Jagen wir dem Frieden nach!
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder verschiedener Muttersprachen und Ritusgemeinschaften, in allen drei Texten, die wir gerade gehört haben, kehrt ein Wort immer wieder: der Friede!
Es ist auch das Sehnsuchtswort unserer Tage: Wir wünschen uns Frieden in den zahlreichen Kriegsgebieten dieser Erde, zwischen den gesellschaftlichen Gruppierungen und besonders in den Familien, wo Hass und Streit leider ihren Ausgang nehmen und Gewalt an Frauen und Kindern erschreckend oft an der Tagesordnung sind.
Vom Propheten Jesaja haben wir einen Auszug aus seiner anschaulichen und kraftvollen Trostvision gehört, in der uns der Schöpfer als nährende, wärmende Mutter entgegentritt – ein Bild des Friedens, das immer noch viel zu wenig in unseren Köpfen verankert ist! Stattdessen bleiben wir allzu sehr an den kriegerischen Bildern hängen und üben uns nicht darin, dem Frieden nachzujagen (vgl. Ps 34,15).
Woran das wohl liegt?
Ich denke, es wäre an der Zeit, Ernst damit zu machen, die Friedensfähigkeit in allen Generationen und zwischen den Generationen ins Zentrum unseres Lebens aus dem Glauben zu stellen. Was sollte uns denn sonst unterscheiden von denen, die nicht zu Jesus Christus als dem Retter und Erlöser gefunden haben?
Im Brief an die Gemeinde in Galatien betont Paulus unmissverständlich, worauf es in der Nachfolge Christi ankommt: nicht auf äußere Zeichen, selbst wenn sie - wie bei der Beschneidung - körperlich eingeschrieben sind, sondern auf die konsequente Ausrichtung am Kreuz Jesu, „durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Gal 6,14). Das sind harte, kompromisslos erscheinende Worte. Doch dahinter steckt nicht ein sektiererisches Entweder – Oder, sondern die lebendige Erfahrung des Völkerapostels, der im selben Brief von sich sagt: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Was ich nun im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20).
Nehmen wir den heutigen Sonntag zum Anlass, uns einmal über unsere ganz persönliche Stellung zu Jesus Christus klar zu werden.
Wer ist er für mich?
Ein guter Mensch, der vor 2.000 gelebt hat und dessen Lehren ich in Familie und Schule kennengelernt habe? Oder der Retter MEINES Lebens, der Maßstab meines Handelns, der Gott meiner dunklen und lichtvollen Tage?
Ist mir die Kirche ein Raum für kulturelle Tradition und emotionale Geborgenheit oder auch Antrieb zur Weiterentwicklung meiner Sensibilität für Ungerechtigkeit und Glaubenszeugnis im Alltag? Kann ich das Glaubensbekenntnis, dessen Entstehung vor 1.700 Jahren wir heuer in der ganzen Christenheit feiern, mit voller Überzeugung mitsprechen oder bedeutet es mir nur ein geschichtliches Zeugnis aus längst vergangenen Tagen?
Wir haben gerade das Evangelium von der Aussendung der 72 Jünger gehört – können wir uns vorstellen, dass diese Botschaft heute extra für uns gelesen wird? Sie will jedem von uns ins Herz sprechen und ist zugleich ein Test dafür, ob unsere Begeisterung für die Frohe Botschaft so groß ist, dass wir sie auch außerhalb geschützter Kirchenräume verkünden würden. Sind wir also selbst davon überzeugt, dass „das Reich Gottes nahe“ ist (Lk 10,9)?
Manchen von uns beschleicht bei den Schreckensmeldungen dieser Tage
- des überraschend schnellen Temperaturanstiegs, der das sichtbare Abschmelzen der Gletscher und Eisberge wie den Anstieg des Meeresspiegels und erhöhte Erdbebengefahr zur Folge hat;
- der gravierenden Spannung zwischen den Großmächten dieser Erde und ihren Repräsentanten, die immer weniger nach Recht und Gesetz fragen, und
- den zunehmenden Verwerfungen in der geopolitischen Weltlage –
fast ein apokalyptisches Schaudern. Nicht wenige kommerzielle Anbieter zahlreicher Social-Media-Plattformen schüren solche Ängste, indem sie z. B. unserem Heiligen Vater einschlägige KI-generierte Texte unterschieben. Dies geht bis zur Nachäffung seiner Stimme – ein klarer Betrugsversuch, der leider nicht so offensichtlich ist, dass nicht Tausende Menschen weltweit darauf reinfallen.[1] Wir sind wohl allzu anfällig dafür, dass wir gerne von Autoritäten bestätigt haben wollen, was wir als „Wahrheit“ erkannt zu haben glauben!
Liebe Schwestern und Brüder,
lassen wir uns nicht in die Irre führen – das Evangelium Jesu Christi ist seit fast 2.000 Jahren bekannt. Es allein ist unser Maßstab und nichts Anderes!
Wir wollen nicht Angst verbreiten, sondern den Frieden bringen. So haben es die Missionare zu allen Zeiten gehalten und deshalb konnte sich der christliche Glaube über die ganze Welt ausdehnen. Schauen wir genau hin, wenn einer vor uns auftritt: ob er wirklich im Namen Jesu spricht, ob Wort und Tat bei ihm übereinstimmen und er keine egoistischen oder kommerziellen Ziele verfolgt.
Ja, es ist schwieriger geworden, seit die Digitalisierung, ebenso wie die reale Welt, von Menschen mit bösen Absichten zu kriminellen Zwecken missbraucht wird. Doch darüber sollten wir nicht in Trostlosigkeit verfallen, sondern „nüchtern und wachsam“ (1 Petr 5,8) alles prüfen und das Gute behalten (vgl. 1 Thess 5,21). Papst Franziskus hat zum Tag der sozialen Kommunikationsmittel 2024 das Thema der Künstlichen Intelligenz eindeutig in seinen tieferen Zusammenhang gestellt: „In diesem Zeitalter, das in der Gefahr steht, reich an Technik und arm an Menschlichkeit zu sein, muss unser Nachdenken vom menschlichen Herzen ausgehen. Nur wenn wir eine geistliche Sichtweise einnehmen, nur wenn wir wieder (…) Herzensweisheit erlangen, können wir die Neuerungen unserer Zeit deuten und interpretieren und den Weg zu einer wahrhaft menschlichen Kommunikation wiederentdecken.“[2]
Bei der Aussendung seiner Jünger weckt Jesus in ihnen keine Illusionen, sondern spricht in geradezu drastischen Worten von dem, was sie erwartet: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (…) Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren“ (Lk 10,3.5-6). Der Friede ist hier fast als etwas Lebendiges gedacht, das man verschenken kann, das aber bei Missachtung keinerlei Schaden nimmt. Glauben wir das auch wirklich? Oder sind wir nicht eher enttäuscht und entmutigt, wenn unser Friedensangebot ausgeschlagen wurde und wir als „Gescheiterte“ dastehen? Christus „ist unser Friede“, schreibt Paulus den Ephesern (Eph 2,14). Er ist der leibhaftige, lebendige Friede, zu dem wir uns mit unserer Taufe und Firmung bekannt haben. Vertrauen wir auf ihn und jagen wir IHM, dem personifizierten Frieden nach, damit die Welt, die Frieden so sehr nötig hat, in uns friedensfähige Menschen erkennt. Amen.
Lesungen: Jes 66,10-14c; Gal 6,14-18; Lk 10,2-9
[1] Vgl. KI-gefälschte "Predigten" von Papst Leo XIV. fluten das Internet - katholisch.de (aufgerufen am 11.06.2025)