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Wichtiges
Predigt von Bischof Bertram bei der bundesweiten Feier zum Weltmissionssonntag in Memmingen

„Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“

26.10.2025

Liebe Gäste von den Philippinen, dear guests from the Philippines, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von missio München, liebe Schwestern und Brüder aus Memmingen und von weiter entfernt! „Spes non confundit“, die „Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5) – diese Worte des Apostels Paulus in seinem Römerbrief sind nicht nur Titel der Verkündigungsbulle des verstorbenen Papst Franziskus zum Heiligen Jahr 2025, sie sind auch das Motto des diesjährigen Weltmissionssonntags, wie wir es eingangs gehört haben. Die Hoffnung auf den lebendigen Gott ist es demnach, welche uns allen helfen soll, in einer von Krisen und Unsicherheit geprägten Zeit, das nötige Vertrauen wiederzufinden oder neu zu entwickeln, in der Kirche wie in der Gesellschaft, in der Achtung der Schöpfung, bei zwischenmenschlichen Beziehungen, und nicht zuletzt in der Förderung und dem Schutz der Würde eines jeden Menschen.

Gerade letztere wird in vielen Ländern der Erde täglich verletzt, wie wir wissen. Man kann nur erahnen, welche Kraft es kosten muss, diese immer wieder neu zu verteidigen, wenn man auf die Lebenskontexte unserer diesjährigen Gäste von den Philippinen schaut. Wir haben es in den letzten Wochen bei zahlreichen Veranstaltungen in Pfarreien, Schulen und Einrichtungen im Bistum Augsburg sowie den anderen deutschen Bistümern gehört: Landraub, Vertreibung, Entführung, Missbrauch, staatlich gedeckte Gewalt bis hin zum tausendfachen Mord. Wie kann man angesichts solcher Realitäten hoffnungsvoll bleiben? Zeigen die unzähligen Verbrechen weltweit nicht an, dass es vielleicht sogar besser wäre, die eigene Existenz von Geburt an als einen Überlebenskampf zu verstehen, bei dem sich nur die Starken durchsetzen, anstatt auf die Solidarität der Mitmenschen zu zählen oder gar auf einen unsichtbaren Gott?

NEIN, müssen wir hier als Christinnen und Christen klar und deutlich sagen. Denn wir sind überzeugt: Mag es auch noch so viel Dunkelheit auf diesem Planeten geben, tief im Herzen erkennen wir, dass das Licht jener Hoffnung stärker ist, die in Jesus Christus Mensch wurde. ER allein ist der Herr und „Richter“ (Sir 35,15b), von dem wir in der heutigen Lesung gehört haben, der die vermeintlich Mächtigen der Welt erniedrigt und die Schwachen erhöht (vgl. Lk 18,14). Seine göttliche Herrschaft ist ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, und er hat uns alle dazu berufen, daran mitzubauen.

Was das genau heißen kann, zeigen die einzelnen Lebensgeschichten unserer Gäste. Sie alle haben auf unterschiedliche Weise wahrgenommen, wo die Hoffnung auf ein erfülltes Leben für viele ihrer Landsleute ernsthaft bedroht ist, und sie haben sich aus dem Glauben heraus entschieden, diesen zu Hilfe zu kommen. Damit haben sie eine ganz zentrale Botschaft unseres christlichen Glaubens verkündet – nämlich dass die Liebe zu Gott niemals von der Liebe zu den Mitmenschen getrennt werden darf. Dies machen auch die Tageslesungen deutlich, in denen veranschaulicht wird, worin wahre Gerechtigkeit besteht und wie wir sie leben können. Im Blick darauf, aber auch auf das sehr schöne Gebet zum diesjährigen Weltmissionssonntag, möchte ich Ihnen im Folgenden drei kurze Gedanken mitgeben, die ich überschrieben habe mit den Worten: Spuren der Hoffnung (1), Boten der Hoffnung (2) und Urgrund der Hoffnung (3).

1. Spuren der Hoffnung

Die wichtigste Spur der Hoffnung ist eine Lebensweise, die sich ganz am Vorbild Jesu Christi orientiert. Das Wesen des Sohnes Gottes offenbart uns eine Liebe, die alle Grenzen übersteigt, und die unveräußerliche Würde jedes Menschen zum „höchsten Gesetz der geschwisterlichen Liebe“ erklärt (vgl. Fratelli Tutti 39). Seinem Beispiel folgend sind wir dazu berufen aufeinander zuzugehen, mit Achtung zu begegnen, voneinander zu lernen, füreinander einzusetzen und miteinander zu beten.

Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass es einige Faktoren gibt, welche diese Vision der Einen Welt immer wieder gefährdet. An erster Stelle steht der Egoismus; heutzutage vor allem in westlichen Gesellschaften in Form eines übersteigerten Individualismus mit Hang zur Selbstbezogenheit. Des Weiteren: Ungerechte Wirtschaftssysteme, in denen Menschen, selbst Kinder, ausgebeutet und ihrer Rechte beraubt werden. Und ganz aktuell, ein leider wieder neu erstarkender Nationalismus, genährt durch Populisten, welche die strukturellen Probleme der einzelnen Staaten ausnutzen, um Ängste und Aggressionen zu schüren. Lassen Sie mich hierzu noch einmal deutlich unterstreichen, was die deutschen Bischöfe bei ihrer letztjährigen Frühjahrs-Vollversammlung in Augsburg einstimmig erklärt haben: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar! Dazu gehören auch alle Formen der Ausgrenzung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe und Religion.

Spuren der Hoffnung sind demgegenüber jene Haltungen, von denen wir in der Lesung aus dem Buch Sirach gehört haben: Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten, Hilfe für Witwen und Waisen, Einsatz für Gerechtigkeit. Wir tun dies hier in unserem Land, wenn wir die entsprechenden kirchlichen und staatlichen Einrichtungen unterstützen, oder uns selbst mit unseren Fähigkeiten einbringen. Dazu gibt es viele Möglichkeiten in der Pfarrei, in der Gesellschaft, aber auch im Privaten. Beziehen wir klar Stellung, wenn die Bewahrung der Schöpfung und der Schutz der Menschenrechte, beispielsweise bei Diskussionen, angefragt werden! Der Pharisäer aus dem Evangelium (vgl. Lk 18,11f.) sollte uns dabei eine Warnung sein: Er scheint an sich kein schlechter Mensch gewesen zu sein, insofern er ab und zu fastete und auch spendete. Dennoch verdient er, den Worten Jesu nach, in den Augen Gottes keine Rechtfertigung, da er allzu selbstgefällig auftrat und sich gegenüber anderen als etwas Besseres ansah. Offensichtlich wünscht sich Gott von uns vor allem Demut, die darin besteht, dass wir niemals in Selbstgerechtigkeit verfallen, sondern immer auf die Gnade Gottes hoffen, und uns mit aller Kraft bemühen, das zu tun, was dem Heil dieser Erde und unserer Mitmenschen dient. Ein gutes Beispiel dafür ist der Zöllner, der zunächst wohl alles andere als ein integrer Mensch war, zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens aber seine Verfehlungen erkannte und umkehrte, ähnlich dem Zachäus aus einer anderen Bibelstelle (Lk 19,1-10).

Bleiben wir also stets demütig und folgen den Spuren der Hoffnung, insofern wir uns für andere einsetzen. Die heutige Kollekte zum Weltmissionssonntag ist nur eine Möglichkeit, für die ich jedoch nachdrücklich werben möchte und Sie um eine großzügige Spende bitte. Die Projekte, die von den Päpstlichen Missionswerken missio München und missio Aachen ausgewählt und gefördert werden, sind es wert, denn wir unterstützen dadurch Botinnen und Boten der Hoffnung.

2. Boten der Hoffnung

Einige davon haben wir heute hier; es sind unsere Gäste aus den Philippinen:

-     Carol Daria, die sich in den Armenvierteln von Manila als Psychologin um traumatisierte Witwen und Waisen kümmert, deren Angehörige während der blutigen Duterte-Diktatur erschossen wurden.

-     Father Christian „Toots“ Buenafe vom Orden der Karmeliter, der sich für politisch zu Unrecht Gefangene einsetzt, deren Menschenrechte missachtet und die teilweise gefoltert werden. Er tut dies, obwohl er dadurch selbst in Gefahr gerät und sein Leben bedroht ist.

-     Sister Ailyn Binco, die mit ihren Mitschwestern aus dem Orden der Good Sheperd Sisters ein Schutzzentrum für missbrauchte Mädchen betreut und ihnen auf dem schweren Weg zurück ins Leben hilft.

-     Jocelyn Aquiatan, die sich auf der Insel Mindanao für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Schutz der Rechte indigener Gemeinschaften.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, möchte ich Sie einladen, sich mit der Arbeit und den Projekten unserer Gäste näher zu beschäftigen. Sie alle stehen beispielhaft für viele andere Botinnen und Boten der Hoffnung, die wir als Weltkirche mit unseren Spenden unterstützen. Papst Leo XIV. hätte sicherlich seine Freude daran, da in seiner gerade veröffentlichen Schrift Dilexi te, einer Ermahnung (Exhoration) an uns alle, den Wunsch seines Vorgängers Papst Franziskus ausdrücklich teilt, sich an die Seite der Bedrückten und Gedemütigten zu stellen (vgl. Dilexi te 3). Tun wir dies, indem wir heute etwas geben, aber tun wir es auch im Alltag, insofern wir einen wachen Blick dafür haben, wo Menschen herabgesetzt und benachteiligt werden! Helfen kann uns dabei unsere innere Achtsamkeit sowie unser Glaube, womit ich zu meinem letzten, kürzeren Gedanken komme.

3. Urgrund der Hoffnung

Seit ihren Anfängen hat die Kirche verkündet, dass der Urgrund der Hoffnung Jesus Christus ist. Schon der Apostel Paulus ruft uns im ersten Brief an Timotheus zu, dass allein der Sohn Gottes „unsere Hoffnung“ (1 Tim 1,1) verkörpert. Darum hat der verstorbene Papst Franziskus in seiner Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr wohl auch ganz bewusst an den Anfang den Wunsch gestellt, dass dieses Jahr eine Gelegenheit sein möge, Jesus Christus neu kennenzulernen, jede und jeder auf seine ganz persönliche Weise (Spes non confundit 1). Von IHM und durch IHN wird uns Hoffnung geschenkt. Als entscheidende Voraussetzungen hierfür werden unsere Taufe und Firmung genannt, bei denen wir uns Gott übergeben haben, der uns mit seinem Geist erfüllen und innerlich stärken will. In der Eucharistiefeier dürfen wir dem Herrn darüber hinaus leibhaftig begegnen und seine Liebe in uns aufnehmen.

Machen wir uns also immer wieder bewusst, dass es Gott selbst ist, der in uns wirkt. Allein daraus können wir Hoffnung schöpfen. An diesem Glauben hat sich bis heute nichts verändert und so fasste es Papst Franziskus mit den schönen Worten zusammen: „Es ist nämlich der Heilige Geist, der mit seiner beständigen Gegenwart in der pilgernden Kirche das Licht der Hoffnung in den Gläubigen verbreitet. Er lässt es brennen wie eine Fackel, die nie erlischt, um unserem Leben Halt und Kraft zu geben.“ (Spes non confundit 3)

Daran wollen wir uns festhalten: Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat, als Quelle der Hoffnung suchen, in Wort und Tat den von ihm vorgelebten Spuren der Hoffnung folgen, und letztlich, wie unsere Gäste von den Philippinen, zu Botinnen und Boten der Hoffnung werden. Einer Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt.

Schriftlesungen (vom Tag): Sir 35,15b-17.20-22a; Lk 18,9–14