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Wichtiges
Predigt von Bischof Bertram zur Männerwallfahrt während der Ulrichswoche

„Teil von Gottes Mannschaft sein“

08.07.2025

Liebe Wallfahrer und Brüder im Glauben, als Jesus in ein Haus in Kafarnaum kam, „versammelten sich so viele Menschen, dass nicht einmal mehr vor der Tür Platz war“ (Mk 2,2) – so haben wir es eben im Evangelium gehört. Die Menge strömte zusammen, weil sie die Botschaft hören und den Mann sehen wollten, von dem gesagt wurde, er sei der lang ersehnte Messias.

Auch wir sind heute hier, in der wunderbaren Basilika St. Ulrich und Afra zusammengekommen, um Gott in Wort und Sakrament zu begegnen, und ich freue mich sehr, dass wieder eine so große Zahl an der jährlichen Männerwallfahrt im Rahmen der Ulrichswoche teilnimmt. Es ist ermutigend für mich, und hoffentlich auch für Sie, zu sehen, dass es nach wie vor viele Männer gibt, die öffentlich zu unserem christlichen Glauben stehen, Freude an der Gemeinschaft haben und Gott in ihrem Leben einen Platz einräumen.

Mit Blick auf die heutigen Schriftlesungen und das Beispiel des heiligen Ulrich möchte ich Sie einladen, nach dem äußerlichen Gehen auch innerlich aufzubrechen, wie es der Sinn einer Wallfahrt ist. Wir tun dies, indem wir „mit dem Ohr des Herzens“ auf die Weisungen Gottes hören und darüber nachsinnen, wo diese in unserem Alltag bedeutsam sein können. Zwei Gedanken möchte ich Ihnen dazu anbieten, die ich mit den Worten überschrieben habe: In allem auf Gott vertrauen (1) und durch konkrete Taten Teil von „Gottes Mannschaft“ sein (2).

 

1. In allem auf Gott vertrauen…

Schauen wir zunächst auf die Lesung aus dem Alten Testament, in der uns der Prophet Jesaja den Rat gibt: „Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr!“ (Jes 43,18)

Jeder von uns hat in seinem Leben wohl schon Erfahrungen gemacht, die ungut und schmerzhaft waren. Je nachdem können das eher kleinere Enttäuschungen oder auch schwere Verwundungen sein. Im Falle von Jesaja war es die Katastrophe des Babylonischen Exils, in welches das Volk Israel im 6. Jh. vor Christus geraten war. In dieser trostlosen Situation der Gefangenschaft, fernab der Heimat, ruft der Prophet seinen Landsleuten zu, nicht zu verzweifeln. Inmitten der Wüste lässt Gott Wasser hervorsprudeln und zeigt einen neuen Weg (vgl. Jes 43,19). Mit diesem Bild verknüpft Jesaja die Botschaft, welche auch uns heute Hoffnung schenken kann: Alle Sorgen, alle Trauer und alle Schmerzen, die wir in uns tragen, werden von Gott nicht nur gesehen, sondern er will uns auch heilen und zu einem guten und erfüllten Leben führen. Immer wieder dürfen wir zu ihm kommen und im Gebet sagen, was uns bedrückt. Unzählige Menschen haben es im Laufe der Geschichte erfahren, dass ihnen der Herr geholfen und eine Richtung gezeigt hat. Indem wir uns Gott zuwenden, wird eine innere Kraft spürbar, die uns auch in schwierigen Lebenslagen weitergehen lässt. Vielleicht haben Sie selbst es schon erlebt, und wenn nicht, dann behalten Sie diese ermutigende Zusage im Gedächtnis und erinnern sich daran, falls auch Sie einmal in eine kritische Lebensphase kommen.

Doch können wir Gott nicht nur die belastenden Dinge anvertrauen, sondern wir dürfen ihm auch danken für all das Schöne, das wir erleben, sei es eine glückliche Ehe, die Geburt von Kindern und Enkelkindern, langjährige Freundschaften oder das gute Miteinander am Arbeitsplatz. Überall dort, wo gegenseitiger Respekt und Liebe zuhause sind, ist Gott mit seinem heiligen Geist mitten unter uns.

Einer, der das früh verstanden und danach gelebt hat, war der heilige Ulrich. Von ihm lesen wir im ersten Kapitel der Vita seines späteren Domprobstes Gerhard von Augsburg, dass auch sein Leben nicht frei von Lasten und Gefährdungen war. Bereits kurz nach der Geburt wäre er in den ersten Wochen seines Lebens aufgrund einer Unverträglichkeit beinahe gestorben. Später, als Erwachsener, wurde ihm von der heiligen Wiborada prophezeit, dass er als Bischof von Augsburg dereinst „viel Mühsal erdulden“ (Ulrichsvita, Kap. I,1) müsse. Vermutlich dürfen wir in diesen prophetischen Worten eine Anspielung an die Einfälle der Ungarn, Überschwemmungen und andere Bedrohungen, darunter auch persönliche Krisen, denken. Ulrich aber konnte, vor allem im Gebet, stets die Nähe des Herrn spüren, und galt bei seinen Mitmenschen vielleicht gerade deshalb als „sehr gewinnender Mann“ (I,1), wie wir über ihn lesen, weil er „vertrauend auf Gottes Hilfe“ (I,1) allen Herausforderungen des Lebens voller Tatkraft und Zuversicht begegnete. Auch in guten Zeiten freute er sich am Herrn und sang ihm täglich Psalmen.

Denn tief in seinem Inneren wusste Ulrich, was der Apostel Paulus in seinem Brief an die Korinther mehrfach unterstreicht und auch uns heute in der zweiten Lesung zuruft: „Gott ist treu“ (2 Kor 1,18)! Und wir können uns wirklich darauf verlassen, dass er uns besonders da stärken will, wo wir schwach sind. Dabei bedient er sich nicht selten auch der Hilfe unserer Mitmenschen, die uns dann scheinbar zufällig begegnen und zur Seite stehen. Sehr eindrücklich ist dies im heutigen Evangelium veranschaulicht, womit ich zu meinem zweiten Gedanken komme. 

2. …und durch konkrete Taten Teil von „Gottes Mannschaft“ sein

Die Erzählung von der Heilung des Gelähmten (Mk 2,1-12), welche uns der Evangelist Markus hinterlassen hat, wird oft dahingehend zugespitzt, dass Jesus von Gott die Fähigkeit gegeben wurde, Sünden zu vergeben. Für mich aber ist speziell am heutigen Tag ein anderer Aspekt wichtig, der meist eher vernachlässigt wird. Es ist die Erwähnung, dass der Gelähmte „von vier Männern getragen“ (Mk 2,3) und zu Jesus gebracht wurde. Weil die Menge ihnen den Weg versperrte, stiegen sie sogar aufs Dach und ließen den Kranken, auf seiner Liege gebettet, durch die Öffnung herunter. Was für ein Einsatz! Wer schon einmal versucht hat, einen völlig bewegungsunfähigen Menschen anzuheben, weiß, was das für ein Gewicht ist, und selbst zu viert war es sicherlich eine große Anstrengung, den Gelähmten von außen übers Dach zu transportieren. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass jene vier Männer zutiefst davon überzeugt waren, dass Jesus diesem Kranken helfen kann.

Und jetzt kommt ein entscheidender Satz: „Jesus sah ihren Glauben“ (Mk 2,5). Er sah, wie sehr sie auf ihn hofften, und er reagiert sofort, indem er den Gelähmten nicht nur körperlich, sondern auch seelisch heilt. „So etwas haben wir noch nie gesehen“ (Mk 2,12), staunen die Umstehenden über dieses große Wunder. Ohne die vier Männer aber wäre das so nicht geschehen.

Es ist demnach schon immer christliche Überzeugung, dass Gott uns in allem helfen will, zugleich aber auch dazu beruft, füreinander da zu sein. Wir können das als Männer in besonderer Weise, indem wir für unsere Familien sorgen und sie beschützen. Gleichzeitig sind wir alle Mitglieder unserer Gesellschaft, die momentan aufgrund vieler ungelöster Probleme sehr zerrissen ist. Hier dürfen wir selbstverständlich Entwicklungen und Verantwortliche kritisieren. Schöner und vor allem christlicher aber wäre es, wenn wir zugleich schauen, an welchen Stellen wir selbst unsere Fähigkeiten einbringen und mithelfen können, dass es möglichst allen in unserem Land gut geht. Darüber hinaus sind wir auch Kinder dieser Erde, unserem gemeinsamen Haus, das gegenwärtig besonders gefährdet ist durch den Klimawandel, aber auch Kriege und Ungerechtigkeiten. Einige dieser Krisen können wir nur als ganze Menschheit bewältigen, indem jeder von uns auch im Kleinen etwas beiträgt.

Schauen wir hierzu nochmal auf den hl. Ulrich, der uns ein so großartiges Beispiel gegeben hat: Fünfzig Jahre lang hat er sich als Bischof eingesetzt, dem Wohl der ihm anvertrauten Gläubigen zu dienen. Wir alle kennen die berühmte Geschichte von der Verteidigung der Stadt Augsburg im Jahr 955 mit der Schlacht auf dem Lechfeld. Dabei war er an sich alles andere als ein Kriegsheld, sondern suchte stets den Frieden, was sich besonders an seiner Rolle als Vermittler beim drohenden Krieg von Tussa (dem heutigen Illertissen) im Jahr 954 zeigt. Nun sind die Umstände heute natürlich ganz anders, und es braucht nicht immer die großen Gesten oder Worte, aber vielleicht können wir ein Vorbild dahingehend erkennen, dass wir auch bei kleineren Konflikten in unserem persönlichen Umfeld nicht impulsiv oder gar aggressiv reagieren, sondern uns stets bemühen, ruhig und friedlich zu bleiben. Wie viele Streitigkeiten bis hin zu ausgewachsenen Kriegen entstehen nur dadurch, dass Menschen (meist Männer) es nicht schaffen, ihr Ego im Zaun zu halten und ausgleichend zu wirken. 

Dies führt zu einem Punkt, auf den wir im Ulrichsjubiläum in besonderer Weise hingewiesen haben, nämlich die vielfältigen Verdienste des hl. Ulrich im sozialen Bereich: Sein Einsatz für die Armen, die immer in seinem Gefolge waren und die er persönlich versorgte. Sein Engagement als Bauherr, der viele marode Gebäude wieder instand setzen ließ und die Stadt befestigte. Seine Nähe zu den Menschen, die er bei seinen Visitationen in ihrem Alltag besuchte und bei Problemen unterstützte. Sein Mitgefühl gegenüber den Kranken, die er tröstete und für sie betete. Man könnte die Reihe noch weiterführen. Am Ende wird ersichtlich, dass Bischof Ulrich ein Mann war, der, ganz von Gottes Geist durchdrungen, mit erstaunlichem Gespür erkannte, worin die Nöte der Zeit bestehen und auf welche Weise er für andere zum Segen werden konnte.

Liebe Wallfahrer,

nehmen wir uns diesen großen Heiligen zum Vorbild. Sagen wir JA zu Gott und den Menschen, wie Christus es uns gelehrt und durch sein Leben gezeigt hat (vgl. 2 Kor 19f.). Vertrauen wir in guten wie in schwierigen Zeiten auf den Beistand Gottes, der uns alle Tage mit seinem heiligen Geist begleiten will. Und schließlich, wenn wir nachher wieder in unseren Alltag zurückkehren: Denken wir an die „vier Männer“ aus dem Evangelium, die ihre ganze Kraft eingesetzt haben, um einem anderen zu helfen, und werden wir selbst Teil von „Gottes Mannschaft“, die treu zusammensteht, und Gott und den Menschen dient.

Schriftlesungen: Jes 43,18–19.21–22.24b–25; 2 Kor 1,18–22; Mk 2,1–12