Lassen wir uns weder entzweien noch entmutigen!
Ich freue mich heute bei Ihnen in Memmingen zu sein. Diese Stadt ist mit den Zwölf Artikeln von 1525 ein historisch äußerst bedeutsamer Ort hinsichtlich der Entstehung der Menschenrechte in Europa. Es war daher eine sehr bewusste Entscheidung, dass wir morgen hier, genauer in der Pfarrkirche St. Joseph, gemeinsam den Sonntag der Weltmission feiern werden.
Die in den Zwölf Artikeln festgehaltenen Forderungen nach Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen entsprechen zutiefst unseren Überzeugungen als Christen. Darum ist es besonders bewegend für mich, dass wir heute zusammen mit unseren missio-Gästen aus den Philippinen an dieser Stelle stehen, die sich in ihrer Heimat immer wieder für die Menschenrechte einsetzen und dabei großen Mut beweisen. Ich möchte Ihnen meinen größten Respekt ausdrücken und „Vergelt’s Gott“ sagen.
Mögen uns unsere philippinischen Schwestern und Brüder ein Vorbild sein! Denn auch bei uns in Deutschland und in Europa wird es immer wichtiger, Menschenwürde und Menschenrechte wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist erschreckend, wie sehr Egoismus und Gleichgültigkeit innerhalb der letzten Jahre politisch wie gesellschaftlich gewachsen sind. Humanitäre Hilfe und Solidarität, sei es im eigenen Land oder über Grenzen hinweg, scheinen nicht mehr vorrangig zu sein. Nicht das Weltgemeinwohl gilt als Maßstab, sondern oft nur noch die eigenen nationalen und wirtschaftlichen Interessen.
Angesichts dieser Entwicklung wäre es fatal, nun zu resignieren und den Diskurs denen zu überlassen, die meinen, allein komme man am besten weiter. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, dass wir uns nicht entzweien und schon gar nicht entmutigen lassen. Wir sind durch das Evangelium aufgerufen, unser Leben und unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass dem Wohl aller gedient ist und besonders die Benachteiligten in den Blick genommen werden; DAS ist „Geschwisterlichkeit“. Dazu sind wir als Gemeinschaft wie auch als Einzelne aufgefordert. Neben gesellschaftlichem Engagement können wir uns zugleich auf der Ebene unseres konkreten persönlichen Handelns um ebendiese Geschwisterlichkeit bemühen. Jeder noch so kleine Beitrag zählt!
Es gibt viele beeindruckende Beispiele, die ich auf meinen Reisen als Bischof, der für die Weltkirche Verantwortung trägt, kennenlernen durfte: Menschen, die sich in widrigsten Umständen für andere einsetzen, nicht selten unter Gefahr für das eigene Leben. Christinnen und Christen, die sich in den unterschiedlichsten Kontexten engagieren und trotz aller Krisen und Konflikte jeden Tag aufs Neue für ihre Mitmenschen da sind. Diese Frauen und Männer sind es, die - auch für mich ganz persönlich - Zeuginnen und Zeugen jener christlichen Hoffnung sind, welche nicht zugrunde gehen lässt.