten und Wehrlosen, von Menschen, die lieber ihr Leben preisgaben als den neu erworbenen Glauben an Jesus Christus.

Welche Dramatik liegt in diesem Bekenntnis des Paulus zu seiner persönlichen Kehrtwende! Seine Biografie wird damit auch zu einem „Ecce homo“ – Seht, wozu der Mensch fähig ist, im Guten wie im Bösen! Und welch eine Gnade, dass er sich wandeln durfte von der dunklen, finsteren Seite seines Wesens hin zu der Bestimmung, die ihm Gott von Ewigkeit her zugedacht hat!

Wir alle, ausnahmslos alle, haben einen göttlichen Auftrag. Ihn gilt es – im Idealfall schon als Heranwachsender - zu erspüren. So wie tausend Jahre später der junge Händlersohn Francesco Bernadone, Franz von Assisi, der nach traumatisierenden Erfahrungen in Krieg und Gefangenschaft beharrlich im Gebet, das sicher auch ein stummes Leiden an seiner Orientierungslosigkeit war, nach dem Lichtstreif in der Finsternis Ausschau hielt - immer mit der Frage im Herzen: Was willst Du, Herr, dass ich tun soll?

Liebe Schwestern und Brüder, wann und wo hatten Sie Ihr „Damaskuserlebnis“? Vielleicht nicht so spektakulär wie bei Paulus und Franziskus, aber doch auch einschneidend und wirkmächtig?

Für eine tragfähige Christusbeziehung brauchen wir in unserem Leben unbedingt einen solch heiligen Moment der Gottesbegegnung, den wir uns in dunklen und zweifelnden Stunden wieder vergegenwärtigen, um gestärkt auf unserem unverwechselbar eigenen Lebensweg weitergehen zu können, dem Ziel der Vereinigung mit Gott entgegen…

Mit dem Sturz vom Pferd stürzte Paulus, der junge, ehrgeizige „Eiferer für Gott“ (Apg 22,3), zugleich in eine tiefe Sehnsucht nach diesem „Jesus, dem Nazoräer“ (Apg 22,8), eine Sehnsucht, die sich nie mehr betäuben ließ. Sie ist wie ein Ziehen in der Herzgegend, dem man auf den Grund gehen muss, will man nicht riskieren, bewusstlos zu werden!

Seitdem wurde Paulus immer klarer: Sein Leben, ja sich selbst mit Haut und Haar, Christus zu übereignen, das heißt in beständiger Abhängigkeit zu leben – von Menschen, die den Geblendeten „an der Hand“ nach Damaskus führen; von Hananias, der sein berechtigtes Misstrauen gegenüber dem plötzlichen Wandel zum Schaf im Wolfspelz überwinden musste, um ihn als „Bruder Saul“ ansprechen zu können (Apg 22,13). Vor allem aber war Paulus im Laufe der anstrengenden Jahre seiner Missionsreisen abhängig von einem weit verzweigten Netzwerk, das zum großen Teil aus treuen, aber leider auch aus „falschen Brüdern“ (2 Kor 11,26) bestand. Auf all diese ihm bekannten und oft auch völlig unbekannten Menschen musste er sich blind verlassen, um seinen Häschern und der römischen Staatsmacht immer wieder zu entkommen. Er musste sich verlassen und war eben auch manchmal verlassen!

Ich stelle mir das als harte Schule der Selbstverleugnung vor für einen so selbstbewussten und konsequenten Mann, als der er uns in der gerade gelesenen Passage aus der Apostelgeschichte entgegentritt. Doch nur so erreichte er, wie er den Mitchristen in Galatien bekennt, jenen Höhe- und Tiefpunkt zugleich, der unser aller Bestimmung ist: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Was ich nun im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20).

Seit dem umstürzenden Erlebnis auf dem Weg nach Damaskus ist Paulus in gewisser Weise auch zum „öffentlichen“ Menschen geworden, ein Exempel, das Gott statuierte, um stellvertretend den Zeitgenossen und noch uns heute vor Augen zu führen, dass für Ihn das Unmögliche möglich ist. Damit wird der Tod Bringende zum Lebensspender, der, dem qualvolle Angst vorausging, zum Freudenboten, der selbst froh und ergeben den Märtyrertod für Christus erleidet!

Ich sag‘s ganz ehrlich: Im Tiefsten atme ich auf, dass Gott mir ein solch spektakuläres Schicksal – bislang – erspart hat, und vermutlich bin ich damit nicht allein. Die wenigsten Christen sehnen sich nach einer außergewöhnlichen Biografie und auch die jugendliche Phase begeisterten Heldentums haben wir wohl fast alle schon hinter uns. Und dennoch: Solange wir auf dieser Erde leben, sind wir nicht davor gefeit, dass unser Glaube einer Bewährungsprobe ausgesetzt wird.

In diesen Tagen erinnern wir uns in Deutschland an jene Christinnen und Christen, die sich von ihrem Gewissen herausgefordert fühlten, Europa vom furchtbaren Joch des Nationalsozialismus zu befreien. Mehrheitlich gewaltlos haben sie ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger, die von Krieg und Angst mürbe und lethargisch geworden waren, aufzurütteln versucht. Manche Namen wie die Geschwister Scholl, Willi Graf und Kurt Huber, die zur „Weißen Rose“ gehörten, sind uns geläufig, andere vielleicht weniger, wie die Mitglieder des sog. „Kreisauer Kreises“. Acht von ihnen wurde vor 80 Jahren, wenige Monate vor der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945, noch der Prozess gemacht. Er endete nach zwei Tagen (9. bis 11. Januar 1945) mit sechs Todesurteilen und zweimal hohen Zuchthausstrafen.

So wurde am 23. Januar 1945 im Hinrichtungsschuppen von Berlin-Plötzensee der Rechtsanwalt und schlesische Gutsbesitzer Helmuth James von Moltke zusammen mit einigen Freunden gehängt, obwohl der Blutrichter Roland Freisler zugestehen musste, dass Moltke und seine Mitstreiter, darunter auch P. Alfred Delp SJ, Gewalt immer abgelehnt hatten. „Wir werden gehängt, weil wir zusammen gedacht haben“, schreibt der Vater von zwei Kindern an seine Frau. Zugleich lässt er sie wissen, dass der glühende Nationalsozialist sich angesichts des Mutes und der Unerschrockenheit der angeklagten Christen zu der Aussage verstieg: „Nur in einem sind das Christentum und wir gleich: wir fordern den ganzen Menschen!“ Damit sei Freisler, so Moltke, „von der ganzen Bande auch der einzige, der weiß, weswegen er mich umbringen muss.“

Nationalsozialismus und Christentum schließen sich aus; „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“[1], damals wie heute. Wir leben in einer Zeit, in der die Rechtsstaatlichkeit angegriffen und die Demokratie schlechtgeredet und damit ausgehöhlt werden soll. Jahrzehnte­lang konnten wir der Menschen, die während der Hitler-Diktatur ihr Leben gaben, in Respekt und Dankbarkeit gedenken, nicht zuletzt in Erinnerung daran, dass Pater Alfred Delp, der als Jesuit zum Staatsfeind schlechthin erklärt und bis zu seiner Hinrichtung am Lichtmesstag 1945 grausam gefoltert wurde, brieflich den Wunsch äußerte: „Es sollen einmal andere besser und glücklicher leben, weil wir gestorben sind.“

„Wer glaubt, wird selig“ – Paulus, Franziskus, Helmuth James von Moltke und Pater Alfred Delp sind nur vier von unzähligen Frauen und Männern, Kindern, Jugendlichen und alten Menschen, die sich auf die liebevolle Einladung Gottes zur Nachfolge seines Sohnes einließen und denen das Glaubensbekenntnis, nicht nur Lippenbekenntnis, sondern Herzensanliegen war. Schließen wir uns ihnen an und lassen wir uns von jenen Worten verwandeln, die vor 1700 Jahren zum Fundament des christlichen Glaubens auf der Welt geworden sind.

Wir sprechen gemeinsam: Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen … (GL 586,2)

[1] Vgl. die gleichnamige Veröffentlichung der DBK im Frühjahr 2024.