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Wichtiges
Predigt von Bischof Dr. Bertram Meier anlässlich des Festgottesdienstes zum Heiligen Jahr in der Wieskirche am Pfingstmontag, 9. Juni 2025

Mit dem Geist der Hoffnung unterwegs

09.06.2025

Was - würden Sie sagen - macht einen Christen aus? – Ich bin mir sicher, wir könnten in unserer Gottesdienstgemeinschaft eine Vielzahl guter und sinnvoller Antworten sammeln. An diesem zweiten Pfingstfeiertag lenkt die Apostelgeschichte unser Augenmerk auf die Antwort, die Paulus wohl geben würde.

Er trifft in Ephesus auf eine Gruppe, die in der Heiligen Schrift als Jünger bezeichnet werden. Paulus stellt ihnen eine entscheidende Frage: Habt ihr schon den Heiligen Geist empfangen? Sie verneinen und berichten, dass sie mit der Taufe des Johannes getauft wurden. Aus den Evangelien wissen wir, dass Johannes der Täufer zur Umkehr gerufen und mit Wasser getauft hat. Wir können also annehmen, dass diese Jüngergruppe, auf die Paulus in Ephesus stößt, Gott aus ganzem Herzen nahe sein will und dass sie sich bereits um eine veränderte Lebensweise bemüht. Es sind Leute, die sich bereits auf einen Weg gemacht haben. Entscheidendes fehlt ihnen aber noch zum Christ sein: der Heilige Geist. Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens steht nicht die menschliche Anstrengung, sondern das Wirken Gottes. Das Wesentliche ist Gabe, ist Geschenk.

Uns allen ist der Heilige Geist mit der Taufe gegeben – jener Taufe, die Jesus seinen Aposteln nach seiner Auferstehung in Auftrag gegeben hat. Das Pfingstfest gibt uns Anlass dazu, aufmerksam zu werden für das, was uns dieser Gabe zuteilgeworden ist.

Wir begegnen dem Geist Gottes schon im Alten Testament. Alles beginnt mit seiner schöpferischen Kraft, die Welt und Menschen ins Leben ruft. Es ist der Geist Gottes, der die Jahrhunderte hindurch aus dem Mund von Propheten spricht und der die Menschwerdung des Gottessohnes in Maria erwirkt. Jesus wurde bei seiner Taufe im Jordan als Träger des Heiligen Geistes erkennbar. Der Geist ruhte auf ihm (vgl. Jes 11,2; Lk 4,18.21). Jesus spricht und handelt in diesem Geist, er verbindet ihn mit seinem himmlischen Vater. Und wenn er seinen Jüngern im Abendmahlssaal angesichts des Kreuzestodes anvertraut, dass er sich nach diesem Mahl gesehnt hat (vgl. Lk 22,15), dann ist es der Geist der Liebe, der ihn dazu drängt. Im Kreuz Jesu Christi werden Himmel und Erde versöhnt. Somit wurde das Kreuz vom Zeichen des Todes und der Schande zum Zeichen des Lebens und der Hoffnung. Jesu am Kreuz hingegebenes Leben ist ein für alle Mal hingegeben. Von Tod und Auferstehung geht eine Hoffnung aus, die nicht zurückgenommen wird. Auf die Hingabe von Leib und Leben folgt noch eine weitere Gabe, die Jesus seinen Jüngern versprochen hat: die Sendung des Heiligen Geistes. Die Jünger sollen wie er zu Geistträgern werden. Ohne das Kommen des Heiligen Geistes wäre es nicht weitergegangen mit der jungen Kirche. Erst nach dem Pfingstfest trauen sich die Jünger hinaus, um fortzusetzen, was Jesus begonnen hat.

Gott nimmt seine Gaben nicht zurück. In diesem Sinn ist Pfingsten ein Fest der Erneuerung und der Ermutigung für uns, die wir als Pilger der Hoffnung unterwegs sein dürfen. Papst Leo XIV. führt das Heilige Jahr fort, das von Papst Franziskus begonnen wurde. Die Hoffnung setzt sich fort, sie geht nicht zu Grunde. Und die Hoffnung lässt nicht zu Grunde gehen; spes non confundit (vgl. Röm 5,5) – so lautet der Titel, die die Bulle zum Heiligen Jahr trägt. Folgenden Zuspruch möchte ich daraus zitieren: „Es ist (…) der Heilige Geist, der mit seiner beständigen Gegenwart in der pilgernden Kirche das Licht der Hoffnung in den Gläubigen verbreitet. Er lässt es brennen wie eine Fackel, die nie erlischt, um unserem Leben Halt und Kraft zu geben. (…) Deshalb bricht diese Hoffnung angesichts von Schwierigkeiten nicht zusammen. Sie gründet sich  auf den Glauben und wird von der Liebe genährt und ermöglicht es so, im Leben weiterzugehen.“[1]

Was macht einen Christen aus? Ich möchte an Hand der Lesungen und des bisher Gesagten drei Aspekte herausgreifen und dabei besonders auf das Wirken des Heiligen Geistes eingehen:

1. Ein Christ ist mit Gott verbunden

Der Geist Gottes wirkt im einzelnen Menschen. Mit Hilfe des Heiligen Geistes kann der Mensch klarer erkennen, dass Gott ist und er kann erkennen wie Gott ist. Die heutige Lesung des Römerbriefes spricht von Gott als Vater. Das drückt ein intimes Beziehungsgeschehen aus. Als Kinder Gottes stehen wir in direkter Verbindung mit Gott. Im Römerbrief ist diese Gotteskindschaft mit dem Gedanken verknüpft, dass wir das Erbe Jesu antreten. Wenn wir in seine Fußstapfen treten, dürfen wir das in dem Wissen tun, dass unsere Schuhe um einiges kleiner sind als die Seinen. Ja, als Kinder Gottes sind wir gerufen Jesus nachzufolgen, aber ebenso gilt: Gott lässt uns damit nicht allein; durch den Heiligen Geist werden wir dazu befähigt. Was die Jünger am Pfingsttag erhalten haben, Erkenntnis, Stärke, Mut und Zuversicht, das ist auch uns zugesagt.

2. Ein Christ kann nicht alleine Christ sein

Kinder gehören bekanntlich zu einer Familie. Kraft der Taufe entfaltet der Heilige Geist in jedem Gläubigen seine guten Gaben, zugleich wird der Einzelne in die Familie Gottes aufgenommen, die wir Kirche nennen. Der Heilige Geist sammelt die einzelnen Christen. Das wird heute durch die Trachtler-Wallfahrt eindrucksvoll erfahrbar, wenn Sie sich aus den verschiedenen Verbänden in der Wieskirche zusammenfinden. Danke, dass Sie uns das so lebendig vor Augen führen! Sie erweisen sich als gute Partnerinnen und Partner des Heiligen Geistes; denn er ist es, der in Bewegung setzt und der dem „Knochengerüst“ Kirche fortwährend Leben einhaucht: Ohne den Heiligen Geist ist Gott fern, bleibt Jesus Christus in der Vergangenheit, ist das Evangelium toter Buchstabe, die Kirche ein bloßer Verein, die Mission Propaganda, die Liturgie eine Geisterbeschwörung und das christliche Leben eine Sklavenmoral.“ So lautet ein Gebet aus dem zweiten Jahrhundert, das Athenagoras aus Athen zugeschrieben wird. Es ist bleibend aktuell. Der Geist belebt die ganze Kirche. Jeder Bereich des kirchlichen Lebens ist rückgebunden an seinen göttlichen Ursprung. Gott selber ist der Garant für die Erneuerung von Kirche. Jede Reformbemühung ist angewiesen, den Heiligen Geist zu hören, um im Sinne des Evangeliums fruchtbar werden zu können.

3. Ein Christ wird vom Geist befähigt, Hoffnungsträger für diese Welt zu sein

Spannungen und Herausforderungen innerhalb wie außerhalb der Kirche, das Überhandnehmen von Krisen und Kriegen allerorts, verleiten uns zu Hoffnungslosigkeit. Die Worte von Papst Franziskus weisen den Heiligen Geist als denjenigen aus, der die Hoffnung in uns am Leben hält. Der Geist verleiht uns Durchhaltevermögen. Zwei Nährstoffe für dieses Jahr der Hoffnung gibt uns der verstorbene Papst an die Hand: die Bereitschaft zur Umkehr und das Pilgern. Eine Fußwallfahrt lässt uns Gemeinschaft erleben und sie lässt uns „den Wert der Stille, der Anstrengung und der Konzentration auf das Wesentliche“[2] wiederentdecken. Gemeinschaft, Stille, der Blick für das Wesentliche - all das ist für unser Menschsein bereichernd, wenn nicht sogar unverzichtbar. Und noch etwas kann das Pilgern verdeutlichen: Wer unterwegs ist, muss hin und wieder die Richtung ändern. Das bedeutet Umkehr. Missverständnisse, Schuld und Krisen mögen zweifelsohne da sein, aber wir tragen eine Kraft in uns, die uns befähigt, dass wir uns erneut dem Licht zuwenden.

Das lässt uns auch mehr und mehr zu Hoffnungsträgern für diese Welt werden. Wir sollten das konkret werden lassen. Vielleicht können wir diese Woche nur einem Menschen neuen Mut machen - durch ein Lächeln, ein offenes Ohr, ein gutes Wort oder gar die zur Versöhnung ausgestreckte Hand. Wir dürfen klein beginnen.

Was macht einen Christen aus? Der Apostel Paulus weist uns heute an diesem Pfingsttag darauf hin, dass es der Heilige Geist ist. Er verbindet und versöhnt uns mit Gott und untereinander. Er ist die Kraft Gottes, die uns einverleibt ist, die uns erneuert und zum Guten drängt. Dieser göttliche Beistand ist uns geschenkt und bleibend zugesagt. Auf ihn können wir unsere Hoffnung setzen. Amen.

[1] Papst Franziskus: Spes non confundit. Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres 2025, Nr. 3.

[2] Spes non confundit, Nr. 5.